Aber woher kommt die Genschere? Wer hat sie entdeckt? Und wie funktioniert sie? Die Geschichte führt von den Salinen des spanischen Mittelmeers in die Keller des französischen Verteidigungsministeriums und in dänische Joghurt-Fabriken. Wir sprechen von wissenschaftlichen Pionier:innen, die abseits des Mainstreams eine scheinbar exotische Forschung betrieben haben. Es ist auch die faszinierende Geschichte von Emmanuelle Charpentier, die die Einzelteile des CRISPR-Systems zusammenfügte und die molekulare Genschere zum Schneiden brachte.
Zurück zum Anfang: 1987 fiel der offizielle, aber völlig unbeachtete Startschuss. Damals wurde aus Japan über ein merkwürdiges Muster in der Erbinformation eines Darmbakteriums berichtet: repetitive DNA-Stücke, die man heute unter dem sperrigen Namen „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“ (kurz CRISPR) kennt.
Einige Jahre später gerät Haloferax mediterranei, ein Archaea-Bakterium, in den Fokus. In der Gruppe der Archaeen kennt man viele Mikroben, die das Extreme lieben. Haloferax mag es extrem salzig und gedeiht in den Salzlagunen des spanischen Mittelmeers. Wieder findet man diesen eigenartigen, repetitiven DNA-Code. Bald erkannte man, dass der spezielle DNA-Code in sehr unterschiedlichen Mikroben vorkommt.
Denn das französische Militär suchte nach forensischen Methoden zur Erkennung von Biowaffen. Man untersuchte deshalb Pestbakterien, die von einem Ausbruch in Vietnam stammten – und da war er wieder: der repetitive CRISPR-Code. Mehrere Wissenschaftler:innen äußerten jetzt den Verdacht, dass CRISPR vielleicht eine Art „immunologisches Gedächtnis“ sein könnte. Denn für unser Auge unsichtbar spielt sich täglich ein brutaler Überlebenskampf zwischen Bakterien und Viren ab. Viren infizieren Bakterien und Bakterien müssen sich verteidigen. Steckte in CRISPR etwa eine Lizenz zum Töten der Viren?
Jetzt brauchte es dringend einen experimentellen Beweis für diese außergewöhnliche Idee. Und der kam erneut aus einer ungewöhnlichen Richtung. Die Produktion von Joghurt und anderen Milchprodukten ist durch Viren gefährdet, die Milchsäurebakterien befallen und zerstören. Ein Forscher in der Milchindustrie erkannte, dass Milchsäurebakterien immer dann gegen Viren resistent waren, wenn die Bakterien den CRISPR-Code in sich trugen. Langsam lüftete sich das Geheimnis der Genschere.