Chemische Ansätze zur Erforschung der Influenzainfektiösität
Chemical Approaches to Study Flu Infectivity
Wissenschaftsdisziplinen
Chemie (50%); Gesundheitswissenschaften (25%); Medizinisch-theoretische Wissenschaften, Pharmazie (25%)
Keywords
-
Carbohydrate Chemistry,
Glycan Synthesis,
Influenz
Die Influenza, auch echte Grippe, ist eine Krankheit, die durch Influenzaviren verursacht wird und jährlich weltweit auftritt. Sie kann zu milden bis schweren Krankheitsverläufen führen, aber auch Todesfälle kommen vor. Nicht vorhersehbare Pandemien machen die Influenza auch heutzutage zu einer Bedrohung und einer Herausforderung für die Medizin. Die Herstellung und auch die Wirksamkeit von Impfstoffen wird durch die kontinuierliche Anpassung der Influenzaviren beeinträchtigt. Derzeit verfügbare Medikamente weisen unerwünschte Nebenwirkungen auf. Darüber hinaus gibt es immer mehr Probleme mit resistenten Erregerstämmen. Um die Gefährdung durch die Influenza zu verringern oder ganz zu eliminieren, ist es von entscheidender Bedeutung, die Übertragung der Influenzaviren und auch die Pathogenese (Entwicklung der Krankheit) besser zu verstehen. Unsere Zellen sind mit einer dichten Schicht an Glykanen (Polysacchariden) bedeckt, die in vielen biologischen Prozessen eine wichtige Rolle spielen. Nach unserem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Forschung binden Influenzaviren an Zellen in unseren Atemwegen, indem sie Sialylsäuren an Glykanen erkennen. Die Art der Verknüpfung der Sialylsäure an die nächste Zuckereinheit im Glykan ist ausschlaggebend für die Rezeptorspezifität von Grippeviren (Vogel- versus humane Viren) und stellt somit eine Übertragungsbarriere da. Neuere Studien weisen darauf hin, dass durch die fortwährende Anpassung der Grippeviren nicht mehr ausschließlich die Sialylsäuren, und ihre Bindung zu der nächsten Zuckereinheit, sondern auch die Struktur der darunterliegenden Glykane eine wichtige Rolle bei der Anheftung der Influenzaviren an die Wirtszelle spielt. Ziel dieses Projektes ist es die strukturellen Eigenschaften von Glykanen, die zur Infektiosität von Grippeviren beitragen, zu erforschen und eine spezifische Glykanstruktur, die zentral für den Anheftungsprozess von Grippeviren an menschliche Wirtszellen ist, zu identifizieren. Mit diesen neuen Erkenntnissen sollen dann vielversprechende Influenzamedikamente entwickelt werden, die nicht auf der Verhinderung der Virusvermehrung basieren, sondern schon das Eindringen des Virus in die Wirtszelle unterbinden. Dazu werden multivalente Inhibitoren hergestellt, die in Konkurrenz zur menschlichen Zelle an den Virus binden, sodass die Infektion in einer sehr frühen Phase verhindert werden kann. Im Zuge dieses Vorhaben werden ca. 30 komplexe Glykane, die sich laut massenspektrometischen Untersuchungen in unseren Atemwegen befinden, nach einem chemoenzymatischen Verfahren hergestellt. Diese Glykane werden dann für Bindungsstudien mit Hemaglutininproteinen verschiedener Grippeviren eingesetzt um noch nicht bekannte biologisch relevante Glykane für den Anheftungsprozess an die Wirtszelle zu entdecken. Weiterführende Studien mit biologisch relevanten Glykanen sollen aufklären, welche Glykanstrukturen zur Infektiosität von Grippeviren beitragen und schlussendlich zur Identifikation einer spezifischen Glykanstruktur führen, die für den Anheftungsprozess an unsere Zellen äußerst wichtig ist. Auf Basis dieser spezifischen Glykanstruktur mit Hilfe von biokompatiblen Trägersystemen werden neue multivalente Hemagglutinin Inhibitoren hergestellt.
Glykane bestehen aus Kohlenhydratketten, die auf jeder Zelloberfläche zu finden sind. Sie spielen eine essenzielle Rolle bei der Kommunikation zwischen Zellen und der Außenwelt und sind beteiligt an jeder schweren Krankheit. Jedoch, ist noch kaum erforscht, wie Glykane ihre Funktionen auf molekularer Ebene ausüben. Um herauszufinden, welche Rolle Glykane in Krankheiten, Infektionen, Immunstörungen und Krebserkrankungen spielen, werden genau definierte Glykane benötigt. Das Ziel dieses Projektes war es eine Methode für die Herstellung von O-Glykanen zu entwickeln, die die Erforschung ihrer Rolle in Virusinfektionen ermöglichen sollte. Das Projekt wurde an der Universität Utrecht in der internationalen Forschungsgruppe von Prof. Geert-Jan Boons durchgeführt. Prof. Boons ist ein berühmter Experte in dem Bereich der Kohlenhydratchemie. Seine Forschungsgruppe konnte eine effiziente chemoenzymatische Methode für die Herstellung von N-Glykanen entwickeln. Mit dem bereits vorhandenen Wissen konnte im Laufe der Projektzeit eine Methode für die einfache, chemoenzymatische Herstellung von verschiedenen Mucin-O- Glykanen entwickelt werden. Mucine sind eine Klasse von Glykoproteinen, die die größte Anzahl an O-Glykanen tragen. Die O-Glykane sind via einer O-glykosidischen Bindung an die Aminosäure Threonin oder Serin der Peptidkette von Mucinen geknüpft. O-Glykane auf Mucinen sind strukturell sehr unterschiedlich. Sie enthalten verschiedene Endgruppen. Mit der entwickelten Methode, bei der die Grundgerüste chemisch synthetisiert wurden und die Erweiterung der Kohlenhydratketten enzymatisch durchgeführt wurde, konnte eine Bibliothek von diversen O-Glykanen hergestelllt werden. Mucine sind an vielen biologischen Prozessen beteiligt z.B. sind sie involviert in der Signalgebung des Immunsystems, an der Bildung einer Schutzbarriere und Wirt-Pathogen Interaktionen. Sie kommen vor als schleimiges Sekret und werden exprimiert an den Epitheloberflächen des Magen-Darm-Traktes und der Atemwege. Im Vergleich zu N-Glykanen sind Mucin-O-Glykane unterrepräsentiert in derzeitigen Microarray Plattformen. Um O-Glykan Erkennungsstudien zu vereinfachen, wird eine Kollektion an strukturell-definierten komplexen O-Glykanen benötigt. Um dieses Defizit zu behandeln, wurde die hergestellte O-Glykanbibliothek auf Microarrays gedruckt. Die Microarrays ermöglichten den Einfluss der unterschiedlichen O-Glykan Grundgerüste auf die Bindungsspezifität zu verschiedenen Wirten und Glykan-bindenden Proteinen zu erforschen.
- Utrecht University - 100%
- Rainer Haag, Freie Universität Berlin - Deutschland
Research Output
- 32 Zitationen
- 2 Publikationen
-
2023
Titel Oxidative Release of O-Glycans under Neutral Conditions for Analysis of Glycoconjugates Having Base-Sensitive Substituents. DOI 10.1021/acs.analchem.3c00127 Typ Journal Article Autor Vos Gm Journal Analytical chemistry Seiten 8825-8833 -
2022
Titel Specific (sialyl-)Lewis core 2 O-glycans differentiate colorectal cancer from healthy colon epithelium DOI 10.7150/thno.72818 Typ Journal Article Autor Madunic K Journal Theranostics Seiten 4498-4512 Link Publikation