Die Mikrophänomenologie zwischenleiblicher Synergiepraktiken
The micro-phenomenology of interpersonal synergy practices
Wissenschaftsdisziplinen
Gesundheitswissenschaften (10%); Kunstwissenschaften (5%); Psychologie (65%); Soziologie (20%)
Keywords
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Translational Research,
Coordination Dynamics,
Micro-Phenomenology,
Interactivity,
Embodied Cognitive Science,
Interpersonal Synergy
Wir erleben Synergien mit anderen im Alltag als körpersprachliche Abstimmung, in Tätigkeiten wie gemeinsamem Tragen, im Verkehr und in Teamsportarten. Durch wechselseitige Feinabstimmung erzeugen wir ein größeres Ganzes, eine kollektive Funktion die wortlos, vermittelt durch Körperwissen entsteht. Was braucht es, um in einer dynamischen Umwelt in Echtzeit einzuschätzen, wie man Handlungen anderer komplementiert, moduliert, einlädt oder leitet? Das Projekt bezweckt, den Aufbauprozess von Synergien mit Interaktions-ExpertInnen zu beforschen; unsere Methoden sollen deren oft implizites Handlungs- und Spürwissen erkund- und verbalisierbar machen, um es dann einer Prozesspartitur zuzuführen. Drei Bereiche stehen im Fokus : Taichi (eine asiatische Kampfkunst), Akroyoga (akrobatische Hebefiguren) und Kontaktimprovisation (eine zeitgenössische Tanzform). Gemeinsam ist diesen Übungsformen, daß sie paarweis e, in engem Körperkontakt und achtsam praktiziert werden, daß jeder Moment neu ausgehandelt wird und der Pfad im Gehen entsteht. Taichi hebt sich insofern ab, als nicht kooperativ geübt wird Ziel der Synergie ist es, sich mit dem Gegner so zu verbinden, daß dieser unwillkürlich die Balance verliert. Wir laden ExpertInnen zu Workshops ein, filmen sie beim gemeinsamen Üben mit zwei Kameras und bitten sie sodann ihre Bewegungen im Videofeedback zu kommentieren bzw. die Situation aktiv zu verändern, Mikrovariationen zu erproben, Grenzen sowie Alternativen auszuloten. Zwecks hoher zeitlicher Auflösung nutzen wir mikrophänomenologische Interviewmethoden, die dabei helfen die Aufmerksamkeit auf feine Interaktionsdetails auszurichten: Worin Auslöser-, Fortsetzungs-, Umlenk- und Warnsignale bestehen, wie man andere einlädt oder manipuliert, wie man notwendige Geometrie- oder Balanceparameter auf Paarebene wahrt, wie man kollektive Anatomiestrukturenschrittweise aufbaut(z.B.verbindende Kraftbögen, selbsttragende Skelettarchitekturen oder Hebel zwischen zwei Körpern), wie man kritische Momente aushandelt, Fehler repariert oder kreative Handlungsoptionen entwickelt, und wie sich der Einzelne körperlich vororganisiert, um all dies überhaupt zu ermöglichen. Mikrophänomenologie nimmt das reichhaltige Erfahrungswissen von ExpertInnen unter die Lupe. Trotz verwandter Ansätze der Expertiseforschung und Sportwissenschaft ist der Zugang im Detailgrad neu: Der FeinaufbauimprovisierterPaarkoordination wird systematisch und stereoskopisch als Mikroprozess darstellbar bzw. werden Ablaufszenarios und Rahmenbedingungen unterscheidbar. DerNutzen hiervon ist vielfältig: Biomechanische Labormessungen und Interaktionssimulationen können hier anknüpfen; die Interaktionspädagogik (z.B. Trainerschulung; Selbstbeobachtung) wird bereichert; und der Embodied Cognitive Science bieten wir ein hochauflösendes Modell an, wie sich Strukturen und Funktionalitäten der Zwischenleiblichkeit ausbilden bzw. welche Aufmerksamkeits-, Spür- und Regulationsmechanismen ihr zugrunde liegen.
- Universität Wien - 100%
- John Sutton, Macquarie University - Australien
- Robert Hristovski, SS. Cyril and Methodius University in Skopje - Mazedonien
- Duarte Araújo, University of Lisbon - Portugal
- Carlota Torrents, University of Barcelona - Spanien
Research Output
- 2 Zitationen
- 2 Publikationen
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2023
Titel What affords being creative? Opportunities for novelty in light of perception, embodied activity, and imaginative skill DOI 10.1177/10597123231179488 Typ Journal Article Autor Kimmel M Journal Adaptive Behavior Link Publikation -
2023
Titel An “in vivo” analysis of crafts practices and creativity—Why affordances provide a productive lens DOI 10.3389/fpsyg.2023.1127684 Typ Journal Article Autor Kimmel M Journal Frontiers in Psychology Seiten 1127684 Link Publikation