Die Poetik der Subversion. Ironie in Byzanz.
The Poetics of Subversion. Irony in Byzantium
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Geisteswissenschaften (15%); Sprach- und Literaturwissenschaften (85%)
Keywords
-
Literature,
Byzantium,
Politics,
Literary Theory,
Middle Ages,
Social Critique
Die Byzantinistik hat im Vergleich zu benachbarten Disziplinen erst verhältnismäßig spät ein besonderes Augenmerk auf die spielerische Seite der Vertreter der von ihr studierten Kultur gerichtet. Speziell im Bereich der byzantinischen Literatur wurden die Forscher auf solche Texte aufmerksamer, die hauptsächlich die Erheiterung der Leser zum Ziel haben, wie z.B. satirische bzw. parodistische Texte. Doch eine gewisse spielerische Stimmung kann sich ebenso in Bereichen bemerkbar machen, die eigentlich als "ernsthaft" gelten. Humoristische oder überhaupt spielerische, subversive Elemente kommen mehr oder weniger deutlich auch in "ernsthaften" Textgattungen zum Ausdruck, wie z.B. in der Geschichtsschreibung. Die Autoren dieser Texte benutzen oft Stilmittel, die dazu dienen, subversive Effekte wie Satire, Parodie und Ironie zu erzeugen, die ihrerseits weitere Ziele zu erfüllen suchen, wie etwa die verdeckte Äußerung einer kritischen Meinung. Eine systematische Untersuchung der Poetik der Subversion im Bereich der byzantinischen Literatur würde zweifelsohne aufschlussreich für ein tieferes Verständnis der Literarizität der Texte selbst sowie ihres soziokulturellen Kontextes sein, jedoch stellt eine solche umfassende Studie ein Desideratum der byzantinistischen Forschung dar. Angesichts des aktuellen Forschungsstands bietet sich zunächst als Ausgangspunkt für die Ermittlung der Poetik der Subversion in der byzantinischen Literatur die Untersuchung einzelner Teilaspekte am individuellen Beispiel repräsentativer Fälle von Texten bzw. Autoren an. Da bisher theoretische Überlegungen nur in den Vorarbeiten von Jakov Ljubarskij zur Ironie vorliegen, erscheint es sinnvoll, die Erforschung der byzantinischen Poetik der Subversion mit der Analyse dieses Phänomens zu beginnen. Neben der Verwendung des altgriechischen Wortes eironeia und dessen Derivate durch byzantinische Autoren findet sich in byzantinischen Texten durchaus auch jenes Phänomen, welches die moderne Literaturtheorie als "Ironie" bezeichnet, auch wenn die Byzantiner keine eigenen theoretischen Überlegungen dazu angestellt haben. Entgegen der Meinung von Ljubarskij erscheint es legitim und auch zielführend, den modernen Begriff der Ironie und moderne literaturtheoretische Ansätze als Hilfsmittel dazu zu verwenden, entsprechende Erscheinungsformen und ihre Funktionen in byzantinischen Texten zu beschreiben und zu analysieren, so dass diese Literatur und ihr kultureller Hintergrund dem modernen Leser zugänglich und verständlich gemacht werden. Im Rahmen des vorgeschlagenen Projekts soll die Untersuchung Werke herausragender Stilisten des 11. und 12. Jahrhunderts zur Grundlage nehmen. Auf der Basis der Ergebnisse wird es möglich sein, eine byzanz-spezifische Theorie der Ironie als rhetorischen Tropus und ihrer Ethik zu entwickeln, wie auch ihr Verhältnis zu und ihre Überschneidungen mit anderen subversiven Effekten, wie der Parodie und der Satire, sowie dem Begriff des Humors zu beleuchten.
Die systematische Analyse von subversiven Elementen wie dem rhetorischen Stilmittel der Ironie in byzantinischen literarischen Texten gewährt Einblick sowohl in die Literarizität dieser Texte als auch in ihren sozialen und kulturellen Hintergrund. Es wurde deutlich, dass byzantinische Autoren nicht nur das altgriechische Wort eironeia (und seine Derivate) verwenden, sondern auch vom Diskursmodus der Ironie Gebrauch machen, wie er in der modernen Literaturtheorie beschrieben wird. Obwohl die Byzantiner keine eigene Theorie zur Ironie entwickelten, hat es sich als legitim und auch fruchtbar erwiesen, den von der modernen Literaturwissenschaft entwickelten theoretischen Rahmen zu verwenden, um den ironischen Diskursmodus und seine spezifischen Effekte in byzantinischen literarischen Texten zu beschreiben und zu analysieren. Diese Art der textuellen Analyse hat dazu beigetragen, die literarischen Praktiken der Byzantiner und deren kulturellen Hintergrund dem moderner Leser zugänglicher und verständlicher zu machen. Eine tiefgreifende Untersuchung der ursprünglichen Bedeutungen von Ironie-Begriffen von der Antike bis nach Byzanz anhand von reichem Quellenmaterial hat gezeigt, dass praktisch alle byzantinischen Bedeutungen von Ironie-Begriffen auf entsprechende Altgriechische zurückgehen. Byzantinische Ironie-Begriffe beziehen sich zum größten Teil auf eironeia als rhetorisches Stilmittel, d. h. etwas Anderes als das Gesagte und vor allem das genaue Gegenteil davon zu meinen mit dem Ziel, ein bestimmtes Gefühl oder eine bestimmte Einstellung zum Ausdruck zu bringen. Das sind meistens entweder Hohn und Spott (skomma) oder Bitterkeit (barytes). Außerdem werden Ironie-Begriffe von byzantinischen Autoren oft mit solchen Begriffen wie Spott, höhnischem Sarkasmus oder, weniger aggressiv, Scherz und Witz austauschbar verwendet aus dem genauen Grund, dass das rhetorische Stilmittel der eironeia in der Regel solche Effekte herbeiführt. Nachdem die spezifischen Bedeutungen von Ironie-Begriffen in den einschlägigen byzantinischen Quellen ermittelt wurden, wurden als Nächstes die Manifestationen und Auswirkungen von ironischem Diskurs in byzantinischen Texten anhand von Fallstudien untersucht. In diesem Sinne wurde die satirische Darstellung des Kaisers Konstantinos IX. Monomachos im sechsten Buch der Chronographie des Michael Psellos (11 Jh.) vor dem Hintergrund der theoretischen Reflektionen von Hayden White mit Bezug auf den ironischen Modus als ein Element von Narrativität, Fiktionalität (und folglich von Literarizität) in der Gattung der Historiographie allgemein untersucht. Mittels einer durch und durch ironischen Erzählung, setzt sich der frühere Günstling und offizielle Enkomiast des Kaisers Monomachos Michael Psellos daran, den inzwischen verstorbenen Herrscher als völlig ungenügend darzustellen. Daraus resultiert ein subtil satirisches (manchmal höhnisches) Porträt des verstorbenen Kaisers. Wiederum sieht sich Psellos in seiner Grabrede für den Patriarchen von Konstantinopel Michael Keroularios von den politischen Umständen dazu gezwungen, einen früheren Gegner zu loben. Folglich bedient er sich des Stilmittels der Ironie, um ihn dabei subtil zu dekonstruieren und seiner Bitterkeit ihm gegenüber Ausdruck zu verleihen.
- Universität Wien - 100%
Research Output
- 2 Zitationen
- 3 Publikationen
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2014
Titel Eiron-terms in Greek Classical and Byzantine texts: a preliminary Analysis for understanding irony in Byzantium. Typ Journal Article Autor Braounou E -
2014
Titel Eiron-terms in Greek Classical and Byzantine texts: a preliminary analysis for understanding irony in Byzantium DOI 10.1515/mill-2014-0111 Typ Journal Article Autor Braounou E Journal Millennium Seiten 289-360 -
2015
Titel On the issue of irony in Michael Psellos's encomium on Michael Keroularios. Typ Journal Article Autor Braounou E Journal Scandinavian Journal of Modern Greek Studies