Praktiken des Lehr- und Unterrichtsfilms in Österreich
Educational film practice in Austria
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Geisteswissenschaften (20%); Erziehungswissenschaften (10%); Geschichte, Archäologie (10%); Kunstwissenschaften (60%)
Keywords
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Educational Film,
Dispositif,
Film Form And Use,
Institutional History,
Practice
Herkömmliche Begriffe und Methoden der Erziehung und Bildung werden bis heute durch Film und andere Bewegtbilder herausgefordert und verändert. Besonders nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde Film in einer Vielzahl pädagogischer und didaktischer Kontexte eingesetzt. Trotzdem gibt es noch keine umfangreiche Untersuchung zum Lehr- und Unterrichtsfilm in Österreich. Das Projekt will diese Lücke füllen und die Geschichte der Verwendung von Film in Erziehungs- und Lehrzusammenhängen in Österreich zwischen 1918 und Ende der 1960er Jahre erforschen. Die untersuchten Kontexte reichen vom Einsatz im Klassenzimmer und Vorführungen im Rahmen der Volksbildung bis zu universitärer Fachlehre und Berufsbildung. Gegenstand unserer Forschung sind der Lehr- und Unterrichtsfilm als Praktiken. Dieses Verständnis von Praktiken umfasst nicht nur die projizierten Filme, sondern auch die Institutionen, die diese in Auftrag gegeben und vertrieben haben, die Rechtsvorschriften, die zur Regulierung von belehrenden und erziehenden Filmvorführungen erlassen wurden sowie die Orte und Situationen der Vorführung. Lehr- und Unterrichtsfilme wurden in Klassenzimmern und kommerziellen Kinos gezeigt, in Vortragssälen oder betrieblichen Versammlungsräumen. Die Vorführsituation konnte einen Begleitvortrag und Arbeitsaufträge für das Publikum einschließen; zum besseren Verständnis konnte ein Zeigestock Bildpartien herausstellen oder das Bild angehalten werden. Wir verwenden den Begriff des Dispositivs, um zu beschreiben, wie diese verschiedenen Elemente aufeinander und auf die intendierten Ziele einer Vorführung einwirkten. Die Praktiken des Lehr- und Unterrichtsfilms, so unsere zentrale These, nehmen konkrete Formen an in der Verknüpfung zwischen institutionellen Strategien, Vorführungssituationen und den Formen, Stilen und Inhalten der gezeigten Filme. Diese Aufmerksamkeit für Praktiken ist in der Filmwissenschaft noch immer selten. Sie hat Konsequenzen für unsere empirische Forschung (Filme werden mit ihren Begleitmaterialien verbunden, darunter Anleitungsbroschüren und Vortragsskripten, die traditionell an anderen Orten aufbewahrt wurden) wie auch für unsere Interpretation der gesammelten Daten (die berücksichtigt, dass die Bedeutung eines Films stark vom Zusammenhang seiner Vorführung bestimmt wird). Die Forschungsarbeit wird in zwei Phasen stattfinden: In den ersten beiden Projektjahren werden für den untersuchten Zeitraum systematisch Daten über die relevanten Institutionen, Personen, Rechtsvorschriften und Vorführorte gesammelt und noch vorhandene Lehr- und Unterrichtsfilme untersucht, die in Österreich produziert und/oder gezeigt wurden. Eine Datenbank und Mediensammlung mit allen gesammelten Daten und (soweit geistige Eigentumsrechte erlauben) Quellen wird am Ende des Projekts online frei verfügbar sein. Im dritten Projektjahr werden re-präsentative Fallstudien durchgeführt, in denen eine vertiefende Recherche und Analyse erfolgt. Die Forschungsergebnisse werden in verschiedener Weise zugänglich gemacht: durch die Veröffentlichung gesammelter Daten und Medien, mittels Fachpublikationen und auf wissenschaftlichen Konferenzen. Darüber hinaus planen wir, unsere Forschungsergebnisse mit Pädagog_innen, Schüler_innen und an einer Volkshochschule zu diskutieren. Da das Bewegtbild nach wie vor unsere Vorstellungen von Unterweisung und Erziehung herausfordert etwa in der Form von Anleitungs- und Explainer-Videos im Internet , erwarten wir, dass unsere Forschungsergebnisse auch für ein Verständnis aktueller Medienumwelten aufschlussreich sein werden.
Wie der umfangreiche Einsatz von Video im Fernunterricht während der Covid-Krise nachdrücklich gezeigt hat, ist das Bewegtbild ein weithin genutztes Lehrmittel. Doch wie ist es dazu gekommen, dass das Medium Film als Instrument im Unterricht akzeptiert und propagiert wird? Und wie hat dies sowohl Verfahren der Bildung und Erziehung als auch unser Verständnis des Bewegtbilds verändert und herausgefordert? Das Projekt "Praktiken des Lehr- und Unterrichtsfilms in Österreich" ging diesen Fragen nach, indem es die Geschichte des Einsatzes von Filmen in Erziehungs- und Unterrichtssituationen in Österreich zwischen 1918 und 1970 (einschließlich der Zeit des nationalsozialistischen `Anschlusses` 1938-1945) erforschte. Die untersuchten Kontexte reichen vom Einsatz im Klassenzimmer und Vorführungen im Rahmen der Volksbildung bis zu universitärer Fachlehre, Berufsbildung und Beratung. Gegenstand unserer Forschung waren der Lehr- und Unterrichtsfilm als Praktiken. Dieses Verständnis von Praktiken umfasst nicht nur die projizierten Filme, sondern auch die Institutionen, die diese in Auftrag gegeben und verbreitet haben, die Rechtsvorschriften, die zur Regulierung pädagogischer Filmvorführungen erlassen wurden, sowie die Orte und Situationen der Vorführung. Lehr- und Unterrichtsfilme wurden in Klassenzimmern und Kinos gezeigt, in Vortragssälen oder Wirtshäusern. Die Vorführsituation konnte einen Begleitvortrag und Arbeitsaufträge für das Publikum einschließen, oder einen mehrmaligen Wechsel zwischen Film- und Diaprojektion. Wir verwenden den Begriff des "Dispositivs" (französisch für `Anordnung`), um zu beschreiben, wie diese verschiedenen Elemente aufeinander und auf die intendierten Ziele einer Vorführung einwirkten und deren Bedeutung mitproduzierten. Die Praktiken des Lehr- und Unterrichtsfilms, so unsere zentrale These, nehmen konkrete Formen an in der Verknüpfung zwischen institutionellen Strategien, Erziehungsmethoden, Vorführungssituationen und den Formen, Stilen und Inhalten der gezeigten Filme. Diese Aufmerksamkeit für Praktiken hatte Konsequenzen für unsere empirische Forschung: Filme wurden mit Begleitmaterialien zusammengebracht, die traditionell an anderen Orten aufbewahrt wurden. Auch bei der Interpretation der gesammelten Daten wurde berücksichtigt, dass die Bedeutung eines Films stark vom Zusammenhang seiner Vorführung bestimmt wird. Forschungsergebnisse können frei zugänglich in der "Lehrfilmpraktiken Datenbank und Mediensammlung" (https://www.lehrfilmpraktiken.at) durchsucht werden, der bisher umfassendsten Ressource zur Geschichte des Lehrfilms in Österreich. Sie enthält Informationen zu Menschen und Organisationen sowie zu hunderten von Filmen aus der Geschichte des Lehrfilms in Österreich. Ausgewählte Medienobjekte (über 380 Texte, 38 Filme, 20 Bildobjekte) können auf der Website gesichtet werden. Darüber hinaus verdeutlichen 19 Fallstudien die politischen, kulturellen und pädagogischen Kontexte dieser Filme und ihrer Verwendung. In wissenschaftlichen Artikeln haben wir viele dieser Themen vertieft. Im Rahmen des Projekts haben wir unsere Ergebnisse auch mit Schüler:innen und Lehrer:innen an Mittelschulen diskutiert. Die Unterschiede wie auch die Ähnlichkeiten und Echos zu gegenwärtigen Debatten über und Einsätzen von Video und Film im Unterricht machen unsere Resultate aufschlussreich für ein Verständnis aktueller Medienumwelten.
- Ludwig Boltzmann Gesellschaft - 85%
- Universität Wien - 15%
- Ingo Zechner, Ludwig Boltzmann Gesellschaft , assoziierte:r Forschungspartner:in
- Eef Masson, Universiteit van Amsterdam - Niederlande
- Mats Jönsson, Göteborgs Universitet - Schweden
- Lucie Cesalkova, Narodni filmovy archiv - Tschechien
- Rick Prelinger, University of California at Santa Cruz - Vereinigte Staaten von Amerika
Research Output
- 1 Zitationen
- 11 Publikationen
- 1 Datasets & Models
- 4 Disseminationen
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2020
Titel Interactions between Medicine and the Arts. DOI 10.1007/s00508-020-01706-w Typ Journal Article Autor Schütz W Journal Wiener klinische Wochenschrift Seiten 1-65 -
2020
Titel Hearts and Brains in Motion: Medical Animated Film as a Popular and Controversial Medium for Education and Research Typ Journal Article Autor Pilz Journal Wiener Klinische Wochenschrift Seiten 52-56 Link Publikation -
2023
Titel Dismantling the Dispositif: Social Science Experiments in the Classroom DOI 10.18146/tmg.831 Typ Journal Article Autor De Klerk N Journal TMG Journal for Media History Seiten 1-23 Link Publikation -
2023
Titel Showing – Becoming Aware – Learning. On the Pedagogical Dispositif of the Kulturfilm DOI 10.18146/tmg.836 Typ Journal Article Autor Öhner V Journal TMG Journal for Media History Seiten 1-19 Link Publikation -
2023
Titel Through Ice and Snow. Mountain Films as Educational Films in the 1920s and 1930s DOI 10.18146/tmg.838 Typ Journal Article Autor Yazdanpanah M Journal TMG Journal for Media History Seiten 1-27 Link Publikation -
2022
Titel DIY versus Ditmar 1006: The Economics, Institutional Politics, and Media Ecology of Classroom Projectors Made in 1950s Austria DOI 10.1484/m.techne-mph-eb.5.131500 Typ Book Chapter Autor Schätz J Verlag Brepols Publishers NV Seiten 197-216 -
2023
Titel In Defense of Culture: The Vienna Urania and the Cultural Film Typ Journal Article Autor Öhner V. Journal Research in Film and History Link Publikation -
2023
Titel Wholeness and Nature: School Cinema and Reform Pedagogy Typ Journal Article Autor Dewald C. Journal Research in Film and History Link Publikation -
2023
Titel The Austrian Province as Subject and Space of Action in Educational Film Practices Typ Journal Article Autor Yazdanpanah M. Journal Research in Film and History Link Publikation -
2023
Titel No Instructions, Just Some Advice: Agricultural Film and the Pedagogy of Consulting in 1950s and 1960s Austria Typ Journal Article Autor Schätz J. Journal Research in Film and History Link Publikation -
2022
Titel Anatomie – Animation – Audiovision: Medizinische Lehrfilme und die staatlichen Wissenschaftsfilminstitute 1945 bis 1970 DOI 10.14220/9783737013932.213 Typ Book Chapter Autor Pilz K Verlag Brill Deutschland Seiten 213-236 Link Publikation
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2023
Link
Titel Film program and lecture "Was wissen Filme, was lehren Filme?" Typ Participation in an activity, workshop or similar Link Link -
2022
Link
Titel Public film program "Zeigen als pädagogische Ur-Geste. Die Praktiken des Lehrfilms" Typ A talk or presentation Link Link -
2021
Link
Titel Public film program: "Wissen für alle! Filme zur Volksbildung" Typ A talk or presentation Link Link -
2022
Link
Titel Teacher training "Impulse von gestern, haltbare Fragezeichen? Einsatz von Lehrfilmen im Deutschunterricht der Sekundarstufen 1 und 2" Typ Participation in an activity, workshop or similar Link Link