Der état d´urgence in France und das Othering von Protest
The état d´urgence in Frankreich and the othering of protest
Wissenschaftsdisziplinen
Andere Geisteswissenschaften (30%); Medien- und Kommunikationswissenschaften (20%); Politikwissenschaften (20%); Soziologie (30%)
Keywords
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France,
Protest,
States Of Emergencies,
Othering,
Seit zwei Jahrzehnten prägen Ausnahmezustände die französische Politik. 2015 wurde als Folge von Terroranschlägen der anti-terroristische Ausnahmezustand ausgerufen, der bis 2017 anhielt. Auch die Covid-19 Pandemie wurde mittels eines Gesundheits-Notstands bewältigt. Die politischen und rechtlichen Auswirkungen des anti-terroristischen Ausnahmezustands zeigen sich vornehmlich in strafrechtlichen Änderungen, steigendem antimuslimischen Rassismus und einem repressiveren Umgang mit Protest. In meinem Projekt gehe ich der Frage nach den Effekten dieses Ausnahmezustandes auf Protest nach und argumentiere, dass dieser einen postkolonialen Kontext widerspiegelt. Dieser basiert nicht nur auf kolonialer Gesetzgebung, sondern reproduziert auch koloniale Bilder ethnisierter und rassifizierter Anderer sowie koloniale Polizeipraktiken (z. B. Racial Profiling). Ausnahmezustände verschärfen postkoloniale Machtverhältnisse in Frankreich, beispielsweise in Form eines verstärkten Policings nicht-weißer Bevölkerungsgruppen, aber auch durch die Ausweitung von kolonial geprägten Polizeipraktiken auf ein breiteres Protestspektrum. Diese Ausweitung zeigte sich vor allem in Debatten zu Polizeigewalt während der Gelbwestenbewegung 2018/2019. Vor diesem Hintergrund interessiere ich mich für das Verhältnis von Ausnahmezuständen in westlichenDemokratien,postkolonialenMachtverhältnissen und der Regierung und Selbstregierung von Protest. Meine Analyse ist zweigeteilt und umfasst eine Medienanalyse und qualitative Interviews. Erstens analysiere ich Darstellungen von Protest im medialen Diskurs, um Mechanismen des Regierens zu erfassen. Zweitens interessiere ich mich für Selbst-Darstellungen von Protestierenden während und nach dem Ausnahmezustand (Selbstregierung). Dafür beziehe ich mich auf Debatten zu Protest Policing und Versicherheitlichung sowie auf Debatten zu Ausnahmezuständen und Postkolonialismus. Von zentraler Bedeutung ist das Konzept des Othering, womit Prozesse der Markierung ethnisierter und rassisierter Gruppen als Andere der Nation oder des Staates gefasst werden. Folglich konzeptualisiere ich den antiterroristischen Ausnahmezustand als ein postkoloniales Dispositiv, in dem Protestierende durch Othering regiert werden und sich selbst regieren. Obgleich der Ausweitung von Othering auf breitere Protestspektren, unterscheiden sich dessen Effekte je nach sozialen Kategorien wie Geschlecht,Klasse und/oderRasse/Ethnizität.Daherkonzentriere ich michauf Protestbewegungen im Bereich Antirassismus, Umwelt/Klima und soziale Gerechtigkeit in Marseille und Paris, die sich hinsichtlich politischer Ziele, Protestformen, Identitätspositionen und Erfahrungen mit (hartem) Protest Policing unterscheiden. Durch die Beschäftigung mit Protestierenden und Bewegungen, die damals und jetzt aktiv sind, möchte ich die Auswirkungen des antiterroristischen Ausnahmezustands auf Protestbewegungen über sein offizielles Ende hinaus analysieren.
- Universite Paris-Saclay - 100%
- Andrea Kretschmann - Deutschland
- Océane Perona - Frankreich
- Rachida Brahim - Frankreich