Ideologische Fluidität kollektiver nationaler Rechte
Ideological Fluidity of Collective National Rights
Wissenschaftsdisziplinen
Geschichte, Archäologie (60%); Philosophie, Ethik, Religion (10%); Politikwissenschaften (30%)
Keywords
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Collective Rights,
Ethnopolitics,
Minority Activism,
Nationalism,
Ideologies,
Interwar Europe
Das Europa der Zwischenkriegszeit war zutiefst von der nationalen Minderheitenfrage geprägt. Obwohl in den meisten Fällen ethnisch heterogen, wurden die neu geschaffenen Staaten alle als Nationalstaaten konzipiert. Die Friedensverträge erkannten dies teilweise an und verpflichteten sie, die Rechte ihrer Minderheitsbürger zu respektieren. Der durch dieses System gebotene Schutz basierte jedoch überwiegend auf den Rechten des Einzelnen. Da sie dies als unzureichend empfanden, drängten viele Minderheitsaktivisten auf umfassendere Lösungen auf der Grundlage kollektiver Rechte. Diese reichten von den kulturalistischen Modellen, die für liberale politische Rahmenbedingungen konzipiert waren und in den 1920er Jahren vorherrschten, bis zu den radikal illiberalen Modellen, die in den 1930er Jahren in den Vordergrund traten. Das Projekt untersucht eine Vielzahl kollektiver Rechte-basierter Ansätze, die im Rahmen des Minderheitenaktivismus der Zwischenkriegszeit entstanden sind, um den ideologisch offenen und fluiden Charakter kollektiver nationaler Rechte und damit verbundener Konzepte von nationaler Autonomie und Volksgemeinschaft aufzuzeigen. Es verfolgt zwei Hauptziele: I. Es soll ein illiberales Potenzial beleuchtet werden, das dem Konzept der kollektiven Rechte innewohnt, wie es sich in den 1930erJahren manifestierte, alskollektive Rechte-basierte Ansätze schließlich vom Nationalsozialismus instrumentalisiert wurden; II. Argumentierend, dass es nichts grundsätzlich anti- egalitäres oder autoritäres sei, wenn ethnischen Gruppen kollektive Rechte zugesteht werden, und anhand relevanter Beispiele aus demselben Kontext soll gleichzeitig gezeigt werden, dass das diskutierte illiberale Potenzial nicht mit Unvermeidbarkeit verwechselt werden sollte. Diese Ziele werden anhand einer detaillierten Untersuchung öffentlicher und persönlicher Schriften, die innerhalb eines europaweiten Netzwerks von Minderheitenaktivisten unterschiedlicher politischer Ausrichtung und nationaler Herkunft entstanden sind, verfolgt. Das Projekt verbindet ideengeschichtliche Ansätze mit denen der Begriffsgeschichte und der historischen Ideologieforschung und bedient sich einer breiten transnationalen Perspektive. Das Projekt eröffnet eine neueForschungsperspektive zum Minderheitenaktivismus der Zwischenkriegszeit. Abgesehen von ihrem unbestreitbaren Wert für die europäische Geschichte spiegeln sich die darin behandelten Fragen auch in breiteren zeitgenössischen und globalen Debatten über die Herausforderungen des Vielfaltsmanagements und multikultureller Staatsbürgerschaft in einem liberalen Rahmen wider. Der Fall des Minderheitenaktivismus in Europa der Zwischenkriegszeit ermöglicht es uns nämlich, die allgemeinere Frage anzugehen, wie kollektive Rechte sowohl aus liberaler als auch aus illiberaler Sicht gedacht werden können und welche Umstände und Dispositionen dazu führen könnten, dass das Denken über kollektive Rechte illiberal wird.
- Universität Wien - 100%
- Xosé M. Núñez Seixas - Spanien
- Balazs Trencsenyi, Central European University Private University - Ungarn
- Jeremy King, Mount Holyoke College - Vereinigte Staaten von Amerika