Philanthropie – Partnerschaft für die Zukunft
Im alten Ägypten sollten sie Götter und Tote milde stimmen, im Mittelalter das Seelenheil bringen. Heute können Stiftungen Politik und Gesellschaft verändern. Andrew Carnegie gilt als der Vater der wissenschaftlichen Philanthropie, die sich in Stiftungen materialisiert. Getreu seinem Motto „Der Mann, der reich stirbt, stirbt in Schande“ steckte der US-Tycoon der Stahlindustrie bis zu seinem Tod im Jahr 1919 mehr als 300 Millionen Dollar in verschiedene Stiftungen, die alle seinen Namen tragen. Andere folgten seinem Beispiel und legten so den Grundstein für eine stärker philanthropisch geprägte Wissenschaftsförderung, die die Forschungslandschaft der USA in die erste Liga katapultierte und von der nicht wenige – auch europäische und österreichische – Wissenschaftler:innen in Form von Stipendien profitieren sollten. Es zeigt sich: Philanthropisches Engagement kann als Ergänzung zu öffentlichen Mitteln nicht nur zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen, es fördert auch das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung von Wissenschaft und trägt zur Stärkung des Forschungsstandortes bei.
Österreich Land von Kleinspender:innen
„Österreich ist ein spendables Land“, weiß Ruth Williams, Geschäftsführerin des Fundraising Verbands Austria und Moderatorin der Diskussion. Doch 90 Prozent sind Kleinspenden von Kleinst- und Mittelverdienenden. „Wir brauchen eine Vision, um die zehn Prozent Großspenden über philanthropische Aktivitäten stetig zu steigern“, sagt Williams. 2022 sind private Zuwendungen für Universitäten, Fachhochschulen und Co zwar um 20 Prozent angestiegen. Eine Entwicklung, die einer zunehmenden Professionalisierung des Science-Fundraising und der Reform des Gemeinnützigkeitsgesetzes zu verdanken ist. Doch international steckt Österreich hier noch in den Kinderschuhen. So wird in den USA etwa ein Drittel der gesamten Aufwendungen der Grundlagenforschung über private Spenden finanziert. Woran liegt das? Welche Maßnahmen braucht es, um eine Kultur des Gebens in der Wissenschaft auch hierzulande zu fördern? Was können wir aus erfolgreichen internationalen Beispielen lernen? Und wie wichtig sind private Geldgeber:innen für hochrisikoreiche Forschung mit Innovationspotenzial?
Strategie des „Lückenfindens“
In der Schweiz gebe es sechsmal mehr Stiftungen pro Kopf als in den USA und jede fünfte fördere Forschung, weiß Beate Eckhardt. Die Strategie- und Philanthropieberaterin leitete zehn Jahre lang den Stiftungsverband in der Schweiz. Eine Entwicklung, die sie klar im Schweizer Stiftungswesen beobachtet: Es setze sich immer mehr der strategische Gedanken des „Lückenfindens“ durch. Das bedeutet, erstens junge Talente und hochriskante Forschung zu fördern, die keine staatliche Unterstützung finden, und zweitens mehr Kooperationen zwischen Stiftungen und gemeinsame Themensetzung. Das Stiftungswesen in Österreich sieht sie aktuell an einem spannenden Wendepunkt und ruft lachend aus: „Kupfern Sie uns ab und überholen Sie uns!“.
„Topforschende haben Unternehmergeist“
Auch Markus Reinhard, Leiter der NOMIS Stiftung – einer der größten Stiftungen in der Schweiz – spricht von der strategischen Ausrichtung „Filling the gap“, wenn er seinen Fokus auf risikoreiche Projekte legt, die das Potenzial für bahnbrechende Entdeckungen haben. „Wir fördern immer Menschen“, sagt er „Topforschende sind Entrepreneur, mutig und ausdauernd. Wir nehmen die Risiken“. Den Steuerzahlenden nicht verpflichtet, sieht er die Rolle der Philanthropie klar darin, gerade hochriskante Ideen zu fördern, denn darin liege das Potenzial für gesellschaftliche Entwicklung. Dieser Grundgedanke, dass Wohlstand mit Wissen und Innovation verbunden ist, sei tief in der Schweizer Gesellschaft verankert und bildet laut dem Experten den außerordentlich fruchtbaren Boden, auf dem das Stiftungswesen unseres Nachbarlands gedeiht.
Weg vom Denken in Disziplinen hin zu Austausch
Um diese innovativen Ideen zu finden, müsse man laut Andreas Kosmider weg vom Disziplinendenken. Als Managing Director der Falling Walls Foundation ist es sein Ziel, den interdisziplinären Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler:innen und Expert:innen zu fördern, um innovative Lösungen für globale Herausforderungen zu entwickeln. „Wir brauchen Foren, die interdisziplinär, intersektoral, international und risikoaffin sind – mit jungen Leuten, auch aus Bereichen wie Medien und Kunst, die einen dynamischen Raum schaffen, wo man verschiedene Perspektiven einnimmt“, sagt er.
Persönliche Prägung motiviert zum Spenden
Georg Winckler ist Vorstandsvorsitzender der alpha+ Stiftung des FWF, die mit dem Zero Emissons Award des US-amerikanischen Geschäftsmanns Patrick Dumont mit einem Volumen von 4,5 Millionen Euro 2022 eine der höchsten Spenden im Bereich der Grundlagenforschung in Österreich lukrieren konnte. Dieses großzügige Mäzenatentum ist hierzulande jedoch eher die Ausnahme. Die Gründe dafür sind vielfach: Eine IHS-Studie von 2022 zeigt, dass vor allem die persönliche Prägung und die damit einhergehenden intrinsischen Motive, wie das Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit, Vermögende zum Spenden motivieren. „Dumont fühlt sich durch seine aus Österreich stammenden Großeltern diesem Land verbunden“, bestätigt Winckler diese persönliche Bindungskraft.
„Universitäten müssen in der Gesellschaft ankommen“
Hemmend wirken Faktoren wie eine hohe Steuerlast sowie ein hohes Maß an Bürokratie, eine ablehnende Haltung der Gesellschaft gegenüber Vermögenden und die Versorgungsmentalität. In Österreich fehle – im Gegensatz zur Schweiz – zum einen das identitätsstiftende gesellschaftliche Narrativ von Wohlstand durch Wissen. Andererseits sehen die Universitäten als Träger der Grundlagenforschung ihre Forschung als öffentliches Gut und sich selbst somit auch als Teil des Staates. „Da gibt es Berührungsängste, Bildung dürfe nicht zu Ware werden“, bringt es Winckler auf den Punkt. Gleichzeitig mangle es den Universitäten hierzulande an Bindungskraft, was sich auch in einer fehlenden Alumni-Kultur zeige. „Universitäten brauchen identitätsstiftende Elemente für die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden, um an Bindungskraft zu gewinnen, und sie müssen sich entstaatlichen und in der Gesellschaft ankommen“, sagt Winckler. Dazu wäre ein öffentlicher Diskurs notwendig.
„Es braucht offene, interdisziplinäre Foren“
Was es für diesen Diskurs braucht, darin sind sich alle Diskutant:innen einig: Im Vordergrund sollten Kooperation und Kommunikation stehen. Wissenschaft müsse aus dem Elfenbeinturm hinein in die Gesellschaft. Stiftungen brauchen Fürsprecher:innen – bei den Empfänger:innen, in den Universitäten, der Politik. Für diesen Dialog brauche es offene und interdisziplinäre Austauschplattformen. Und Stiftungen müssten ihre Kommunikation modernisieren und nach dem Prinzip „Tue Gutes und rede darüber“ Erfolgsgeschichten erzählen, meint Kosmider: „Was hat ein Spender möglich gemacht, was sonst nicht gefördert worden wäre? Das müssen Stiftungen kommunizieren“.
Wissen als Wohlstandssicherung
„Wissen und Forschung sind Wohlstandssicherung und eine Investition in die Zukunft. Wissenschaft findet nicht im Elfenbeinturm statt und muss nicht unbedingt problemlösend sein, sondern wir brauchen auch Grundlagenforschung, die hochriskant ist“, unterstreicht Reinhard die Bedeutung von rein erkenntnisgetriebener Wissenschaft. Denn: Ob Penicillin, Post-its oder Röntgenstrahlen – die Liste der „zufälligen“ Entdeckungen, die aus reiner Neugierde entstanden sind, ist lang.