Zur Wirkmächtigkeit von Algorithmen
Algorithms that Matter
Matching Funds - Steiermark
Wissenschaftsdisziplinen
Informatik (10%); Kunstwissenschaften (80%); Philosophie, Ethik, Religion (10%)
Keywords
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Computer Music,
Sound Art,
Algorithms,
Materiality,
Experimental Systems
Algorithmen sind heute allgegenwärtig und zugleich doch unsichtbar. Wir nehmen sie wahr, wann immer uns in einem Online Geschäft oder in sozialen Medien verwandte Dinge präsentiert werden, wann immer wir einen Suchbegriff im Web eintippen. Trotzdem hätten wir Schwierigkeiten genau zu beschreiben, wie diese Algorithmen arbeiten. Wir nehmen sie als gegeben hin und akzeptieren, daß wir ihrer Analyse und Entscheidungsfindung unterworfen sind. Wie kann Kunst zu einem Verständnis dieses wachsenden Einflusses von Algorithmen beitragen und sie in ästhetische Positionen übersetzen? Algorithmen fanden in der Musik bereits vor dem Entstehen der Computermusik in den 1950er Jahren Verwendung, aber gerade jetzt läßt sich eine ganz neue Welle des Interesses beobachten, die sich in Festivals, Genres, Publikationen und Forschungsprojekten niederschlägt. Software erlaubt schon seit zwei Jahrzehnten das Komponieren mit interaktiver Kontrolle in Echtzeit, und so muß der Grund anderswo gesucht werden. Es ist das Konzept von Algorithmen selbst, welches eine Verschiebung erfährt. Diese sind nicht länger eine abstrakte Formalisierung, ein Abbild des Denkens, immateriell, statisch und zeitlos. Sie sind keine Gegebenheiten, sondern kristallisieren sich durch künstlerische Praxis und Experimentieren heraus, werden in materielle Prozesse verstrickt, die Raum und Zeit hervorbringen. Das Projekt Zur Wirkmächtigkeit von Algorithmen (ALMAT) gründet sich auf dieser neuen Idee, daß Algorithmen Handlungsträger sind, die die Grenzen zwischen einer künstlerischen Maschine oder Apparatur und den durch diese Maschine erzeugten Objekten mitbestimmen. Die zentrale Frage ist: Wie entstehen algorithmische Prozesse und wie strukturieren sie die Praxis experimenteller Computermusik? Die Hypothese lautet, daß solche Prozesseanstatt in der Hervorbringung und Transformation unendlicher Formen getrennt vom Komponisten zu seineine spezifische Kraft entfalten, die auf die kompositorische und performative Praxis zurückwirkt und diese verändert. Eine Serie systematischer künstlerischer Experimente wird vom Projektteam gemeinsam mit GastkünstlerInnen durchgeführt. In festgelegten Zeitabschnitten werden Serien von untereinander verwandten Klangstudien entwickelt. Der Arbeitsprozeß wird dabei beobachtet und in sich ergänzende Diskurse und Formen der Präsentation übersetzt, so daß zukünftige Forschungsprojekte darauf aufbauen können. Das beinhaltet Konzerte und Ausstellungen, eine auf einer Online-Plattform entstehende kontinuierliche Exposition sowie Zusammenkünften und Symposien, die Forscher verschiedener europäischer Institutionen vernetzen. Das Projekt setzt sich nicht allein zum Ziel, die Praxis experimenteller Computermusik mit algorithmischen Prozessen zu erweitern, sondern auch zur Tragweite und Methodologie künstlerischer Forschung beizutragen und so ein bisher vernachlässigtes Forschungsfeld zu erschließen. ALMAT wird am Institut für Elektronische Musik und Akustik (IEM) der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz ausgerichtet und dort mit laufenden Forschungsvorhaben, Lehre und Veranstaltungen integriert. Das Projekt strebt nicht nur eine Sichtbarkeit innerhalb der spezifischen Forschungsgemeinschaft an, sondern will auch spartenübergreifend Nachwuchsforscher und eine allgemeine Öffentlichkeit erreichen und das Bewußtsein für die künstlerische Forschungspraxis stärken.
Algorithmen sind heute allgegenwärtig, bleiben aber oft unsichtbar. Wir nehmen ihre Auswirkungen wahr, wenn uns in einem Online-Shop oder auf einer Social-Media-Seite verwandte Artikel angezeigt werden, wenn wir einen einfachen Begriff im Internet abfragen. Es fällt uns oft schwer, die Funktionsweise solcher Algorithmen genau zu beschreiben. Unabhängig davon, wer durch Algorithmen Macht ausübt, können wir sagen, dass sie Teil unserer Natur geworden sind. Um zu verstehen, wie uns Algorithmen formen, müssen wir über die einzelnen Absichten der Entwickler:innen, Zwecke und Verwendungen hinausgehen und nicht bloß Algorithmen und ihre Spezifikationen isoliert betrachten. Wir bewegen uns von den Algorithmen zum Algorithmischen, einem Gewebe, das bestimmt, wie Algorithmen arbeiten, und das sie miteinander verbindet, sogar über die Grenzen von Computern hinaus, indem es inhärente Rhythmen und Strategien hervorbringt, die tief im Medium der Bere chnung selbst verwurzelte Konsequenzen haben. Das Projekt Algorithms that Matter konzentrierte sich auf eine Art von Konsequenz: die ästhetische Tragweite bei der Arbeit mit Klang und Musik, etwas, das nicht nur in den Artefakten sichtbar und hörbar ist, sondern auch die Weise verändert, wie wir den künstlerischen Prozess und unsere Rolle als Künstler:innen verstehen. Hier bewegen wir uns jenseits der traditionellen engen Sichtweise von Algorithmen als abstraktem Denken, das von formalisierter Logik bestimmt wird. Wir verstehen das Algorithmische als einen kontinuierlichen Prozess, der aus Praxis und Experimentieren hervorgeht, worin sich Algorithmen in materielle Prozesse und Kontexte verstricken, die Raum und Zeit erzeugen. Um etwas so schwer zu fassendes wie Prozess zu untersuchen, haben wir praktische Arbeit mit Beobachtung und Diskurs kombiniert und den komplexen Austausch zwischen Künstler:innen und den algorithmischen Ensembles, die sie bauen und programmieren, ins Blickfeld genommen. Die Fragen, die wir uns stellen, lauten: Wie gelangen wir zu bestimmten Arbeitszugängen mit Algorithmen, wie bringen diese bestimmte Möglichkeiten mit, die ästhetische Entwicklung zu lenken, wie greifen wir in diese Orientierung ein, und wie entsteht die Schnittstelle zur physischen und sinnlichen Welt; und vor allem: Wie können wir Erfahrungen, die so untrennbar mit unserer persönlichen Praxis verbunden zu sein scheinen, mit anderen Künstler:innen und Forscher:innen teilen? Wir haben eine Reihe von Iterationen durchgeführt, worin das Projektteam mit Gastkünstler:innen zusammenkam. Wir entwickelten ineinandergreifende Klangarbeiten, wobei wir uns besonders auf die Prozesse konzentrierten, in denen Entscheidungen und Anpassungen getroffen wurden, und kommunizierten diese sowohl auf der nonverbalen Ebene durch die praktische Arbeit am Klang als auch durch Diskussionen im Labor, woraus eine umfangreiche Spurensammlung auf einer Online- Plattform entstand, die ein lebendiges Dokument oder einen virtuellen Arbeitsraum darstellt, den wir kontinuierliche Exposition nennen. Die Experimente wurden durch Konzerte, Ausstellungen, Festivals und Konferenzen validiert, und wir luden Peer -Groups in Form von Workshops und Symposien an verschiedenen Institutionen Europas ein. Die kontinu ierliche Exposition wurde schließlich in eine öffentlich zugängliche Datenbank übersetzt.
- Michael Schwab, Universität für angewandte Kunst Wien , nationale:r Kooperationspartner:in
- Jonathan Impett, Orpheus Institute - Advanced Studies & Research in Music - Belgien
- Ludger Brümmer, Zentrum für Kunst und Medientechnologie - Deutschland
- Carsten Seiffarth, singuhr e.v. - Deutschland
- Luciana Parisi, Goldsmith College - Großbritannien
- Lars Ove Toft, Bergen Centre for Electronic Arts - Norwegen
Research Output
- 32 Zitationen
- 9 Publikationen
- 19 Künstlerischer Output
- 1 Datasets & Models
- 1 Software
- 4 Disseminationen
- 3 Wissenschaftliche Auszeichnungen
- 3 Weitere Förderungen
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2020
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Titel Through Segments Typ Artistic/Creative Exhibition Link Link -
2020
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Titel in|filtration Typ Artistic/Creative Exhibition Link Link -
2019
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Titel Algorithms that Matter @ impuls academy 2019 Typ Artistic/Creative Exhibition Link Link -
2018
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Titel Wordweaving / Wordless Typ Artwork Link Link
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2017
Titel BKA interdisciplinary projects / Land Steiermark / Stadt Graz Typ Research grant (including intramural programme) Förderbeginn 2017 Geldgeber Government of Austria