Adelige Geschwister: Vermögen & soziale Konfigurationen
Noble Siblings: Wealth Arrangements & Social Configurations
Wissenschaftsdisziplinen
Geschichte, Archäologie (100%)
Keywords
-
Siblings,
Kinship,
Nobility,
Wealth,
Cooperation,
Social Relations
Ein großer Teil der Macht und des Vermögens adeliger Familien ging von ihren Besitzungen an Grund und Boden aus. Familie und Verwandtschaft hatten einen besonders hohen Stellenwert. Denn ver- wandtschaftliche Beziehungen waren entscheidend für die soziale Stellung, die Lebenswege und - chancen adeliger Frauen und Männer. Als ein besonders markantes Phänomen hat die verwandt- schaftshistorische Forschung die Durchsetzung der Primogenitur herausgearbeitet, die den ältesten Sohn einer Familie in der Teilung der Erbschaft stark bevorzugte. Das Projekt nimmt an, dass Verän- derungen von Vermögensübertragungen und -arrangements grundlegende Auswirkungen auf die Be- schaffenheit von Familien und Verwandtengruppen hatten. Zudem entstanden in der Frühen Neuzeit immer mehr Fideikommisse, ein wichtiges rechtliches Instrument in diesem Zusammenhang, das für den österreichischen Raum sozial- und verwandtschaftshistorisch jedoch kaum erforscht ist. Sie fes- tigten die Primogenitur, indem sie Güterkomplexe über Generationen hinweg unter der Verwaltung des ältesten Sohnes stabilisierten. Geschwisterbeziehungen sind daher ein Schlüsselelement des Pro- jekts, und zwar in einer Zeit, in der das Verhältnis unter Geschwistern zusehends ungleicher zu wer- den schien. Das ausgewertete Quellenmaterial umfasst mehrere Generationen ausgewählter Familien des habs- burgischen Adels. Geschwisterbeziehungen werden dabei nicht nur in Hinblick auf Streit und Konflikt, sondern auch auf Wechselseitigkeit und Kooperation, auf Aushandlungen und Formen gegenseitiger Abhängigkeiten untersucht. In der zweiten Phase des Projekts rücken insbesondere drei Aspekte ins Zentrum des Interesses: erstens das Zusammenspiel zwischen sozialer und familialer Platzierung ade- liger Männer und Frauen und den damit verbundenen Beziehungsdynamiken, zweitens die starke Stellung von (verwitweten) Frauen in Geschwisterbeziehungen sowie drittens Schuldansprüche und Kredite als entscheidende Merkmale adeliger Besitzverhältnisse. Die Umsetzung erfolgt in zwei Teilprojekten, die von Doktorand*innen bearbeitet werden. Das Teil- projekt von Florian Andretsch fragt nach dem Zusammenhang zwischen Vermögensverteilung, Ver- mögensarrangements und generationaler Verwandtschaftsorganisation auf Grundlage von Verträ- gen, Testamenten und Nachlassverhandlungen. Das Teilprojekt von Claudia Rapberger befasst sich anhand von Korrespondenzen mit der Frage nach der Ausgestaltung von Geschwisterbeziehungen insbesondere zwischen verwitweten Schwestern und ihren Brüdern. Frauen konnten sehr unter- schiedlich zwischen ihrer Herkunfts- und Heiratsfamilie situiert sein. Ein Schwerpunkt der Interpreta- tion liegt auf Vermögensbelangen. Methodisch orientiert sich das Projekt an mikrohistorischen und historisch-anthropologischen Zugängen. In der qualitativen Analyse werden Ansätze der Brieffor- schung und der Emotionsgeschichte angewendet.
- Universität Wien - 100%
- Michaela Hohkamp, Universität Hannover - Deutschland
- Siglinde Clementi, Südtiroler Landesmuseen - Italien
- Simon Teuscher, University of Zurich - Schweiz