Nicht-stoechiometrische Hydratbildung in Arzneistoffen
Non-stoichiometric hydrate formation in drug substances
Wissenschaftsdisziplinen
Chemie (90%); Medizinisch-theoretische Wissenschaften, Pharmazie (10%)
Keywords
-
Hydrates,
Polymorphism,
Crystal Structure Prediction,
Thermodynamics,
Crystallization,
Phase Transformation
Die Kenntnis verschiedener kristalliner Festphasen von Wirk- und Hilfsstoffen ist ein zentrales Thema in der modernen Arzneimittelentwicklung und eine Voraussetzung für die Gewährleistung einer hohen Produktqualität und -sicherheit. Dies ist durch den Umstand begründet, dass verschiedene Festformen eines chemisch definierten Stoffes unterschiedliche physikalische Eigenschaften zeigen (z.B. Löslichkeit, Dichte, Härte, Schmelzpunkt, etc.), was sich auf die Verarbeitbarkeit, Stabilität und letztlich die Wirksamkeit von Arzneistoffen auswirken kann. Neben polymorphen Kristallformen (eine chemische Komponente) bilden Arzneistoffe häufig kristalline Lösungsmitteladdukte (Solvate, Multikomponentensysteme), wobei insbesondere wasserhaltige Kristallformen (Hydrate) von größter praktischer Bedeutung sind, da sich ein Kontakt mit Wasser/Feuchtebei vielen Verarbeitungsprozessen und bei der Lagerung oft nur schwer vermeiden lässt. Eigenen Abschätzungen zufolge bildet etwa ein Drittel aller Arzneistoffe eine oder mehrere Hydratform/en, wobei dieser Anteil bei neueren Wirkstoffen bei etwa dem Doppelten liegt. Da die Existenz und Stabilität von Hydraten noch nicht vorhersagbar ist, ist es wichtig geeignete Forschungsstrategien und konzepte zu entwickeln, die zu einem besseren Verständnis von Hydratbildungsphänomenen und letztlich zu besseren Vorhersagemodellen führen sollen. Wasser kann auf unterschiedlichste Weise im Kristallgitter von (Wirk-)Stoffen eingelagert oder gebunden sein und einen essentiellen Strukturbestandteil bilden. Solche Hydrate werden in zwei Klassen unterteilt. Sogenannte stöchiometrische Hydrate können als echte Molekülverbindungen betrachtet werden, wobei die Entfernung des Wassers zu einer Zerstörung der Kristallstruktur führt. Bei nicht-stöchiometrischen Hydraten ist der Wassergehalt bei verschiedenen Wasserdampf- partialdrücken (Umgebungsfeuchte) meist stark variabel und das Wasser sitzt hier in Strukturräumen, die es ohne wesentliche Strukturänderung verlassen kann. Dieses mobile Wasser kann u.a. zu unerwünschten Wechselwirkungen zwischen den Stoffkomponenten in Arzneiprodukten führen. Folglich ist die Kenntnis des Existenzbereiches und der Stabilität dieser Wasseraddukte sehr wichtig. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes werden anhand von nicht-stöchiometrischen Modellhydraten (Arzneistoffe) Faktoren erarbeitet, die für die Bildung und die Stabilität dieser Wasseraddukte verantwortlich sind. Der Fokus liegt dabei auf dem Zusammenspiel von strukturellen Aspekten und kinetischerhermodynamischer Stabilität wobei innovative experimentelle Konzepte in Kombination mit computerunterstützten Methoden (ab initio Kristallstrukturvorhersage und Gitterenergie- minimierung) zum Einsatz kommen. Die experimentellen Methoden umfassen u.a. Röntenbeugung, Spektroskopie, Feuchte(de)sorptionsuntersuchungen, Wasseraktivitätsmessungen, Thermoanalyse und isotherme Kalorimetrie. Mit Hilfe einer einzigartigen Kombination aus Experiment und Theorie soll es möglich sein einen besseren Einblick in die bis dato wenig verstandenen Phänomene bei diesen wichtigen Wasseraddukten zu etablieren. Die Forschung ist von hoher Aktualität und die Ergebnisse sollen auch helfen Verarbeitungsprobleme von Arzneistoffen zu vermeiden, die Entwicklungszeit zu verkürzen und letztlich die hohen Qualitätsstandards von Arzneimitteln sicher zu stellen.
Wasser kann auf vielfältigste Weise den Herstellungsprozess und auch die Wirksamkeit von Arzneistoffen beeinflussen. Da der Kontakt mit Wasser/Feuchte bei vielen Verarbeitungsprozessen und bei der Lagerung oft nur schwer vermieden werden kann, ist das Wissen über mögliche Interaktionen (von Arzneistoffen/Hilfsstoffen mit Wasser) sehr wichtig, um die hohen Qualitätsstandards von Arzneimitteln sicher zu stellen. Wasser kann in das Kristallgitter von Stoffen eingebaut werden, entweder als essentieller Strukturbestandteil oder als Lückenfüller. Die entstandene Molekülverbindung wird als Hydrat bezeichnet. Bei der problematischen Gruppe der nicht-stöchiometrischen Hydraten ist der Wassergehalt bei verschiedenen Wasserdampfpartialdrücken (Umgebungsfeuchte) meist stark variabel und das Wasser sitzt meist in Strukturräumen, die es ohne wesentliche Strukturänderung verlassen kann. Dieses mobile Wasser kann unter anderem zu unerwünschten Wechselwirkungen zwischen den Komponenten (Arzneistoffe und Hilfstoffe) in Arzneiprodukten führen und somit die Stabilität und Wirksamkeit eines Arzneimittels beeinträchtigen. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wurde anhand von 30 ausgewählten Modellhydraten (Arzneistoffe) die Faktoren erarbeitet, welche für die Bildung und die Stabilität dieser Wasseraddukte verantwortlich sind. Der Fokus lag dabei auf dem Zusammenspiel von strukturellen Aspekten und kinetischerhermodynamischer Stabilität. Innovative experimentelle Techniken in Kombination und komplementiert mit computerunterstütztenMethoden (abinitioKristallstrukturvorhersagen und Energieberechnungen) kamen zum Einsatz. Die aus diesem Forschungsprojekt hervorgegangen Highlights betreffen insbesondere die Vorhersagbarkeit von nicht-stöchiometrischen Hydraten. Es konnte gezeigt werden, dass intermolekulare Energieberechnungen verwendet werden können um abzuschätzen ob ein Hydrat in die Klasse von nicht-stöchiometrischen Wasseradukten fällt. Des Weiteren können Strukturvorhersagen von Anhydraten (wasserfreie Form) herangezogen werden um abzuschätzen ob eine Verbindung Hydrate bildet, indem die höher-energetisch und weniger dicht gepackten Strukturen auf entsprechende Hohlräume untersucht werden. Dieser Ansatz ist zeitsparender als die Berechnung von Hydratstrukturen. Zum ersten Mal wurden Stabilitätsunterschiede (Enthalpie) zwischen isomorphen Dehydraten (wasserfrei) und nicht- stöchiometrischen Hydraten gemessen. Diese Daten werden sehr dringend benötigt um Hydrate besser modellieren zu können. Die in diesem Forschungsprojekt ausgearbeiteten Strategien sind nicht nur für Hydrate anwendbar, sondern können auch als Grundlage für andere Festkörperklassen (Solvate) dienen.
- Universität Innsbruck - 100%
- Roberto Gobetto, University of Torino - Italien
- Susan M. Reutzel-Edens, Eli Lilly and Company - Vereinigte Staaten von Amerika
- Claire S J Adjiman, Imperial College London - Vereinigtes Königreich
- Sarah L. Price, University College London - Vereinigtes Königreich
- Alastair Florence, University of Strathclyde - Vereinigtes Königreich
Research Output
- 585 Zitationen
- 17 Publikationen
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2019
Titel Dapsone Form V: A Late Appearing Thermodynamic Polymorph of a Pharmaceutical DOI 10.1021/acs.molpharmaceut.9b00419 Typ Journal Article Autor Braun D Journal Molecular Pharmaceutics Seiten 3221-3236 Link Publikation -
2020
Titel The Eight Hydrates of Strychnine Sulfate DOI 10.1021/acs.cgd.0c00777 Typ Journal Article Autor Braun D Journal Crystal Growth & Design Seiten 6069-6083 Link Publikation -
2023
Titel Predicting crystal form stability under real-world conditions DOI 10.1038/s41586-023-06587-3 Typ Journal Article Autor Firaha D Journal Nature Seiten 324-328 Link Publikation -
2016
Titel The Hydrogen Bonded Structures of Two 5-Bromobarbituric Acids and Analysis of Unequal C5–X and C5–X' Bond Lengths (X = X' = F, Cl, Br or Me) in 5,5-Disubstituted Barbituric Acids DOI 10.3390/cryst6040047 Typ Journal Article Autor Gelbrich T Journal Crystals Seiten 47 Link Publikation -
2016
Titel Computational and Experimental Characterization of Five Crystal Forms of Thymine: Packing Polymorphism, Polytypism/Disorder, and Stoichiometric 0.8-Hydrate DOI 10.1021/acs.cgd.6b00459 Typ Journal Article Autor Braun D Journal Crystal Growth & Design Seiten 3480-3496 Link Publikation -
2016
Titel Why Do Hydrates (Solvates) Form in Small Neutral Organic Molecules? Exploring the Crystal Form Landscapes of the Alkaloids Brucine and Strychnine DOI 10.1021/acs.cgd.6b01078 Typ Journal Article Autor Braun D Journal Crystal Growth & Design Seiten 6405-6418 Link Publikation -
2016
Titel Stoichiometric and Nonstoichiometric Hydrates of Brucine DOI 10.1021/acs.cgd.6b01231 Typ Journal Article Autor Braun D Journal Crystal Growth & Design Seiten 6111-6121 Link Publikation -
2016
Titel Can computed crystal energy landscapes help understand pharmaceutical solids? DOI 10.1039/c6cc00721j Typ Journal Article Autor Price S Journal Chemical Communications Seiten 7065-7077 Link Publikation -
2018
Titel Supramolecular Organization of Nonstoichiometric Drug Hydrates: Dapsone DOI 10.3389/fchem.2018.00031 Typ Journal Article Autor Braun D Journal Frontiers in Chemistry Seiten 31 Link Publikation -
2016
Titel Temperature- and moisture-dependent studies on alunogen and the crystal structure of meta-alunogen determined from laboratory powder diffraction data DOI 10.1007/s00269-016-0840-7 Typ Journal Article Autor Kahlenberg V Journal Physics and Chemistry of Minerals Seiten 95-107 Link Publikation -
2016
Titel Structural Properties, Order–Disorder Phenomena, and Phase Stability of Orotic Acid Crystal Forms DOI 10.1021/acs.molpharmaceut.5b00856 Typ Journal Article Autor Braun D Journal Molecular Pharmaceutics Seiten 1012-1029 Link Publikation -
2017
Titel Unraveling Complexity in the Solid Form Screening of a Pharmaceutical Salt: Why so Many Forms? Why so Few? DOI 10.1021/acs.cgd.7b00842 Typ Journal Article Autor Braun D Journal Crystal Growth & Design Seiten 5349-5365 Link Publikation -
2017
Titel Molecular Level Understanding of the Reversible Phase Transformation between Forms III and II of Dapsone DOI 10.1021/acs.cgd.7b01089 Typ Journal Article Autor Braun D Journal Crystal Growth & Design Seiten 5054-5060 Link Publikation -
2017
Titel Experimental and Computational Hydrate Screening: Cytosine, 5-Flucytosine, and Their Solid Solution DOI 10.1021/acs.cgd.7b00664 Typ Journal Article Autor Braun D Journal Crystal Growth & Design Seiten 4347-4364 Link Publikation -
2017
Titel Prediction and experimental validation of solid solutions and isopolymorphs of cytosine/5-flucytosine DOI 10.1039/c7ce00939a Typ Journal Article Autor Braun D Journal CrystEngComm Seiten 3566-3572 Link Publikation -
2017
Titel New Insights into Solid Form Stability and Hydrate Formation: o-Phenanthroline HCl and Neocuproine HCl DOI 10.3390/molecules22122238 Typ Journal Article Autor Braun D Journal Molecules Seiten 2238 Link Publikation -
2017
Titel Understanding the role of water in 1,10-phenanthroline monohydrate DOI 10.1039/c7ce01371j Typ Journal Article Autor Braun D Journal CrystEngComm Seiten 6133-6145 Link Publikation