Die ´case a Giardino´ in Ostia - Archäologischer Kontext und virtuelle Archäologie
The ´Case a Giardino´ in Ostia - archaeological context and virtual archaeology
Wissenschaftsdisziplinen
Bauwesen (35%); Geschichte, Archäologie (65%)
Keywords
-
Rome - Ostia,
Roman housing architecture,
Archaeological Documentation,
Furnishings (Paintings,
Mosaics),
Virtual Reconstruction,
Epigraphical Evidence (Graffiti)
Die große Wohnanlage, die in Ostia, der einstigen Hafenstadt Roms, unter dem Namen case a Giardino bekannt ist, stellt nicht nur ein bedeutendes Beispiel für die Bautätigkeit von Kaiser Hadrian, sondern für die römische Wohnbauarchitektur generell dar. Die zahlreichen Wohneinheiten des Komplexes entstammen einem einheitlichen planerischen Entwurf und sind um einen offenen Innenhof gruppiert, dessen Zentrum durch eine Reihe von außerordentlich luxuriösen Appartements von gleicher Größe und von gleichem Grundriss (den sogen. medianum-Appartements) gebildet wird. Obwohl der Komplex bereits in der 1. Hälfte des 20. Jhs. freigelegt und in verschiedenen Studien zum römischen Wohnbau interpretiert wurde, sind eine systematische archäologische Dokumentation und eine zusammenfassende Untersuchung zur dekorativen Ausstattung (z. B. zu den Wandmalereien) als gesicherte Grundlagen für alle weiteren Betrachtungen noch ausständig. Ziel des beantragten Projekts Die case a Giardino in Ostia archäologischer Kontext und virtuelle Archäologie in einem ausgedehnten römischen Wohnbaukomplexistdaher ein neuer wissenschaftlicher Zugang, bei dem die Anlage durch die Kombination von herkömmlicher archäologischer Analyse und digitalen 3D-Dokumentationsverfahren untersucht und mittels virtueller Rekonstruktion erschlossen wird. Die Studien konzentrieren sich sowohl auf die Architektur und räumliche Gestaltung als auch auf die bildliche Ausstattung, Fußböden und Graffiti. Alle Phasen der case a Giardino von der Planung, Errichtung und Nutzung ab dem frühen 2. Jh. n. Chr. bis zur Zerstörung im 4. Jh. n. Chr. sollen bei der Untersuchung berücksichtigt werden. Neue Erkenntnisse dürfen für die städtebauliche Entwicklung von Ostia und für architekturgeschichtliche, bautechnische und durch die Ausstattungsprogramme besonders für kunsthistorische und soziologische Fragestellungen sowie durch die virtuelle Rekonstruktion eines idealen medianum Wohnblocks für die römische Wohn- und Alltagskultur allgemein erwartet werden. Während die archäologische Feldarbeit, z.B. bei der Aufnahme der Wandmalerei oder der Graffiti mit der genauen Beschreibung und mit der Bewertung der architektonischen Rahmenbedingungen, nach traditioneller Methode erfolgt, werden die neuen Technologien v.a. für die geophysikalische Prospektionen und schnelle, präzise 3D Dokumentation, Vermessung und für photogrammetrische Aufnahmeverfahren genutzt. Zum Einsatz kommen etwa 3D Laser, Drohnen, Georadar und verschiedene Software-Anwendungenbeimpost-processing, die nichtdie herkömmliche archäologischen Dokumentationsmethoden ersetzen, aber sie unterstützen und beschleunigen sowie die Möglichkeiten der Analyse und Ergebnisdarstellung verbessern werden. Ein internationales Team des Instituts für Kulturgeschichte der Antike an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (geleitet von P. Ruggendorfer) wird das Projekt in enger Kooperation mit der Sapienza Universität in Rom, dem DAI Rom und dem ÖHI Rom realiseren.
Die Case a Giardino in Ostia archäologischer Kontext und virtuelle Archäologie in einem ausgedehnten römischen Wohnbaukomplex (FWF P31 438-G25) Die Case a Giardino wurden unter Kaiser Hadrian im südwestlichen Viertel der Hafenstadt Ostia nahe der ehemaligen Küstenlinie errichtet. Ein Team italienischer Archäologen legte den gewaltigen Komplex bereits in der 1. Hälfte des 20 Jhs. frei, doch die zahlreichen, um einen offenen Innenhof gruppierten Wohn- und Werkstättengebäude waren bislang noch nicht vollständig erforscht. Ziel des Projekts war daher die umfassende digitale Dokumentation und eingehenden Analyse sowie die virtuelle 3D Rekonstruktion und die Publikation der Anlage. Dabei kamen in breiter Kooperation mit internationalen Forschungseinrichtungen (z.B. Columbia University and Pratt Institute/New York, TU Aachen und Darmstadt, La Sapienza University in Rom) neben herkömmlichen archäologischen, zerstörungsfreie technische und naturwissenschaftliche Methoden wie Laserscanning, SfM (Structure from Motion), geophysikalischeProspektionen oderarchäometrische Messtechnikenund Elektronenmikroskopie zum Einsatz. Im Zentrum standen Fragen nach dem architektonischen Erscheinungsbild des Gesamtkomplexes, nach der räumlichen Verteilung von Wohn- und Nutzflächen, nach der dekorativen Ausstattung der einzelnen Wohneinheiten (Wandmalereien und Mosaike) und nach der Chronologie des Gebäudes sowie nach dem sozialen Hintergrund der Bewohner Im Zuge von geophysikalischen Untersuchungen im weitläufigen Innenhof konnten Hinweise auf eine ältere, großflächige Bebauung festgestellt werden, deren Ausrichtung sich im Gegensatz zu den Case a Giardino am Verlauf des Decumanus, der im Osten vorbeiführenden Hauptstraße, orientiert. Durch das g enaue Studium der erhaltenen Gebäudereste und der Bautechnik konnte der originale Entwurf der Case a Giardino identifiziert werden. Dieser war noch durch ein größeres Kontingent an Werkstätten gekennzeichnet, wurde dann jedoch zugunsten eines klaren Überge wichts an Wohnraum geändert. Der Komplex stand etwa 200 Jahre in Funktion. Während dieses Zeitraums wurden mehrere bauliche Adaptionen vorgenommen, so etwa der Einbau von zusätzlichen Pfeilern in den Wohneinheiten 10-12 und 22, der auf Grund von statischen Problemen notwendig wurde. In den Wandmalereien haben sich zudem bis zum Beginn des 4. Jh. n. Chr. vier Ausstattungsphasen feststellen lassen, wobei selbst in der letzten Phase nach Ausweis der archäometrischen Analysen noch wertvoller und in Ostia nur se lten nachgewiesener Farbauftrag in Form von Purpur zur Anwendung kam. Vermutlich in der 2. Hälfte des 4. Jh. n. Chr. begann ein radikaler baulicher Transformationsprozess, in dessen Zuge etwa die Wohneinheit 1 an der Südostecke ausgehöhlt und in ein spätan tikes Stadthaus (Domus dei Dioscuri) umgewandelt wurde. Die Umgestaltungen in den Wohneinheiten 4 und 5 an der Südwestecke waren gleichfalls massiv und scheinen sich nach den geophysikalischen Befunden bis in das noch unausgegrabene Terrain im Süden des Ko mplexes erstreckt zu haben. Die Untersuchung der Graffiti weist auf einen multiethnischen Hintergrund und eher kurzfristigen Aufenthaltshorizont der Bewohner sowie auf ein spezifisches Ambiente hin, das eng mit der Welt des Handels und der Seefahrt verbunden war.
- Norbert Zimmermann, Deutsches Archäologisches Institut - Italien
- Marco Galli, Sapienza University of Rome - Italien
- Andreas Gottsmann, Österreichische Akademie der Wissenschaften - Italien
Research Output
- 3 Publikationen
- 1 Weitere Förderungen
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2021
Titel Nondestructive analysis of wall paintings at Ostia Antica Typ Journal Article Autor Blümich B. Journal Heritage Seiten 4421-4438 Link Publikation -
2020
Titel Gli apparati decorativi del complesso delle Case a Giardino: dalle indagini del 1938-42 ai restauri e agli studi recenti Typ Other Autor Falzone St. Seiten 49-50 Link Publikation -
0
Titel The study of daylight in the architectural and decorative frameworkof the Case a Giardino in Ostia (in print) Typ Conference Proceeding Abstract Autor Falzone St.
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2019
Titel The ´Case a Giardino´ in Ostia - archaeological context and virtual archaeology Typ Other Förderbeginn 2019 Geldgeber Austrian Science Fund (FWF)