Adoleszenz in Byzanz
Adolescence in Byzantium
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Sozialwissenschaften (10%); Geschichte, Archäologie (10%); Soziologie (10%); Sprach- und Literaturwissenschaften (70%)
Keywords
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Byzantium,
Monachism,
Adolescence,
Education,
Family,
Mariage
Ziel des Projekts ist, im byzantinischen Kulturraum die entscheidende Phase des Überganges von der Kindheit zum Erwachsensein, in der sich die materielle, emotionale und geistige Loslösung von den Eltern und die schrittweise Verselbständigung des Individuums vollzieht, für die Zeit vom 6. bis zum 11. Jahrhundert einer systematischen Untersuchung zu unterziehen. Arbeitshypothese: Ausgangspunkt der Untersuchung sind die folgenden drei wesentlichen Gründe für die "Entlassung": allgemeine oder berufsspezifische Ausbildung; Verheiratung (bzw. vorangehende Verlobung); Klostereintritt. Während im Fall einer "Entlassung" während der Kindheit die Entscheidung für die möglichen Lebenswege fast ausschließlich von den Eltern bzw. den Vormündern getroffen wurde, ist zu klären, inwieweit bei der "Entlassung" von Jugendlichen diese selbstbestimmt und aktiv gestaltend waren und wie weit auch hier der elterliche Einfluss (mit)entscheidend war. Auf Grund der Quellenaussagen soll weiters ein Bild der emanzipatorischen Verhaltensformen der Jugendlichen erarbeitet werden. Die Arbeitsmethode basiert auf einer analytischen Lektüre der schriftlichen Quellen der Zeit vom 6. bis zum 11. Jahrhundert, zu der bildliche Quellenaussagen ergänzend hinzu treten. Das gesammelte Material wird durch komparative Analyse, Synthese und Interpretation der Informationen aufbereitet. Hierbei werden die Quelleninformationen mit Hilfe psychologischer und sozialanthropologischer Forschungsansätze bearbeitet und bewertet. Die Ergebnisse einer systematischen und quellenorientierten Analyse der Adoleszenz werden das bisherige Bild von Kindheit und Jugend in Byzanz weitestgehend berichtigen und ergänzen, und darüber hinaus wesentlich differenzierter gestalten. Die durchgängige soziale und ökonomische Abhängigkeit von der Familie hat zur Folge, dass die beiden Lebensphasen der Kindheit und Jugend, die eng miteinander verknüpft sind, vielfach erst in einer vergleichenden, quellenkritisch und zeitlich differenzierenden Betrachtung beider Phasen in ihren Nuancierungen und Unterschieden fassbar werden. Aktuelle Theorien über die Erscheinungsformen der Adoleszenz lassen insbesondere die Frage stellen, ob und, wenn ja, in welchem Ausmaß und in welchen Modifizierungen diese auf mittelalterliche Bedingungen (unter Berücksichtigung der spezifischen Quellenlage) übertragbar sind. Die Analyse der "Entlassung" aus der Familie gestattet weiters nicht nur Einblicke in die Zukunftserwartungen - und deren Wandel - der jeweiligen Elterngeneration, sondern auch allgemein der Gesellschaft bezüglich der jeweils nachrückenden Generation.
Ziel des Projekts war, im byzantinischen Kulturraum die entscheidende Phase des Überganges von der Kindheit zum Erwachsensein für die Zeit vom 6. bis zum 11. Jahrhundert einer systematischen Untersuchung zu unterziehen. Die Forschungsarbeit fokussierte, basierend auf einer systematischen Analyse der Quellen in Bezug auf: a) Terminologische Untersuchungen zur Adoleszenz; b) Wahrnehmung und Modelle der Adoleszenz in Byzanz und Auseinandersetzung mit modernen psychologischen und soziologischen Theorien und Konzepten; c) Körperliche und psychosexuelle Entwicklung bzw. geistige und kognitive Entwicklung; d) Sozialisierungsprozesse und Peer-Gruppen in Byzanz. Den Ausgangspunkt der Untersuchung des byzantinischen Verständnisses von Jugendalter und Erwachsenwerden bildet die zeitgenössische Terminologie byzantinischer Quellentexte. Die byzantinischen Termini für Adoleszenz sind in großem Maß durch Vorgaben des römischen Rechts und byzantinische medizinische Lehren über die Altersstufen des Menschen geprägt. Manche semantische Ähnlichkeiten mit modernen Theorien begegnen in der Auffassung von Phasen und Sequenzen der Adoleszenz. In dieser Hinsicht sind binäre Oppositionen in Betracht zu ziehen, auf deren Basis die Autoren hagiographischer Texte zukünftige Heilige und "normale" Jugendliche einander gegenüberstellen. Diese Gegensatzpaare ergeben einen Katalog positiver und negativer Eigenschaften von Jugendlichen wie auch eine Anzahl von Charakteristika, die als typisch für Jugendliche betrachtet wurden. Die relevanten Bedeutungsfelder beziehen sich auf physische Qualitäten, die äußere Erscheinung, mentale Zustände und Formen sozialer Interaktion. Ein wichtiges Ziel des Projekts war auch die Untersuchung des Integrationsprozesses in die Gesellschaft durch Kontakte mit den Gleichaltrigen. Jugendliche Peers bildeten in Byzanz eine separate soziale Gruppe im Rahmen der Gesellschaft, mit entsprechenden physiologischen und intellektuellen Charakteristika, und übernahmen eine soziopolitische Rolle. In den Quellen treten Formen der Gruppenidentität und ein auf schichtspezifische Wertsysteme ausgerichtetes, Gemeinschaft begründendes Zusammengehörigkeitsgefühl zutage. Ein weiterer Beitrag der Untersuchung war der Frage der geschlechtsspezifischen Unterschiede zwischen jungen Männern und Frauen gewidmet. Die Adoleszenz der Mädchen im aristokratischen Umfeld verlief nicht ohne Ausbildung und bereitete sie für das Eheleben vor, mit Ausnahme der jungen Nonnen. Die Zeitspanne zwischen Verlobung und Heirat wurde zu Hause verbracht. Für die meisten Knaben der städtischen Elite und Aristokratie existierte auf jeden Fall noch ein anders geartetes Übergangsstadium von Sozialisation und Bildung vor dem Erwachsenwerden, eine Ausbildung, die außerhalb des Vaterhauses stattfand.
- Universität Wien - 100%
Research Output
- 1 Zitationen
- 4 Publikationen
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2017
Titel Coming of Age in Byzantium, Adolescence and Society DOI 10.1515/9783110576498 Typ Book Verlag De Gruyter Link Publikation -
2013
Titel Terminologische und sozialhistorische Untersuchungen zur Adoleszenz in Byzanz (6.-11. Jahrhundert) Teil I. Theorien, Konzepte, narrative Quellen. Typ Journal Article Autor Ariantzi D -
2012
Titel Kindheit in Byzanz. Emotionale, geistige und materielle Entwicklung im familiären Umfeld vom 6. bis zum 11. Jahrhundert (Millennium Studies 36). Typ Book Autor Ariantzi D -
2012
Titel Évelyne Patlagean's Ideas on Childhood: A Presentation of her Views and their Importance for Future Research. Typ Book Chapter Autor Ariantzi D