Klostervogtei und Herrschaft im Heiligen Römischen Reich
Church Advocacy and Lordship in the Holy Roman Empire
Wissenschaftsdisziplinen
Geschichte, Archäologie (100%)
Keywords
-
Medieval,
Nobility,
Holy Roman Empire,
Lordship,
Church Advocacy
My aim in this research project is to examine the position of church advocate (Latin: advocatus / German: Vogt) between the ninth and fifteenth centuries in the Holy Roman Empire. Church advocates were the secular lords who exercised judicial authority on the estates held by religious communities. Because ecclesiastical institutions frequently possessed extensive lands, many advocates were influential figures who were in a key position to support - or challenge - the bishops, abbots and abbesses in the empire. Austrian and German historians working in the traditions of Verfassungsgeschichte and Landesgeschichte have long recognized the significance of church advocacy. In the Anglophone scholarly community, however, church advocacy remains virtually unknown. The few works that do discuss it, typically in the context of noble lordship, rely on outdated assumptions rather than systematic research. A detailed study of church advocates - one that combines Austrian and German sources and methodologies with current American, British and French theories about medieval lordship more generally - therefore offers the opportunity to drive research on the empire, church and nobility in new directions. Specifically, this project will analyze church advocacy by applying recent theories about social networks, violence, conflict resolution and medieval political culture. In this way, the project aims to bridge the gap between more traditional, institutional approaches and newer, social/cultural approaches to the study of power and authority in the empire and in medieval Europe more broadly. In the process, this kind of analysis can help scholars better understand a range of issues - from the foundations of European government and bureaucratic institutions to the rhetoric of peace and violence in the surviving medieval sources. A careful study of church advocacy thus has the potential to address many key questions of interest to medieval historians working in both Europe and North America. The Institut für Österreichische Geschichtsforschung at the University of Vienna is an ideal location to serve as the center for this research project for two principal reasons. First, the Institute`s research group led by Univ. Prof. Mag. Dr. Christina Lutter - "Social and Cultural Communities across Medieval Monastic, Civic and Courtly Cultures in High and Late Medieval Central Europe" - is focused on many of the same themes as my project, in particular the complex interactions between religious and secular cultures in medieval Europe. Second, the primary source material for medieval church advocates is unusually rich in Austria, meaning the archives and libraries in Vienna (especially the Staatsarchiv and Nationalbibliothek) contain essential resources for this project. Vienna is thus an excellent place both to conduct careful archival research and to engage in broader discussions about the significance of church advocacy for our understanding of the legal, political, social and cultural dimensions of power and authority in medieval Europe.
Es ist das Ziel dieses Forschungsprojekts, eine neue Interpretation der Geschichte und der Entwicklung der Rolle von Vögten (Latein: advocatus/i, d.h. weltliche Vertreter kirchlicher Institutionen in Belangen, die diese selbst nicht wahrnehmen konnten) vom 8. bis zum 15. Jahrhundert im Heiligen Römischen Reich vorzustellen. Forscher/innen in Österreich und Deutschland aus den Forschungsbereichender Rechtsgeschichte und Verfassungsgeschichte haben die Bedeutung der Kirchenvogteien für das mittelalterliche röm.-dt. Reich seit Jahrzehnten anerkannt, aber sie haben das Thema in der jüngsten Zeit nicht mehr intensiv erforscht. Gleichzeitig ist die Bedeutung der Kirchenvogtei als kirchliche und politische Institution unter anglo-amerikanischen und französischen Mittelalter- Historiker/innen fast unbekannt, die jedoch ihrerseits wichtige aktuelle Thesen zur politischen sowie zur sozio-kulturellen Verfasstheit mittelalterlicher Gesellschaften formuliert haben; die wenigen englischsprachigen Werke zum Thema bauen auf überholten Hypothesen anstelle von gründlicher Forschung auf. Deshalb soll das Ergebnis dieses Forschungsprojekts eine Monographie über Vögte sein, die einer international sichtbaren und mittelfristig auch vergleichenden Forschung zu dieser für die Entwicklung von Justiz, Politik und Wirtschaft im Heiligen Römischen Reich wichtige Institution eine profunde Basis und neue Perspektiven geben wird. Die bedeutendsten Ergebnisse meiner Forschung in meinem Jahr als Lise- Meitner-Stipendiat an der Universität Wien sind wie folgt: Erstens zeigt meine Forschung eine viel größere Kontinuität in der Verfasstheit der Kirchenvogteien von der Karolingerzeit (um 75000) bis ins Hochmittelalter (um 10001300), als Historiker/innen bisher annahmen. Zweitens bestätigt meine Forschung die Zentralität der Kirchenvogteien für die Geschichte der Adelsherrschaften im Heiligen Römischen Reich; deshalb sollen die Kirchenvogteien mit der Hilfe von neuen französischen und nordamerikanischen Theorien über Gewalt als Instrument von Herrschaft und Konfliktlösung im 11. und im 12. Jahrhundert erforscht werden. Drittens zeigt meine Forschung, dass seit Beginn des 12. Jahrhunderts die Territorialherren im Hl. Röm. Reich die Rolle des Vogts erweiterten, um nicht nur kirchlichen, sondern auch andere Arten von Besitz zu verwalten. Es bleibt deshalb noch zu untersuchen, warum Territorialherren das Instrument der Vogtei für ihre eigene Herrschaft so wertvoll fanden, wenn wir die Entwicklung der territorialen Verwaltung besser verstehen wollen. Da meine Forschungen bis in die Frühe Neuzeit reichen, ist es mir schließlich möglich, ein besseres Bild von der Entwicklung des Titels advocatus / Vogt innerhalb kirchlicher Institutionen und weltlicher Territorien während der ganzen Geschichte des Heiligen Römischen Reichs erläutern. Meine Forschung zeigt, dass aktuelle Theorien über die mittelalterlichen Traditionen der Entwicklung staatlicher Institutionen teilweise neu geschrieben werden müssen, um die Veränderungen im Wesen der Vogteien durch die Jahrhunderte und ihre zentrale Rolle für gesellschaftliche Verfasstheit im Mittelalter besser erklären zu können.
- Institut für Österreichische Geschichtsforschung (seit 01 Jan 2016 Univ Wien) - 100%