Transregionales Regionsmachen in den Ostkarpaten
Transregional Region-Making in the Eastern Carpathians
Wissenschaftsdisziplinen
Geschichte, Archäologie (60%); Philosophie, Ethik, Religion (30%); Soziologie (10%)
Keywords
-
Eastern Carpathians,
Ethnography,
Ukrainian movement,
Poland,
Czechoslovakia,
Borderland
Die ostslawischen Lemken, Bojken und Huzulen sind die namensgebenden Bevölkerungsgruppen von kleineren Grenzlandschaften im Ostmitteleuropa der Zwischenkriegszeit. Während sie sich heute zum größten Teil in der Westukraine befinden, waren die von ihnen besiedelten Räume der Ostkarpaten seit 1919 zwischen Polen, der Tschechoslowakei und Rumänien aufgeteilt. Diese jungen Nationalstaaten, die ihre Grenzen nach dem Ersten Weltkrieg und seiner turbulenten Folgezeit zu sichern suchten, beäugten die ihnen oft unbekannten Bewohner*innen der Ostkarpaten äußerst kritisch. Noch in der Vorkriegszeit, als alle fraglichen Gebiete zur Habsburgermonarchie gehörten, wurde die Vorstellung verbreitet, dass es sich bei diesen Gruppen durchgehend um Ruthenen oder Ukrainer handelte. Während es zwischen 1917 und 1921 unterschiedliche Versuche gab, einen ukrainischen oder regionalen Teilstaat zu errichten, scheiterten all diese Versuche an regionalen Machtverhältnissen. Damit waren ruthenisch-ukrainische Minderheiten in all diesen ostmitteleuropäischen Staaten ein wichtiger Faktor der Kultur- und Innenpolitik, so dass Forschungen in Auftrag gegeben wurden, um diese Gruppen zu verstehen. Ukrainische Wissenschaftler*innen versuchten ihrerseits, ihre eigenen Vorstellungen von einem ukrainischen Territorium in Europa und der Welt zu kommunizieren. Hierfür arbeiteten sie sowohl mit lokalen Akteuren als auch staatlichen Stellen in den unterschiedlichen Regionen zusammen. Das Projekt erforscht, wie Netzwerke zwischen staatlichen, ukrainischen und lokalen Akteuren entstanden und wie diese die Wahrnehmung dieser Regionen mit den Mitteln zeitgenössischer Wissenschaft beeinflusst haben. Dabei stellt sich die Frage nach den jeweiligen Wechselwirkungen. Wie konnten staatliche, ukrainische und lokale Agenden hiervon profitieren, wie veränderten sich ihre mentalen Landkarten? Welche Hoffnungen und Ziele konnten erfüllt werden, welche dagegen nicht? Zu diesem Zweck wird die Zusammenarbeit öffentlicher und privater wissenschaftlicher Institutionen in Polen und der Tschechoslowakei bei der Erforschung der Ostkarpaten und der Wissenskommunikation über die Region untersucht. Dazu gehören insbesondere regionale oder auch private Museen, die zwischen 1926 und 1932 in allen untersuchten Teilregionen entstanden. Neben den Veröffentlichungen beteiligter Wissenschaftler*innen, Zeitungsberichten, Vereinszeitschriften und internen Mitteilungen wissenschaftlicher Einrichtungen, werden hierfür Nachlässe wichtiger Forscher*innen genutzt. Dadurch werden neue Erkenntnisse für historische Selbst- und Fremdbilder im Raum der heutigen Westukraine bzw. der Euroregion Karpaten möglich, die besonders die Handlungsfähigkeit der Lokalbevölkerungen in den Vordergrund rücken sollen.
- Johannes Feichtinger, Österreichische Akademie der Wissenschaften , nationale:r Kooperationspartner:in
- Peter Haslinger, Herder-Institut - Deutschland
- Ulrich Schmid, Universität St. Gallen - Schweiz
- Sofia Dyak, Center for Urban History of East Central Europe in Lviv - Ukraine