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Nicht-stoechiometrische Hydratbildung in Arzneistoffen

Non-stoichiometric hydrate formation in drug substances

Doris Elfriede Braun (ORCID: 0000-0003-0503-4448)
  • Grant-DOI 10.55776/V436
  • Förderprogramm Elise Richter
  • Status beendet
  • Projektbeginn 01.09.2015
  • Projektende 31.08.2018
  • Bewilligungssumme 258.388 €

Wissenschaftsdisziplinen

Chemie (90%); Medizinisch-theoretische Wissenschaften, Pharmazie (10%)

Keywords

    Hydrates, Polymorphism, Crystal Structure Prediction, Thermodynamics, Crystallization, Phase Transformation

Abstract Endbericht

Die Kenntnis verschiedener kristalliner Festphasen von Wirk- und Hilfsstoffen ist ein zentrales Thema in der modernen Arzneimittelentwicklung und eine Voraussetzung für die Gewährleistung einer hohen Produktqualität und -sicherheit. Dies ist durch den Umstand begründet, dass verschiedene Festformen eines chemisch definierten Stoffes unterschiedliche physikalische Eigenschaften zeigen (z.B. Löslichkeit, Dichte, Härte, Schmelzpunkt, etc.), was sich auf die Verarbeitbarkeit, Stabilität und letztlich die Wirksamkeit von Arzneistoffen auswirken kann. Neben polymorphen Kristallformen (eine chemische Komponente) bilden Arzneistoffe häufig kristalline Lösungsmitteladdukte (Solvate, Multikomponentensysteme), wobei insbesondere wasserhaltige Kristallformen (Hydrate) von größter praktischer Bedeutung sind, da sich ein Kontakt mit Wasser/Feuchtebei vielen Verarbeitungsprozessen und bei der Lagerung oft nur schwer vermeiden lässt. Eigenen Abschätzungen zufolge bildet etwa ein Drittel aller Arzneistoffe eine oder mehrere Hydratform/en, wobei dieser Anteil bei neueren Wirkstoffen bei etwa dem Doppelten liegt. Da die Existenz und Stabilität von Hydraten noch nicht vorhersagbar ist, ist es wichtig geeignete Forschungsstrategien und konzepte zu entwickeln, die zu einem besseren Verständnis von Hydratbildungsphänomenen und letztlich zu besseren Vorhersagemodellen führen sollen. Wasser kann auf unterschiedlichste Weise im Kristallgitter von (Wirk-)Stoffen eingelagert oder gebunden sein und einen essentiellen Strukturbestandteil bilden. Solche Hydrate werden in zwei Klassen unterteilt. Sogenannte stöchiometrische Hydrate können als echte Molekülverbindungen betrachtet werden, wobei die Entfernung des Wassers zu einer Zerstörung der Kristallstruktur führt. Bei nicht-stöchiometrischen Hydraten ist der Wassergehalt bei verschiedenen Wasserdampf- partialdrücken (Umgebungsfeuchte) meist stark variabel und das Wasser sitzt hier in Strukturräumen, die es ohne wesentliche Strukturänderung verlassen kann. Dieses mobile Wasser kann u.a. zu unerwünschten Wechselwirkungen zwischen den Stoffkomponenten in Arzneiprodukten führen. Folglich ist die Kenntnis des Existenzbereiches und der Stabilität dieser Wasseraddukte sehr wichtig. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes werden anhand von nicht-stöchiometrischen Modellhydraten (Arzneistoffe) Faktoren erarbeitet, die für die Bildung und die Stabilität dieser Wasseraddukte verantwortlich sind. Der Fokus liegt dabei auf dem Zusammenspiel von strukturellen Aspekten und kinetischerhermodynamischer Stabilität wobei innovative experimentelle Konzepte in Kombination mit computerunterstützten Methoden (ab initio Kristallstrukturvorhersage und Gitterenergie- minimierung) zum Einsatz kommen. Die experimentellen Methoden umfassen u.a. Röntenbeugung, Spektroskopie, Feuchte(de)sorptionsuntersuchungen, Wasseraktivitätsmessungen, Thermoanalyse und isotherme Kalorimetrie. Mit Hilfe einer einzigartigen Kombination aus Experiment und Theorie soll es möglich sein einen besseren Einblick in die bis dato wenig verstandenen Phänomene bei diesen wichtigen Wasseraddukten zu etablieren. Die Forschung ist von hoher Aktualität und die Ergebnisse sollen auch helfen Verarbeitungsprobleme von Arzneistoffen zu vermeiden, die Entwicklungszeit zu verkürzen und letztlich die hohen Qualitätsstandards von Arzneimitteln sicher zu stellen.

Wasser kann auf vielfältigste Weise den Herstellungsprozess und auch die Wirksamkeit von Arzneistoffen beeinflussen. Da der Kontakt mit Wasser/Feuchte bei vielen Verarbeitungsprozessen und bei der Lagerung oft nur schwer vermieden werden kann, ist das Wissen über mögliche Interaktionen (von Arzneistoffen/Hilfsstoffen mit Wasser) sehr wichtig, um die hohen Qualitätsstandards von Arzneimitteln sicher zu stellen. Wasser kann in das Kristallgitter von Stoffen eingebaut werden, entweder als essentieller Strukturbestandteil oder als Lückenfüller. Die entstandene Molekülverbindung wird als Hydrat bezeichnet. Bei der problematischen Gruppe der nicht-stöchiometrischen Hydraten ist der Wassergehalt bei verschiedenen Wasserdampfpartialdrücken (Umgebungsfeuchte) meist stark variabel und das Wasser sitzt meist in Strukturräumen, die es ohne wesentliche Strukturänderung verlassen kann. Dieses mobile Wasser kann unter anderem zu unerwünschten Wechselwirkungen zwischen den Komponenten (Arzneistoffe und Hilfstoffe) in Arzneiprodukten führen und somit die Stabilität und Wirksamkeit eines Arzneimittels beeinträchtigen. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wurde anhand von 30 ausgewählten Modellhydraten (Arzneistoffe) die Faktoren erarbeitet, welche für die Bildung und die Stabilität dieser Wasseraddukte verantwortlich sind. Der Fokus lag dabei auf dem Zusammenspiel von strukturellen Aspekten und kinetischerhermodynamischer Stabilität. Innovative experimentelle Techniken in Kombination und komplementiert mit computerunterstütztenMethoden (abinitioKristallstrukturvorhersagen und Energieberechnungen) kamen zum Einsatz. Die aus diesem Forschungsprojekt hervorgegangen Highlights betreffen insbesondere die Vorhersagbarkeit von nicht-stöchiometrischen Hydraten. Es konnte gezeigt werden, dass intermolekulare Energieberechnungen verwendet werden können um abzuschätzen ob ein Hydrat in die Klasse von nicht-stöchiometrischen Wasseradukten fällt. Des Weiteren können Strukturvorhersagen von Anhydraten (wasserfreie Form) herangezogen werden um abzuschätzen ob eine Verbindung Hydrate bildet, indem die höher-energetisch und weniger dicht gepackten Strukturen auf entsprechende Hohlräume untersucht werden. Dieser Ansatz ist zeitsparender als die Berechnung von Hydratstrukturen. Zum ersten Mal wurden Stabilitätsunterschiede (Enthalpie) zwischen isomorphen Dehydraten (wasserfrei) und nicht- stöchiometrischen Hydraten gemessen. Diese Daten werden sehr dringend benötigt um Hydrate besser modellieren zu können. Die in diesem Forschungsprojekt ausgearbeiteten Strategien sind nicht nur für Hydrate anwendbar, sondern können auch als Grundlage für andere Festkörperklassen (Solvate) dienen.

Forschungsstätte(n)
  • Universität Innsbruck - 100%
Internationale Projektbeteiligte
  • Roberto Gobetto, University of Torino - Italien
  • Susan M. Reutzel-Edens, Eli Lilly and Company - Vereinigte Staaten von Amerika
  • Claire S J Adjiman, Imperial College London - Vereinigtes Königreich
  • Sarah L. Price, University College London - Vereinigtes Königreich
  • Alastair Florence, University of Strathclyde - Vereinigtes Königreich

Research Output

  • 585 Zitationen
  • 17 Publikationen
Publikationen
  • 2019
    Titel Dapsone Form V: A Late Appearing Thermodynamic Polymorph of a Pharmaceutical
    DOI 10.1021/acs.molpharmaceut.9b00419
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal Molecular Pharmaceutics
    Seiten 3221-3236
    Link Publikation
  • 2020
    Titel The Eight Hydrates of Strychnine Sulfate
    DOI 10.1021/acs.cgd.0c00777
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal Crystal Growth & Design
    Seiten 6069-6083
    Link Publikation
  • 2023
    Titel Predicting crystal form stability under real-world conditions
    DOI 10.1038/s41586-023-06587-3
    Typ Journal Article
    Autor Firaha D
    Journal Nature
    Seiten 324-328
    Link Publikation
  • 2016
    Titel The Hydrogen Bonded Structures of Two 5-Bromobarbituric Acids and Analysis of Unequal C5–X and C5–X' Bond Lengths (X = X' = F, Cl, Br or Me) in 5,5-Disubstituted Barbituric Acids
    DOI 10.3390/cryst6040047
    Typ Journal Article
    Autor Gelbrich T
    Journal Crystals
    Seiten 47
    Link Publikation
  • 2016
    Titel Computational and Experimental Characterization of Five Crystal Forms of Thymine: Packing Polymorphism, Polytypism/Disorder, and Stoichiometric 0.8-Hydrate
    DOI 10.1021/acs.cgd.6b00459
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal Crystal Growth & Design
    Seiten 3480-3496
    Link Publikation
  • 2016
    Titel Why Do Hydrates (Solvates) Form in Small Neutral Organic Molecules? Exploring the Crystal Form Landscapes of the Alkaloids Brucine and Strychnine
    DOI 10.1021/acs.cgd.6b01078
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal Crystal Growth & Design
    Seiten 6405-6418
    Link Publikation
  • 2016
    Titel Stoichiometric and Nonstoichiometric Hydrates of Brucine
    DOI 10.1021/acs.cgd.6b01231
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal Crystal Growth & Design
    Seiten 6111-6121
    Link Publikation
  • 2016
    Titel Can computed crystal energy landscapes help understand pharmaceutical solids?
    DOI 10.1039/c6cc00721j
    Typ Journal Article
    Autor Price S
    Journal Chemical Communications
    Seiten 7065-7077
    Link Publikation
  • 2018
    Titel Supramolecular Organization of Nonstoichiometric Drug Hydrates: Dapsone
    DOI 10.3389/fchem.2018.00031
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal Frontiers in Chemistry
    Seiten 31
    Link Publikation
  • 2016
    Titel Temperature- and moisture-dependent studies on alunogen and the crystal structure of meta-alunogen determined from laboratory powder diffraction data
    DOI 10.1007/s00269-016-0840-7
    Typ Journal Article
    Autor Kahlenberg V
    Journal Physics and Chemistry of Minerals
    Seiten 95-107
    Link Publikation
  • 2016
    Titel Structural Properties, Order–Disorder Phenomena, and Phase Stability of Orotic Acid Crystal Forms
    DOI 10.1021/acs.molpharmaceut.5b00856
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal Molecular Pharmaceutics
    Seiten 1012-1029
    Link Publikation
  • 2017
    Titel Unraveling Complexity in the Solid Form Screening of a Pharmaceutical Salt: Why so Many Forms? Why so Few?
    DOI 10.1021/acs.cgd.7b00842
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal Crystal Growth & Design
    Seiten 5349-5365
    Link Publikation
  • 2017
    Titel Molecular Level Understanding of the Reversible Phase Transformation between Forms III and II of Dapsone
    DOI 10.1021/acs.cgd.7b01089
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal Crystal Growth & Design
    Seiten 5054-5060
    Link Publikation
  • 2017
    Titel Experimental and Computational Hydrate Screening: Cytosine, 5-Flucytosine, and Their Solid Solution
    DOI 10.1021/acs.cgd.7b00664
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal Crystal Growth & Design
    Seiten 4347-4364
    Link Publikation
  • 2017
    Titel Prediction and experimental validation of solid solutions and isopolymorphs of cytosine/5-flucytosine
    DOI 10.1039/c7ce00939a
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal CrystEngComm
    Seiten 3566-3572
    Link Publikation
  • 2017
    Titel New Insights into Solid Form Stability and Hydrate Formation: o-Phenanthroline HCl and Neocuproine HCl
    DOI 10.3390/molecules22122238
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal Molecules
    Seiten 2238
    Link Publikation
  • 2017
    Titel Understanding the role of water in 1,10-phenanthroline monohydrate
    DOI 10.1039/c7ce01371j
    Typ Journal Article
    Autor Braun D
    Journal CrystEngComm
    Seiten 6133-6145
    Link Publikation

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