Verflechtungen DDR-Cuba: Mobilität, Austauschbeziehungen und
Entanglements Cuba-GDR: mobilities, exchanges, circulations
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Sozialwissenschaften (20%); Geschichte, Archäologie (50%); Soziologie (20%); Wirtschaftswissenschaften (10%)
Keywords
-
Socialist World System,
Migration,
Solidarity,
Cuba-GDR,
Global History of Development,
CMEA/COMECON
Gegenstand dieses Projekts ist eine Achse der internationalen Geschichte des sozialistischen Weltsystems: die wirtschaftlichen und personellen Verflechtungen zwischen der DDR und Cuba im Rahmen des RGW. Diese Verflechtungen sollen auf der Ebene wirtschaftlicher Austauschbeziehungen und auf der Ebene der Mobilität von Expert/inn/en und Berater/inne/n sowie von Student/inn/en untersucht werden. Ziele des Projekts sind: - zu untersuchen, wie diese Austauschbeziehungen Kreisläufe von Gütern und Personen ausbildeten, Verflechtungen, die das sozialistische Weltsystem zusammenhielten, oder wo sie dadurch, dass sie Konflikte und nationale Reaktionen auslösten, zu wachsenden Disparitäten und zu der Desintegration des RGW beitrugen. - Funktionsweisen dieses RGW - Migrationssystems zu sondieren: Wer waren die Hauptakteure und die Strukturen dieses Migrationssystems? Was brachte die temporären Migrant/inn/en in Bewegung und wie wurden sie durch diese Mobilität beeinflusst? Wo war die Gegenseitigkeit der Interessen und worin lag der von der DDR geltend gemachte "gegenseitige Vorteil" in diesen Beziehungen? Was waren die Interessen der institutionellen Akteure? Was waren die von den Staaten gesetzten institutionellen Rahmenbedingungen für diese Formen temporärer Migration und wie handelten die Individuen in diesem Rahmen? Zeitlicher Rahmen ist die Epoche der Integration Cubas in die wirtschaftliche Integrationsstruktur der sozialistischen Staatengemeinschaft, die ihren Mitgliedern aus Asien und Lateinamerika spezielle Instrumente wirtschaftlicher Angleichung bot. Eckpunkte bilden die Aufnahme Cubas in den RGW nach dem Scheitern eigenständiger kubanischer wirtschaftlicher Entwicklungsversuche Anfang der 1970er Jahre und der Zusammenbruch des sozialistischen Weltsystems. In dieser Epoche spielte Cuba als Partner im RGW und als Akteur "internationalistischer" Interventionen in Afrika und Lateinamerika die Rolle einer Drehscheibe zwischen dem europäischen Zentrum des sozialistischen Weltsystems und seiner Peripherie in Asien, Afrika und Lateinamerika. Es ist eine Hypothese des Projekts, dass die Mobilität von Beratern und aller Arten von Entwicklungsarbeiter/inne/n aus den europäischen RGW-Ländern nach Cuba, von kubanischen Student/inn/en nach Europa, von kubanischen Beratern und Entwicklungsarbeiter/inne/n ("Internacionalistas") nach Afrika, Asien und Lateinamerika, sowie die Mobilität von Student/inn/en von dort nach Cuba Sphären der Kommunikation innerhalb des sozialistischen Weltsystems bildeten. Das Projekt untersucht auch kubanisch-ostdeutsche Dreieckskooperationen in Afrika am Beispiel Angolas. Durch den Blick auf den RGW als eine globale und nicht nur europäische Entwicklungsorganisation und als System temporärer Migration betritt das Projekt neues Forschungsgebiet. Hauptmethoden sind die Analyse von Archivmaterial, sowie semi-strukturierte lebensgeschichtliche Interviews mit personellen Akteuren aus der DDR und Cuba. Projektleiter und Hauptforscher ist Berthold Unfried, Dozent und Gastprofessor am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien, in Zusammenarbeit mit dem post-doc Eric Burton, einem oder einer Dissertanten/in und einer lokalen Mitarbeiterin in Cuba.
Durch die Aufnahme von außereuropäischen Mitgliedern, darunter Kuba im Jahr 1972, versprach der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), den Entwicklungsstand seiner Mitgliedstaaten "anzugleichen". Der Hauptgedanke des Projekts bestand darin, die Personenbewegungen, die durch den Beitritt Kubas zum RGW in Gang gesetzt wurden, unter einem gemeinsamen Begriff zu erforschen: dem übergreifenden Konzept der interkontinentalen Mobilität von Fachleuten, Experten, Arbeitern und Studenten, das eine integrierte Betrachtung dieser Personalströme als Bildungs-, Berufs- und Arbeitsmobilität oder, im breiten globalgeschichtlichen Verständnis, als Formen der temporären Migration ermöglicht. - Die wirtschaftliche Konvergenzpolitik innerhalb und am Rande des RGW setzte Menschen in Bewegung: nicht nur kubanische Studenten und Jugendliche zur Ausbildung von Fachkräften in die europäischen sozialistischen Länder, sondern auch DDR-Experten und jugendliche "Freundschaftsbrigadisten" nach Kuba. Darüber hinaus untersuchten wir die umfangreichen ostdeutsch-kubanische Dreieckskooperationen in Angola und Äthiopien, die den entwicklungspolitischen Anspruch des RGW in Afrika untermauerten. Das sozialistische Weltsystem entwickelte seine eigenen Formen der Globalisierung über Migrationsströme. Wir haben ein interkontinentales Migrationssystem identifiziert, das von der politischen Ökonomie der sozialistischen Welt gesteuert wurde. - Diese Programme der interkontinentalen Mobilität wurden von Partei- und Staatsorganisationen geplant und überwacht. Wir nennen sie daher "staats- und parteigeleitete Mobilität". Die Kontakte und Begegnungen sollten in einer offiziell organisierten Form stattfinden. Die Parteiorganisationen dienten als Vermittlungsstellen für die tiefgehende Ungleichheit zwischen dem entsandten Personal und den Einheimischen. Unzulänglichkeiten in diesem organisatorischen Rahmen mit seinem hohen Anspruch, alles zu organisieren, konnten diese Begegnungen leicht zum Entgleisen bringen. - Der enge Zusammenhang zwischen Mobilität und Erziehung ist eine zentrale Erkenntnis unserer Forschung. Kuba und die DDR erscheinen als Erziehungsstaaten. Sowohl die Kubaner/innen als auch die ins Ausland entsandten Ostdeutschen sollten in der Mission von Kollektiven der Partei- und Jugendorganisationen betreut und erzogen werden. Die untersuchten Mobilitätsformen waren eng mit dem Ziel der persönlichen Bildung verbunden, die auf einem weit gefassten Konzept der Erziehung in der Praxis beruhte und nicht nur auf die Vermittlung von Fachwissen, sondern auch auf die Aneignung von Umgangsformen, Gewohnheiten und Verhaltensweisen abzielte, die dem sozialistischen Bürger angemessen waren. - Trotz der Konflikte, die diese Begegnungen mit sich brachten, stellten die Ströme von Experten, jugendlichen Aktivisten, Studenten und Arbeitern eine Linie von "Entwicklungs"-Beziehungen dar, welche die sozialistische Welt miteinander verbanden. Unsere Forschung unterstreicht die Rolle Kubas als Bindeglied zwischen dem europäischen und dem "trikontinentalen" Teil der sozialistischen Welt. Die Kubaner/innen waren die bei weitem mobilste Gruppe innerhalb dieses sozialistischen Mobilitätssystems. Sie waren ein Personalpool und eine kohäsive Kraft des RGW. - Wir haben neben den reichhaltigen deutschen Archiven neu erschlossene kubanische Archive für unsere Forschungen genutzt. Diese ermöglichten uns, die kubanische Perspektive einzubeziehen. Die kubanischen Archive halfen uns, die globalhistorische Perspektive umzusetzen und die vorherrschende westliche und eurozentrische Sichtweise bei der Analyse der untersuchten Mobilitätsprogramme hinter uns zu lassen.
- Universität Wien - 100%
- Ingrid Miethe, Justus-Liebig-Universität Gießen - Deutschland
- Matthias Middell, Universität Leipzig - Deutschland
- James Mark, University of Exeter - Großbritannien
- Piero Gleijeses, Johns Hopkins - Vereinigte Staaten von Amerika
Research Output
- 6 Publikationen
- 1 Policies
- 2 Disseminationen
- 1 Wissenschaftliche Auszeichnungen
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2022
Titel Education for Cuban workers in East Germany: a comparative analysis for the case of Cuban students DOI 10.13109/buer.2022.75.4.447 Typ Journal Article Autor Hernández C Journal Bildung und Erziehung Seiten 447-463 -
2020
Titel Education as a Paradigm and as a Part of institutionalized "International Solidarity" of the German Democratic Republic; In: Education as a Paradigm and as a Part of institutionalized "International Solidarity" of the German Democratic Republic, in: Ingrid Miethe/Jane Weiss (eds.), Socialist Educational Cooperation and the Global South, Berlin u.a. 2020 (Studies in the History of Education 7), 69-89 Typ Book Chapter Autor Berthold Unfried Verlag Peter Lang Seiten 69-89 -
2022
Titel Kubanische Arbeiterinnen in Osteuropa: einige notwendige Überlegungen Typ Journal Article Autor Martínez Hernández C Journal Konak Seiten 27-34 -
2022
Titel Intercontinental Labor Migration within the Socialist World. Cuban Contract Laborers in the German Democratic Republic, 1975 to 1990; In: Yearbook of Transnational History Typ Book Chapter Autor Unfried B Seiten 131-173 Link Publikation -
2021
Titel Sozialistisches Weltsystem? Wie tauglich ist diese Selbstbezeichnung für die historische Forschung? Eine Erörterung anhand der Praxis außereuropäischer internationaler Zusammenarbeit der DDR DOI 10.3726/zwg0120219 Typ Journal Article Autor Unfried B Journal Zeitschrift für Weltgeschichte Seiten 183-207 -
2024
Titel Internationalism, Cooperation and Personal Entanglements between Cuba, the German Democratic Republic, and Angola in the Socialist World DOI 10.1080/14682745.2024.2306402 Typ Journal Article Autor Unfried B Journal Cold War History Seiten 1-24 Link Publikation
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2022
Titel Workshop in the Austrian-Cuban contact milieu Typ Influenced training of practitioners or researchers
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2021
Titel Diffusion broadcast Ö1: "Entwicklungspolitik und Internationale Solidarität", "Betrifft Geschichte" 20.-24.9.2021 Typ A broadcast e.g. TV/radio/film/podcast (other than news/press) -
2021
Titel Lecture in the Studienstiftung of the Austrian Academy of Sciences for promising school graduates, Studienstiftung Österreichische Akademie der Wissenschaften Typ A talk or presentation
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2020
Titel see list of conference presentations Typ Personally asked as a key note speaker to a conference Bekanntheitsgrad Continental/International