Wissenschaftsdisziplinen
Geschichte, Archäologie (20%); Philosophie, Ethik, Religion (30%); Sprach- und Literaturwissenschaften (50%)
Keywords
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Reception history,
Manuscript studies,
Late antique literature
Warum überdauern marginale Erzählungen? Wie kommt es, dass Nebenfiguren und ihre Geschichten nicht nur überleben, sondern auch im kollektiven Gedächtnis gedeihen? Wozu braucht man Zeugnisse aus zweiter Hand, wenn die Hauptzeugen vorhanden sind? Was sorgt dafür, dass ihre Präsenz in der öffentlichen Vorstellungskraft frisch bleibt und sogar floriert? In diesem Projekt sind die Nebenfiguren Figuren aus dem frühen Christentum, die einem der Hauptapostel begegnet sind, und die Untersuchung konzentriert sich auf die besondere Entwicklung der Literatur, die mit solchen Figuren in den Manuskriptkulturen rund um den Mittelmeerraum im Mittelalter verbunden ist. Ab dem zweiten Jahrhundert verfassten die Christen in den folgenden zwölf Jahrhunderten immer wieder Schriften unter den Namen der Apostel oder über das Leben und die Apostel. So gibt es eine große Menge an Literatur, die sich auf die Apostel selbst konzentriert und gewöhnlich als apokryphe Literatur" bezeichnet wird. Diese Literatur beansprucht in gewisser Weise die direkte Autorität der Apostel und wurde in den letzten beiden Jahrhunderten ausgiebig studiert. Im Gegenteil, die in diesem Projekt untersuchten Schriften scheinen zum ersten Mal in ihrer Gesamtheit eine abgeleitete Art von Autorität zu beanspruchen, da sie nicht mit den Aposteln, sondern mit den sie umgebenden Personen verbunden sind. Doch diese Autorität, so sekundär sie auch sein mag, erweist sich als generativ: Neben der apokryphen Literatur gibt es ein großes literarisches Netz von Schriften, die spätantike und mittelalterliche Christen verfasst, kopiert und in mehrere Sprachen übersetzt haben. Dieser Korpus ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert, denn er enthält nicht nur Briefe und fromme Erzählungen über das Leben, das Vergehen, Wundertaten und gelegentlich Visionen, sondern auch umfassende theologische Abhandlungen, die unter dem Namen Dionysios des Areopagiten jahrhundertelang das klösterliche Leben und das theologische Denken prägten, sowie kirchliche Kanones, die unter dem Namen Clemens von Rom in mehreren Sprachräumen als kirchliches Recht fungierten. Das Projekt sieht eine detaillierte Untersuchung des Paratextes (Titel, Kolophone, Vorworte, Randbemerkungen) in den Handschriften vor, um die Entwicklung und Verbreitung dieses komplexen Netzwerks von Texten über mehrere Handschriftentraditionen hinweg besser zu verstehen.
- Universität Wien - 100%
- Adrian Pirtea, nationale:r Kooperationspartner:in
- Tobias Nicklas, Universität Regensburg - Deutschland
- David Downs - Großbritannien
- Garrick Allen, University of Glasgow - Großbritannien
- Columba Stewart, Saint John´s University - Vereinigte Staaten von Amerika