Fünf Frauen auf blauen Sofas diskutieren vor Publikum
Beim ersten Women’s Circle des FWF diskutierten Eveline Pupeter (emporia), Henrietta Egerth-Stadlhuber (FFG), Ursula Jakubek (FWF), Gundi Wentner (Deloitte) und Ulrike Diebold (ÖAW, TU) mit ihren Gästen. © FWF/Christine Miess

Das Thema war ernst, der Abend kurzweilig: Vor einem zahlreichen Publikum von interessierten Frauen aus Wissenschaft und Wirtschaft diskutierte der erste Women’s Circle des FWF, was Frauen erfolgreichere Karrieren ermöglichen könnte. Können die Wissenschaft und die Wirtschaft vielleicht voneinander lernen?

Ursula Jakubek, kaufmännische Vizepräsidentin des FWF, führte ihr hochkarätiges Panel – Ulrike Diebold (Physikerin an der TU Wien und Vizepräsidentin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften), Henrietta Egerth-Stadlhuber (Geschäftsführerin Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft, FFG), Eveline Pupeter (Eigentümerin und CEO emporia Telecom Gruppe) und Gundi Wentner (Gründungspartnerin Deloitte Human Capital Österreich) – in eine ebenso lebhafte wie kritische Diskussion über individuelle Fähigkeiten, hinderliche und förderliche Strukturen und die Frage, warum das Scheitern eigentlich einen so schlechten Ruf hat.

Risikobereitschaft

Auf die befristeten Verträge und die Einwerbung von Drittmitteln verweisend, die am Anfang fast einer jeden wissenschaftlichen Karriere stehen, konfrontierte Ursula Jakubek ihre Podiumsgäste gleich zu Beginn mit der Frage, ob nicht eine Karriere in der Wissenschaft sehr viel mehr Risikofreude verlangt als eine in der Wirtschaft: „Wenn eine Frau bereit ist, bei einem befristeten Vertrag sich auch noch selbst die Finanzierung ihrer Forschung zu organisieren, dann muss dahinter sehr große Leidenschaft und Risikobereitschaft stehen“, stellte sie fest.

Brauchen Frauen in der Wissenschaft also besonders viel Mut zum Risiko? Ulrike Diebold, Vizepräsidentin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, ließ ihre eigene Karriere Revue passieren – vom Studium der Theoretischen Physik über ihr Doktorat, die Tätigkeit im Labor, die zwei Jahrzehnte in den USA bis zur Professur und mehrfach ausgezeichneten Wissenschaftlerin: „Es ist jedenfalls Leidenschaft notwendig, und auch eine gewisse Risikobereitschaft. Allerdings muss man bedenken, dass Risiken in der Wissenschaft – zumindest auf der Ebene der Forschung – leichter abgefangen werden als in der Wirtschaft. Wenn eine Hypothese nicht belegt werden kann, dann hat man durch neue Methoden etc. immer noch dazugelernt.“

Ohne Risiko geht es in der Wirtschaft nicht: „Eine Frau, die an ihre Grenzen gehen will, sollte ein Unternehmen führen“, sagte Eveline Pupeter, seit 20 Jahren an der Spitze der emporia Telecom Gruppe, um halb im Scherz zu ergänzen: „Das ist spannend und schlaflose Nächte sind garantiert.“ Pupeter berichtete von ihrem Alltag mit sich stets ändernden Märkten und von der Ausdauer, die es braucht, um neue Kund:innen zu gewinnen. Gute Führung sei zentral, um Risiken zu minimieren: „Da geht es darum, zuzuhören, Respekt zu haben und zu vertrauen – den Mitarbeiter:innen, den Lieferant:innen, den Kund:innen und nicht zuletzt sich selbst.“

Ähnlich sah es Gundi Wentner. Eine Pionierin im Bereich Personalentwicklung und Unternehmensberatung machte sie auf die Bedingungen aufmerksam, die es braucht, damit Frauen Selbstbewusstsein entwickeln: „Das hat etwas damit zu tun, wie man aufgewachsen ist, mit Sicherheit und Resilienz. Wichtiger als Risikoaffinität ist eine gesunde Selbsteinschätzung, denn es gibt gute und schlechte Risiken.“

Frauen sind in der Wissenschaft erfolgreich und offenbar auch risikoaffin: Von den 5.000 Forschenden, die jährlich vom FWF gefördert werden, sind 47 Prozent Frauen, berichtete Jakubek. Doch in Führungspositionen fände man sie noch immer viel zu selten. Warum?

Das richtige Umfeld

Henrietta Egerth-Stadlhuber thematisierte als Geschäftsführerin der FFG vor allem strukturelle Defizite, die Mut und Wagnis in der Praxis entgegenstehen: „Es sind nicht die Frauen, die sich Aufgaben wie eine Führungsposition nicht zutrauen würden. Es ist die Art und Weise, wie die Arbeitswelt gestrickt ist. Gesellschaftliche Rollenbilder und Klischees, vor allem aber die Strukturen der Arbeitswelt behindern Frauen.“

Henrietta Egerth-Stadlhuber: „Männer sind oft beruflich erfolgreich, weil sie sich ganz auf das Berufliche konzentrieren können. Frauen sollten viel kompromissloser sein.“

Auch Ulrike Diebold teilte diese Einschätzung und untermauerte sie mit eigener Erfahrung: „Ich denke, meine Karriere war nur deshalb möglich, weil meine Kinder in den USA zur Welt kamen, wo es selbstverständlich ist, dass Kinder von klein auf in eine professionelle Betreuung gehen“, erzählte sie. „Hierzulande wird das zu oft negativ als vermeintliche Fremdbetreuung geframt.“

Scheitern

Ursula Jakubek thematisierte abschließend erneut die Rolle des Scheiterns und wie wesentlich dies für die Grundlagenforschung ist. Sie erinnerte an die mRNA-Impfstoffe gegen Covid, die es ohne die „gescheiterte“ Krebsforschung nicht geben würde – diese war der ursprüngliche Zweck der Forschung der Medizinerin Katalin Karikó gewesen. Bei Grundlagenforschung ist der Weg ein schwierigerer, weil der Ausgang ungewiss ist – weil man hier der:die Erste auf einem Weg ist und es nicht ein Schwarz oder Weiß gibt, sondern erforscht wird Schwarz, Weiß und Oder.

„Für Innovationen braucht es mehr Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und eine Kultur des Scheiterns“, bestätigte Egerth-Stadlhuber. Gundi Wentner ergänzte: „Österreich ist generell nicht so ein unternehmerisches Land, wie wir uns das gern vorstellen – eine Kultur des Gründens haben wir hier kaum.“

Ursula Jakubek richtete schließlich noch eine Frage in die Runde: Würden die Frauen auf dem Podium des ersten Women’s Circle ihre Karrieren noch einmal verfolgen? Was würden sie ihrem 18-jährigen Ich raten?

Ulrike Diebold: „Lernen loszulassen. Wenn wir erwarten, dass Männer Kinderbetreuung und Haushalt mitübernehmen sollen, muss man sie auch machen lassen.“

Henrietta Egerth-Stadlhuber: „Offenheit für Neues! Nicht alles ist planbar. Deswegen unterstützt die FFG und nimmt Risiko.“

Eveline Pupeter: „Geh, wohin dein Herz dich trägt. Wenn sich die Möglichkeit für eine Position mit Verantwortung ergibt, unbedingt Ja sagen.“

Gundi Wentner: „Selbstständig zu sein, egal ob mit einem Unternehmen oder in der Wissenschaft, bedeutet Unabhängigkeit. Das lohnt sich immer.“

Die Veranstaltung am 30. November 2023 war der erste Women’s Circle des FWF: „Ich habe genau auf eine solche Diskussion gehofft, mit viel Widerspruch“, resümiert Initiatorin Ursula Jakubek. „Ich bin überzeugt, dass der persönliche Austausch über Beruf, Karriere und Wissenschaft den Frauen einen Schub für ihr Selbstbewusstsein gibt.“ Der Women’s Circle soll künftig einmal jährlich dazu beitragen, Frauen in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu vernetzen und insbesondere den Austausch von Forscherinnen aus den FWF-geförderten Karriereprogrammen (ESPRIT, Erwin Schrödinger, Elise Richter, Elise Richter PEEK, START) fördern. Das Zukunft.Frauen-Netzwerk begleitete diese erste Veranstaltung.

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