Darstellung und Realität der Armut im alten Ägypten
Representations and Reality of Poverty in Ancient Egypt
Wissenschaftsdisziplinen
Sprach- und Literaturwissenschaften (100%)
Keywords
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Ancient Egypt,
Poverty,
Social History,
Material Culture,
Archaeology
Armut im alten Ägypten ist ein Thema, das noch weitgehend unerforscht ist. Zwar gibt es in der altägyptischen Sprache eine ganze Reihe von Begriffen, die zur Beschreibung der Armut und zur Bezeichnung der Armen verwendet werden, doch bleiben die vorgeschlagenen Übersetzungen ungenau. Die Texte geben manchmal einen Einblick i n das, was es bedeutet, arm zu sein, aber diese Schriften sind oft subjektiv, da sie in der Regel von den Eliten für die Eliten geschrieben wurden. Für die Bilder gilt dasselbe: Die ägyptische Kunst gehorcht strengen Konventionen und zeigt ein Idealbild der Weltordnung. Infolgedessen haben die Armen bisher nur einen begrenzten Platz in den ägyptologischen Studien eingenommen, die einen großen Teil ihrer Theorien auf die Eliten gestützt haben, vor allem wegen der Fülle und der Qualität der von i hnen hinterlassenen Überreste. Doch die Eliten, die die wirtschaftliche, politisch-religiöse und kulturelle Macht innehatten oder eng mit ihnen verbunden waren, repräsentierten nur einen kleinen Prozentsatz der Bevölkerung. Wie kann man also eine Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des alten Ägypten schreiben, wenn man die Menschen, die nicht zu den Eliten gehören, nicht berücksichtigt? Die einfachen Leute (Bauern, Arbeiter usw.), die einen großen Teil der Bevölkerung ausmachten, lebten wahrscheinlich in relativer Armut und Einfachheit. Wir wissen jedoch nicht genau, wer die Armen waren, wie und wo sie lebten und wie ihr Alltag aussah. Die Hauptziele dieses Projekts bestehen daher darin, die Armut im alten Ägypten zu identifizieren, zu analysieren und zu definieren und die Armut zu einem echten Studien- und Forschungsthema der Ägyptologie zu machen. Der zeitliche Rahmen ist dabei bewusst weit gesteckt (von der Mitte des 3. Jahrt. bis zum Ende des 1. Jahrt. v. Chr.), um Veränderungen im Verhalten und in der Mentalität der Menschen zu erfassen. Im ersten Teil des Projekts wird auf bereits bekannte ägyptologische Dokumente (schriftliche und ikonographische Quellen) zurückgegriffen und diese in bisher nicht angewandter Weise analysiert. Das Studium von Vokabular, Texten und Bildern soll es ermöglichen, die Konturen der Armut zu skizzieren. Diese Armut ist jedoch einer gewissen Subjektivität unterworfen, da sie von den Eliten gesehen und beschrieben wird. Dieser Ansatz muss daher unbedingt durch Dokumente und Überreste, die von den Armen selbst stammen, ausgeglichen werden. Aus diesem Grund konzentriert sich der zweite Teil des Projekts auf einen rein archäologischen Ansatz. Die Archäologie und die Erforschung der materiellen Kultur sind wesentliche Quellen für die Sammlung einer Vielzahl substanzieller Informationen, die es zunächst ermöglichen werden, die verschiedenen Realitäten der Armut besser zu verstehen, dann die Kategorien der Armen besser zu definieren, aber auch ihr Verhalten und ihre Praktiken im Detail zu untersuchen. All diese neuen Informationen werden dann mit den textlichen und ikonographischen Daten verglichen, was ein neues Licht auf sie wirft. Dieser neue Ansatz, der zu einer multidisziplinären Geschichte tendiert, auch durch die Anwendung von soziologischen und historisch-anthropologischen Perspektiven, ist von wesentlicher Bedeutung, um schrittweise die verschiedenen Formen zu definieren, die Armut annehmen kann, und ein umfassenderes Verständnis der Armut im alten Ägypten zu entwickeln.
- Universität Wien - 100%
- Bettina Bader, Österreichische Akademie der Wissenschaften , nationale:r Kooperationspartner:in