Von fortgeschrittener Suchmaschinentechnik bis zur Wahrung der Privatsphäre in Big-Data-Auswertungen: Die Informatikerin Monika Henzinger entwickelt grundlegende Strukturen unserer digitalen Systeme weiter. Gleichzeitig achtet sie aber darauf, dass ihre Ansätze praktisch und effizient bleiben. So können sie schnell den Weg in die Praxis finden und neue Anwendungen entstehen lassen.

Ende der 1990er-Jahre war das Silicon Valley in Kalifornien Schauplatz eines technologischen Wettrennens. Gefragt waren leistungsfähige Suchalgorithmen, die den größer und unübersichtlicher werdenden Datenberg des Internets durchwühlen, um den Nutzer:innen wirklich relevante Ergebnisse anzuzeigen. Die Informatikerin Monika Henzinger arbeitete 1998 in einem Forschungslabor im dort gelegenen Palo Alto an der Weiterentwicklung von Alta Vista, das zu dieser Zeit der bekannteste Suchdienst war. In einer ihrer Arbeiten zeigte sie damals, dass bei der automatischen Suche der Fokus auf den Suchtext allein nicht die beste Lösung sein kann. Wenn man die Struktur des Internets miteinbezieht – also die Verlinkungen zwischen den Inhalten –, würde die Genauigkeit der Ergebnisse um beinahe 50 Prozent ansteigen, so ihre Erkenntnis.

Ein junges Unternehmen, das sich damals gerade in Palo Alto ansiedelte, verfolgte genau diesen Ansatz, den Henzinger beschrieb: Google. Hier wurden die Hyperlink-Strukturen des Internets genuin in die Suche miteinbezogen, was eindeutig bessere Resultate brachte. Alta Vista konnte aber seine Technologie nicht mehr ändern. Henzinger wechselte 1999 in die Forschung von Google, um dort an den Suchalgorithmen mitzuarbeiten. Ab 2001 leitete sie die Google-Forschungsabteilung. Sie gestaltete jene Prinzipien der Internetsuche mit, die noch heute den Alltag von Hunderten Millionen Menschen prägen. Ihre Studie von 1998, die bei Alta Vista „Improved Algorithms for Topic Distillation in a Hyperlinked Environment“ vorschlug, wurde noch 2014 mit einem „Test of Time“-Award geehrt. Der Preis würdigt Arbeiten, die einen dauerhaften Einfluss auf die Forschung in einer Wissenschaftsdisziplin haben.

In aller Kürze

Monika Henzinger ist auf die Gestaltung algorithmischer Systeme spezialisiert, unter anderem im Bereich der Analyse großer Datenmengen. Zu ihren Forschungsbereichen gehören computergestützte Verifizierung, Algorithmiksysteme auf Basis der Graphentheorie, verteiltes und paralleles Rechnen sowie algorithmische Spieltheorie. Einen neuen Schwerpunkt legt sie auf „Differential Privacy“, wodurch personenbezogene Informationen innerhalb großer Datenmengen beweisbar geschützt sind.

Wittgenstein-Preisträgerin Monika Henzinger.
Die Informatikerin Monika Henzinger erforscht den Schutz der Privatsphäre beim Zugriff auf Datenmengen. Die internationale Wittgenstein-Jury des FWF beurteilt ihre Arbeit als besonders innovativ, wirkungsvoll und sowohl in akademischen als auch in industriellen Spitzenkreisen als hoch angesehen. © FWF/Daniel Novotny
Screen with programming code
In der Datenverarbeitung ist das Sparen der Ressourcen von großer Bedeutung. Meist wird versucht, die Rechenzeit und den Speicherplatz zu minimieren. Das Forschungsgebiet der effizienten Algorithmen und Datenstrukturen versucht gänzlich neue Wege zu gehen und zu verstehen, wie man diese Ressourcen einsparen kann – beispielsweise durch den Entwurf besserer Algorithmen. © Markus Spiske/Unsplash

Henzinger ist theoretische Informatikerin und Grundlagenforscherin. Die Jahre in der damaligen New Economy des Internets ließen ihre Arbeit gleichzeitig aber anwendungsorientierter werden. Im Lauf ihrer Karriere vertiefte sich die Wissenschaftlerin in eine ganze Reihe von verschiedenen Forschungsthemen innerhalb ihres Fachgebiets. Es ging dabei aber immer darum, Strukturen und Organisationsformen von veränderlichen Datenbeständen auf eine grundlegende Art zu verstehen und effizientere Algorithmen zu gestalten, die mit diesen Daten interagieren und Nutzen aus ihnen ziehen. Ihre Grundlagenforschung hat die digitalen Systeme, die heute den Alltag von so vielen Menschen prägen, in vielerlei Hinsicht mitgestaltet.

Vor ihrer Zeit im Silicon Valley hatte sich Henzinger in den 1990er-Jahren mit dem damals neuen Gebiet der dynamischen Graphentheorie auseinandergesetzt. Dynamische Graphen kann man sich wie Netzwerke vorstellen, die verschiedenartige Verbindungen zwischen ihren Knotenpunkten aufweisen. Diese Verbindungen können sich allerdings mit der Zeit verändern. Berechnungsansätze müssen mit dieser Wandelbarkeit zurechtkommen.

Dynamische Graphen können beispielsweise die Form einer Straßenkarte haben, in der aktuelle Stauinformationen eingeblendet werden, oder die Gestalt eines sozialen Netzwerkes, das den Nutzer:innen „naheliegende“ Personen, die sie vielleicht kennen, empfiehlt – Anwendungen, die in den darauffolgenden Jahrzehnten noch sehr relevant werden sollten. Henzinger stellte damals einen „Geschwindigkeitsrekord“ auf. Kein anderer damals aktueller Forschungsansatz konnte die „Zusammenhangskomponenten“ von dynamischen Graphen so schnell berechnen wie ihre Algorithmen. Ihre effiziente Lösung sollte maßgeblichen Einfluss auf die theoretischen Grundlagen in diesem Bereich der Informatik haben.

Neben den dynamischen Graphen und dem „information retrieval“ der Suchmaschinen gehört auch die algorithmische Spieltheorie zu Henzingers Schwerpunkten. Dieser Themenkomplex zielt darauf ab, Auktionen besser zu verstehen und informationstechnisch zu erfassen. Ein potenzieller Anwendungsbereich lag ebenfalls bei den Suchmaschinen: Google hält bei jeder Werbeeinschaltung eine kleine Auktion ab. Die Algorithmen analysieren dabei die Angebote der werbenden Unternehmen und küren Gewinner, deren Einschaltung bei den Suchergebnissen ausgespielt wird.

Algorithmen, die möglichst schnelle Lösungen für eine Problemstellung bringen sollen, bestimmen auch Henzingers jüngste wissenschaftliche Schwerpunkte. Dabei steht die Auswertung von großen Datenmengen im Fokus. Künftig sollten beispielsweise auch Datenbanken der öffentlichen Hand oder von medizinischen Einrichtungen stärker für wissenschaftliche Zwecke zugänglich gemacht werden. Grundbedingung dafür ist aber, dass die Privatsphäre der Menschen, die in diesen Daten abgebildet sind, geschützt bleibt. Auch ein versehentliches Preisgeben der Identitäten muss – beweisbar – mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein. Um dieses Ziel zu erreichen, kann etwa ein gut kalkuliertes Maß an Zufall oder an absichtlichen Abweichungen in die Daten eingebracht werden.

Zur Person

Monika Henzinger war von 2009 bis 2022 Professorin an der Universität Wien und forscht seit 2023 am Institute of Science and Technology Austria (ISTA). Nach dem Informatikstudium in ihrem Herkunftsland Deutschland promovierte sie an der Princeton University in den USA und erhielt eine Assistenzstelle an der Cornell University. Ein zwischenzeitlicher Wechsel in die Privatwirtschaft gipfelte in Henzingers Position als Forschungsdirektorin bei Google. Sie ist Verfasserin von über 200 wissenschaftlichen Arbeiten und hält über 80 Patente. Zu ihren zahlreichen wissenschaftlichen Auszeichnungen gehören zwei Advanced Grants des Europäischen Forschungsrates ERC sowie der FWF-Wittgenstein-Preis.

Bei Monika Henzinger spürt man die Begeisterung für ihr Fach. Die Informatikerin hat eine beachtliche internationale Laufbahn zurückgelegt, wobei sie zwischenzeitlich in die Privatwirtschaft wechselte und als Forschungsleiterin beim Digitalkonzern Google tätig war. Zurück im akademischen Umfeld, ging sie 2009 von der Schweiz nach Wien. Henzinger befasst sich mit der Entwicklung und Analyse von Algorithmen und hat ihren Fokus zuletzt auf die Sicherheit privater Daten gelenkt. Als erfolgreiche Frau in einer Männerdomäne setzt sich die Wissenschaftlerin auch für Gleichstellung und Förderung von Frauen ein.

Dieses „Verrauschen“ der Daten verhindert, dass ein Individuum aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften identifiziert werden kann. Gleichzeitig kann aber sichergestellt werden, dass etwa statistische Auswertungen der Daten mit sehr hoher Genauigkeit stimmen. Zweifellos werden vollkommen anonymisierte Analysen dieser Art in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig ist klar, dass das Durchführen der Berechnungen weder aufwendig noch umständlich sein darf. „Damit Algorithmen wirkmächtig werden, müssen sie einfach und effektiv sein“, sagt Henzinger. „Gerade der Schutz der Privatsphäre im Big-Data-Bereich ist ein praxisrelevantes Problem, das wirklich gelöst werden muss.“

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