Die Rolle des Opiatsystems bei Empathie für Schmerz
Unravelling the role of the opioid system in pain empathy
Wissenschaftsdisziplinen
Medizinisch-theoretische Wissenschaften, Pharmazie (70%); Psychologie (30%)
Keywords
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Magnetic Resonance Imaging,
Empathy,
Pain,
Shared Representations,
Psychopharmacology
Dieses Projekt erforscht die neuronalen Grundlagen der Empathie, also der Fähigkeit sich in andere Menschen hineinzuversetzen und ihre Emotionen nachzuempfinden. Laut aktuellem Forschungsstand werden während des empathischen Nachempfindens von Emotionen dieselben Gehirnareale aktiviert, die auch beim direkten Empfinden der entsprechenden Emotionen involviert sind. Beim empathischen Schmerzempfinden wurde unter anderem auch gezeigt, dass das körpereigene Opiatsystem eine wichtige Rolle spielt. Allerdings ließen bisherige Studien in diesem Bereich einige wesentliche Fragen offen, die durch das in diesem Projekt angewandte Versuchsdesign geklärt werden sollen. Dadurch soll das Verständnis der neuronalen Vorgänge, die der Empathie zugrunde liegen, deutlich vertieft werden. Wir werden zwei Arten von pharmakologischen Manipulationen des körpereigenen Opiatsystems in zwei Experimenten mit menschlichen Versuchspersonen gezielt einsetzen: wir werden sowohl Opiate verabreichen, als auch Medikamente, welche die Wirkung körpereigener Opiate hemmen. Dadurch werden in den beiden Experimenten gegenteilige Effekte auf das Opiatsystem erzielt. Nach der Verabreichung dieser Medikamente werden die Reaktionen der teilnehmenden Versuchspersonen auf selbst empfundenen und empathischen Schmerz mithilfe von funktioneller Bildgebung gemessen. Mithilfe verschiedener Analysemethoden wird es uns möglich sein, die Ähnlichkeit der neuronalen Vorgänge während selbst empfundenem und empathischem Schmerz präzise zu untersuchen und zu beschreiben. Die Kombination unseres experimentellen Ansatzes mit neuesten Analyseverfahren sowie die Messung der Auswirkungen der Medikamente auf das Zusammenspiel verschiedener Hirnregionen sollen das Verständnis der Rolle des Opiatsystems bei Empathie einen bedeutenden Schritt voranbringen. Angesichts der Opiatkrise in den Vereinigten Staaten von Amerika können die Erkenntnisse unseres Projektes, abgesehen von der grundwissenschaftlichen Relevanz im Bereich der sozialen Neurowissenschaften, auch einen wichtigen Beitrag zu einem gesellschaftlich zunehmend relevanten Thema leisten: der Auswirkung von Opiaten auf Empathie und unser soziales Zusammenleben.
Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurde die Rolle des Opiatsystems bei einer breiten Palette sozial-kognitiver Funktionen und bei prosozialem Verhalten untersucht. Dazu wurden mehrere Experimente durchgeführt, die zu einem vertieften Verständnis dieses Neurotransmittersystems und der Theorie der "geteilten Repräsentationen" beitragen sollten. Diese Theorie besagt, dass während des empathischen Nachempfindens von Emotionen dieselben Gehirnareale aktiviert werden, die auch beim direkten Empfinden der entsprechenden Emotionen involviert sind. Zur Untersuchung der Forschungsfrage wurden Verhaltensexperimente und Experimente mit funktioneller Magnetresonanztomographie durchgeführt, bei denen das Opiatsystem systematisch durch Medikamentengabe manipuliert wurde. In jenen Experimenten, in denen das Opiatsystem gezielt stimuliert wurde, wurde nicht nur die eigene Schmerzempfindung und Verarbeitung von unangenehmen Berührungsreizen verringert, sondern auch die empathische Wahrnehmung dieser Reize bei einer anderen Person. Im umgekehrten Fall, also bei der Dämpfung des Opiatsystems durch Rezeptorblocker, konnte gezeigt werden, dass sich dies auf die Erkennung von schmerzverzerrten Gesichtsausdrücken, sowie auf Empathie für Schmerz auswirkt, nicht jedoch auf die Verarbeitung von Berührungsreizen. Ein weiteres Experiment zeigte, dass das Opiatsystem ebenfalls in die Regulation von prosozialem Verhalten involviert ist, welches auf die Verhinderung von Schmerzreizen gerichtet ist. Diese Erkenntnis warf weitere Fragen hinsichtlich der Auswirkungen von Schmerzmitteleinnahme auf Empathie und das gesellschaftliche Zusammenleben auf, welche wir mittels einer ersten Fragebogenstudie zu beantworten versuchten. Dabei zeigte sich, dass vermehrter Gebrauch von Schmerzmitteln mit einer niedrigeren Ausprägung von Empathie und prosozialem Hilfsverhalten in Zusammenhang steht. Weitere Untersuchungen im Rahmen dieses Projekts ergründeten die veränderte Konnektivität verschiedener Gehirnregionen (z.B. dem Hippocampus) während der Wahrnehmung von empathischem Schmerz, sowie die Merkmale der Persönlichkeit und der Hirnstruktur, die das Ansprechen auf Plazeboanalgesie begünstigen oder beeinträchtigen. Nicht zuletzt konnten wir durch die Einbettung unserer eigenen Erkenntnisse in den größeren wissenschaftlichen Kontext unseres Fachbereiches eine Theorie dazu formulieren, wie Empathie für konkrete Emotionen auf unterschiedlichen Verarbeitungsebenen repräsentiert wird, und sich auf das Sozialverhalten auswirkt. Diese Verarbeitungsebenen können als Prädiktoren für potentielle Beeinträchtigungen bei klinischen Krankheitsbildern im Zusammenhang mit Schmerz herangezogen werden. Zusätzliche, auf den im Projekt gewonnenen Erkenntnissen aufbauende Experimente, die während der Projektlaufzeit begonnen wurden, werden in naher Zukunft weiteren Aufschluss hinsichtlich der Rolle des Opiatsystems bei einer noch breiteren Palette sozial-kognitiver Funktionen geben, sowie das Zusammenspiel zwischen akutem und chronischem Schmerz und zugrundeliegende neuronale Mechanismen beleuchten. Die in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse erweitern unser Verständnis der Rolle des Opiatsystems im zwischenmenschlichen Bereich bedeutend. Während bisherige Forschung weitgehend auf Empathie für Schmerz beschränkt war, konnten wir Auswirkungen auf andere Bereiche der sozialen Kognition sowie auf zwischenmenschliches prosoziales Verhalten zeigen. Wir erwarten, dass die von uns untersuchten Forschungsfragen und unsere Erkenntnisse weitere Forschung anregen werden, die neue Einsichten in das Opiatsystem und dessen Effekte auf soziale Kognition und prosoziales Verhalten eröffnen werden, und zu einem weiter vertieften Verständnis geteilter Repräsentationen bei sozialer Kognition beitragen werden.
- Universität Wien - 100%
- Matthäus Willeit, Medizinische Universität Wien , assoziierte:r Forschungspartner:in
- Predrag Petrovic, Karolinska Institutet - Schweden
Research Output
- 638 Zitationen
- 22 Publikationen
- 2 Datasets & Models
- 1 Wissenschaftliche Auszeichnungen
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2024
Titel How dopamine shapes trust beliefs DOI 10.1016/j.pnpbp.2024.111206 Typ Journal Article Autor Schuster B Journal Progress in Neuro-Psychopharmacology and Biological Psychiatry Seiten 111206 Link Publikation -
2024
Titel Dissecting shared pain representations to understand their behavioral and clinical relevance DOI 10.1016/j.neubiorev.2024.105769 Typ Journal Article Autor Rütgen M Journal Neuroscience & Biobehavioral Reviews Seiten 105769 Link Publikation -
2019
Titel Variability in the analysis of a single neuroimaging dataset by many teams DOI 10.1101/843193 Typ Preprint Autor Botvinik-Nezer R Seiten 843193 Link Publikation -
2019
Titel Pattern similarity and connectivity of hippocampal-neocortical regions support empathy for pain DOI 10.1101/811935 Typ Preprint Autor Wagner I Seiten 811935 Link Publikation -
2020
Titel Beyond sharing unpleasant affect – evidence for pain-specific opioidergic modulation of empathy for pain DOI 10.1101/2020.06.10.143495 Typ Preprint Autor Rütgen M Seiten 2020.06.10.143495 Link Publikation -
2020
Titel Variability in the analysis of a single neuroimaging dataset by many teams DOI 10.1038/s41586-020-2314-9 Typ Journal Article Autor Botvinik-Nezer R Journal Nature Seiten 84-88 Link Publikation -
2021
Titel The role of emotion identification in empathy Typ PhD Thesis Autor Yili Zhao Link Publikation -
2021
Titel Effective connectivity reveals distinctive patterns in response to others’ genuine affective experience of disgust as compared to pain DOI 10.1101/2021.09.03.458875 Typ Preprint Autor Zhao Y Seiten 2021.09.03.458875 Link Publikation -
2022
Titel Placebo Analgesia Reduces Costly Prosocial Helping to Lower Another Person's Pain DOI 10.1177/09567976221119727 Typ Journal Article Autor Forbes P Journal Psychological Science -
2022
Titel Effective connectivity reveals distinctive patterns in response to others' genuine affective experience of disgust. DOI 10.1016/j.neuroimage.2022.119404 Typ Journal Article Autor Zhang L Journal NeuroImage Seiten 119404 -
2021
Titel Neural dynamics between anterior insular cortex and right supramarginal gyrus dissociate genuine affect sharing from perceptual saliency of pretended pain DOI 10.7554/elife.69994 Typ Journal Article Autor Zhao Y Journal eLife Link Publikation -
2021
Titel The administration of the opioid buprenorphine decreases motivational error signals DOI 10.1016/j.psyneuen.2021.105199 Typ Journal Article Autor Pfabigan D Journal Psychoneuroendocrinology Seiten 105199 Link Publikation -
2021
Titel Neural dynamics between anterior insular cortex and right supramarginal gyrus dissociate genuine affect sharing from automatic responses to pretended pain DOI 10.1101/2021.04.30.441951 Typ Preprint Autor Zhao Y Seiten 2021.04.30.441951 Link Publikation -
2021
Titel Beyond Sharing Unpleasant Affect—Evidence for Pain-Specific Opioidergic Modulation of Empathy for Pain DOI 10.1093/cercor/bhaa385 Typ Journal Article Autor Rütgen M Journal Cerebral Cortex Link Publikation -
2021
Titel Variability in Brain Structure and Function Reflects Lack of Peer Support DOI 10.1093/cercor/bhab109 Typ Journal Article Autor Schurz M Journal Cerebral Cortex Link Publikation -
2020
Titel Pharmacological fMRI provides evidence for opioidergic modulation of discrimination of facial pain expressions DOI 10.1111/psyp.13717 Typ Journal Article Autor Zhao Y Journal Psychophysiology Link Publikation -
2020
Titel Using reinforcement learning models in social neuroscience: frameworks, pitfalls, and suggestions of best practices DOI 10.1093/scan/nsaa089 Typ Journal Article Autor Zhang L Journal Social Cognitive and Affective Neuroscience Link Publikation -
2020
Titel Pattern similarity and connectivity of hippocampal-neocortical regions support empathy for pain DOI 10.1093/scan/nsaa045 Typ Journal Article Autor Wagner I Journal Social Cognitive and Affective Neuroscience Seiten 273-284 Link Publikation -
2022
Titel Another's pain in my brain - clarifying the specificity of shared representations of pain in empathy and prosocial behavior Typ PhD Thesis Autor Helena Hartmann Link Publikation -
2023
Titel To respond or not to respond: exploring empathy-related psychological and structural brain differences between placebo analgesia responders and non-responders DOI 10.3389/fpsyg.2023.1257522 Typ Journal Article Autor Hartmann H Journal Frontiers in Psychology Seiten 1257522 Link Publikation -
2023
Titel An active inference perspective for the amygdala complex DOI 10.1016/j.tics.2023.11.004 Typ Journal Article Autor Sladky R Journal Trends in Cognitive Sciences Seiten 223-236 Link Publikation -
2023
Titel A pill as a quick solution: association between painkiller intake, empathy, and prosocial behavior DOI 10.1038/s41598-023-45267-0 Typ Journal Article Autor Banwinkler M Journal Scientific Reports Seiten 18320 Link Publikation
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2021
Link
Titel The raw data of genuine and pretended pain task DOI 10.5281/zenodo.4783235 Typ Database/Collection of data Öffentlich zugänglich Link Link -
2021
Link
Titel The raw data of genuine and pretended pain task DOI 10.5281/zenodo.4783234 Typ Database/Collection of data Öffentlich zugänglich Link Link
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2024
Titel Invited Talk by team member Julia Braunstein at European Society for Cognitive and Affective Neuroscience (ESCAN) Meeting, Ghent, Belgium Typ Personally asked as a key note speaker to a conference Bekanntheitsgrad Continental/International