Matthias Weber, Ruth Breu, Christoph Neumayer, Gabriel Felbermayr, FWF-Präsident Christof Gattringer bei der Diskussion
Bei der Breakout-Session „Von der Idee zur Innovation: Wie exzellente Forschung Österreichs Zukunft sichert" diskutierten Matthias Weber (Head of Center for Innovation Systems and Policy, AIT Austrian Institute of Technology), Ruth Breu (Informatikerin, Universität Innsbruck), Christoph Neumayer (Generalsekretär Österreichische Industriellenvereinigung), Gabriel Felbermayr (Direktor WIFO) mit FWF-Präsident Christof Gattringer. © FWF/Luiza Puiu

„think.beyond“ – der Name der neuen Dialogplattform des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF enthält bereits deren Programm und Ziel: Im Austausch mit den Stakeholdern des österreichischen Forschungs- und Innovationsystems will das Format neue Wege und Modelle zur Verbesserung desselben jenseits des Altbekannten identifizieren und kritisch diskutieren.

Am 14. März 2024 hatte der FWF zum ersten Mal zu diesem Dialog in die historischen Räumlichkeiten der Otto-Wagner-Postsparkasse in Wien eingeladen. Eine Breakout-Session im Rahmen des Summit beschäftigte sich unter dem Titel „Von der Idee zur Innovation: Wie exzellente Forschung Österreichs Zukunft sichert“ mit den Möglichkeiten, die Lücke zwischen Grundlagenforschung und potenziellen Innovationen, wenn nicht zu schließen, so doch zu verringern.

Die Informatikerin Ruth Breu (Universität Innsbruck), Gabriel Felbermayr, Direktor des WIFO, Christoph Neumayer, Generalsekretär der Österreichischen Industriellenvereinigung, und Matthias Weber, Leiter des Center for Innovation Systems and Policy am AIT Austrian Institute of Technology, repräsentierten in der Diskussion zentrale Stakeholder des Wissenschaftssystems: die Grundlagenforschung ebenso wie die Industrie und die angewandte Forschung und – in einer beobachtenden Rolle – die Wirtschaftsforschung.

Doch worin genau besteht die Lücke zwischen Grundlagenforschung und Innovation? Ist die Entgegensetzung von Grundlagenforschung auf der einen und angewandter Innovation auf der anderen Seite nicht von jeher irreführend?

Auch wenn eine klare Trennlinie zwischen Grundlagenforschung da, Innovation dort, nicht zu ziehen sei, wie zuletzt Nobelpreisträger wie Anton Zeilinger und Ferenc Krausz zeigten, deren Erkenntnisse in der Quantenphysik zu Anwendungen in der Quantenkryptografie beziehungsweise Quantenoptik führten, so sei der Weg von der Erkenntnis bis zur Anwendung mit bis zu zwei Jahrzehnten immer noch sehr lang, sagte Christof Gattringer, Präsident des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, der die Breakout-Session moderierte, einleitend und setzte fort: „Der gesellschaftliche Wert von Grundlagenforschung ist wohl deutlich sichtbar und unbestritten. In der jetzigen Diskussion wollen wir trotzdem genauer betrachten, welchen ökonomischen Wert die Grundlagenforschung hat, und wie die wissenschaftliche Produktivität gesteigert werden kann, ohne die Wissenschaft zu korrumpieren.“

Von der Idee zum Unternehmen und zurück

Die Informatikerin Ruth Breu ist in der akademischen Welt fest verwurzelt: Sie steht der Forschungsgruppe Quality Engineering an der Universität vor, ist Dekanin der dortigen Fakultät für Mathematik, Informatik und Physik, hat mehrere durch den FWF geförderte Projekte geleitet (darunter zwei anspruchsvolle „Translational Research“-Projekte) und ist seit 2019 Leiterin des Digital Innovation Hub West, eines Zusammenschlusses von dreizehn Hochschul- und Forschungspartnern und Interessensvertretungen.

Diese beeindruckende akademische Breite ist für Breu ein wesentliches Element, das es ihr nach eigenem Bekunden 2019 erst ermöglicht hat, das Spin-off Txture GmbH zu gründen, für das sie 2019 zusammen mit der Universität Innsbruck den österreichischen Gründerpreis Phönix erhielt. „Die Unternehmensgründung ist das Ende eines Prozesses, in dessen Verlauf vieles zusammenpassen muss, das akademische Umfeld, die entsprechende Förderung, um Ideen zu entwickeln, und vor allem Zeit“, so die Wissenschaftlerin. Breu sagt von sich, sie sei immer an der Anwendbarkeit ihrer Forschung interessiert gewesen, weshalb Grundlagenforschung und Innovation für sie keine Gegensätze darstellten: „Anwendung und Grundlagenforschung bilden eher ein Kontinuum, keine Pole.“ Um die Produktivität dieses Systems aufrechtzuerhalten oder zu steigern, empfiehlt sie, größeres Augenmerk auf die jungen Wissenschaftler:innen zu richten, die in diesem Kontinuum die Möglichkeit haben müssten, einen guten Nährboden für ihre Ideen und ihre Arbeit zu finden. „Wir sollten sie nicht dem Druck aussetzen, sich für das eine oder das andere entscheiden zu müssen. Es sollte zum Beispiel Karrierewege geben, die leichtere Wechsel zwischen Anwendung, Unternehmensforschung und Universität ermöglichen.“

Gabriel Felbermayr, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) in Wien, bereitet derzeit im Auftrag des FWF eine Studie vor, die in Zahlen gießen soll, was Forschungsförderung und Grundlagenforschung für die Gesellschaft und ihren Wohlstand leisten. Für Felbermayr stellen sich im Vorfeld ganz praktische Herausforderungen für das Studiendesign. Da ist zum einen die räumliche Abgrenzung: „Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung diffundieren global, sie machen nicht an nationalen Grenzen halt.“ Auch die zeitliche Abgrenzung ist schwierig: „Es gibt einen Timelag zwischen der Investition und den Benefits, das können zwanzig Jahre oder auch mehr sein.“ Felbermayr geht davon aus, dass in der aktuellen Diskussion der tatsächliche Wert von Forschung daher immer unterschätzt wird – und damit auch die tatsächliche Produktivität des Austauschs zwischen Grundlagenforschung und Innovationssystem.

Die Rolle der Unternehmen

Während die angewandte Forschung in Österreich zu zwei Dritteln durch den Unternehmenssektor gefördert wird, ist die Förderung von Grundlagenforschung weitgehend Sache der Forschungsförderung der öffentlichen Hand. „Dass wir in Österreich heute bei einer Forschungsquote von 3,22 Prozent stehen und damit auf den oberen Rängen in Europa mit dabei sind, ist eine bemerkenswerte Entwicklung der letzten zwanzig Jahre, zu der der Privatsektor wesentlich beigetragen hat. Wir haben heute 60 Prozent mehr forschungsaktive Unternehmen als noch um das Jahr 2000“, stellte Christoph Neumayer als Generalsekretär der Industriellenvereinigung fest, um zu ergänzen: „Das hat funktioniert, weil wir als Unternehmen einen starken Partner in der Grundlagenforschung haben.“ Die „Arbeitsteilung“ auf der Ebene der Forschungsförderung sieht Neumayer daher nicht als problematisch an: Wichtig sei es, dass es eine ausreichende Vielfalt der Ansätze und Methoden gebe, die eine stetige Weiterentwicklung ermöglichen.

Auch Matthias Weber richtete den Blick auf die Erfolge des Innovationssystems, betonte aber, dass vor dem Hintergrund der aktuellen großen Umbrüche im Bereich Digitalisierung und AI eine enge Verzahnung von Forschungsaktivitäten und eine intensive Arbeitsteilung in der Forschung notwendig seien. „Wir müssen anschlussfähig sein für die globalen Hotspots und dürfen nicht vergessen, dass etwa in den USA auch Grundlagenforschung mit gewaltigen Summen aus privater Hand finanziert wird.“

Gegenüber der im öffentlichen Diskurs häufiger vernommenen Forderung nach einer stärkeren Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen zeigte sich Weber jedoch skeptisch: „Dass Grundlagenforschung den Unternehmen nutzt und ihren Bedürfnissen entspricht, ist bereits an den Patenten sichtbar, die sich auf die Grundlagenforschung beziehen. Von den Universitäten kann man nicht erwarten, sich auch noch um die Kommerzialisierung von Forschungsergebnissen zu kümmern.“

Beschleunigung

Die künstliche Intelligenz, die die Forschungssysteme nach Einschätzung der Stakeholder auch ethisch sehr stark herausfordert, ist zugleich ein Treiber einer immer stärkeren Beschleunigung der technologischen Entwicklung. Das birgt für Forschende ganz konkret einen enormen Zeitdruck: „Und der Tag hat trotzdem nur 24 Stunden“, so Ruth Breu, die in ihrem Abschluss-Statement ebenso wie Christoph Neumayer für mehr Unterstützung für junge Forschende warb.

Die beschleunigte Entwicklungszeit bedeutet für Unternehmen einen zusätzlichen Druck, das Potenzial von neuen Erkenntnissen möglichst schnell möglichst gut einschätzen zu können. Die Grundlagenforschung könne sich wiederum gefordert sehen, schnelle Ergebnisse liefern zu müssen, was wiederum der Logik der Offenheit der Forschung nicht entspricht. In dem Zusammenhang bewertete das Diskussionspanel die Missionsorientierung des kommenden EU-Forschungsrahmenprogramms, das 2028 Horizon Europe ablösen wird, positiv. „Damit werden große Zukunftsfragen geclustert adressiert und können mit mehr Freiheit bearbeitet werden“, so Felbermayr. Auch Emerging Fields, das zweite Programm der Exzellenzinitiative excellent=austria, die in einer ersten Runde fünf Projekte der Grundlagenforschung fünf Jahre lang mit insgesamt 31 Millionen Euro fördert, sei als ein zukunftsweisender Ansatz zu sehen, den Widerspruch von „langsamer“ Grundlagenforschung und beschleunigten Innovationszyklen aufzulösen. „Solche Ansätze zeigen auch auf, dass wir den Nutzenbegriff anders denken müssen, weil wir Zukunftsaufgaben zu bewältigen haben, die über einen eingeschränkt ökonomischen Effekt hinausgehen.“

Christof Gattringer zeigte sich als Gastgeber abschließend erfreut über die Debatte: „Wir haben einen Einblick in das ‚Ökosystem‘ Forschung in Österreich bekommen, der mich zumindest optimistisch macht, dass wir die Herausforderungen, die da sind, auch gut meistern werden.“

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