Wissenschaftsdisziplinen
Andere Geisteswissenschaften (40%); Geschichte, Archäologie (30%); Kunstwissenschaften (30%)
Keywords
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Cultural History,
Austrofascism,
Los Vieneses,
National Socialism,
Austrian Cabaret Artists,
Franco Regime
1942 machte in Barcelona eine Wiener Revue-Kompanie mit spektakulären Bühnenshows von sich reden, und ihre Mitglieder avancierten unter dem Namen Los Vieneses bald zu den erfolgreichsten Unterhaltungsstars der spanischen Nachkriegszeit. Wer aber waren diese Vieneses? Der Regisseur, Produzent und Kabarettautor Artur Kaps (Wien 1908 Barcelona 1974) und der Komiker Franz Joham (Graz 1907 Barcelona 1991) hatten sich in der Wiener Kabarettszene der Zwischenkriegszeit kennengelernt. Kaps zeichnete als Koautor von (Wiener) Liedklassikern wie Wenn der Herrgott net will und Wie gehts Ihnen, Herr Fröhlich? mitverantwortlich und schrieb mit Fritz Grünbaum mehrere Revuen. Kaps und Joham arbeiteten mit zahlreichen v.a. jüdischen Größen des Wiener Kabaretts, darunter Franz Engel, Armin Berg, Karl Farkas, Hans Moser, Josma Selim, Ralph Benatzky, Hermann Leopoldi, Fritz Wiesenthal und Hans Moser. 1934 gründeten die beiden ihre eigene Kompanie und unternahmen bis 1942 u.a. für die NS- Organisation Kraft durch Freude Tourneen durch Deutschland, die Schweiz, Italien, die besetzten Niederlande bis nach Paris. Ab 1942 wurde die Kompanie in Spanien dank der Vielfalt ihres Repertoires, das gänzlich in der Tradition des jüdischen Wiener Kabaretts stand, der elegant-opulenten Bühnenbilder und der künstlerischen Perfektion des Ensembles als Los Vieneses immens populär. Sie traten vor Franco auf und pflegten beste Kontakte zu den spanischen Eliten. US-amerikanische Militärakten deuten darauf hin, dass die Vieneses auch als Informant*innen des deutschen Geheimdienstes Abwehr arbeiteten. 1943 stieß die Vedette Herta Frankel (Wien 1913 Barcelona 1996) zur Kompanie. Später trat Kaps Lebensgefährtin auch als Marionettenspielerin auf und avancierte zu einer der wenigen berühmten Marionettistinnen Europas im 20. Jahrhundert. Anfang der 1960er Jahre übernahmen Kaps, Joham und Frankel im spanischen Staatsfernsehen TVE entscheidende Funktionen: Kaps als Produzent und Regisseur, Joham als Moderator und Komiker. In ihren Live-Musikshows waren internationalen Stars wie Marlene Dietrich, Duke Ellington, Juliette Greco, Chet Baker, Charles Aznavour, Josephine Baker, Sammy Davis Jr. zu Gast. Frankel gestaltete die ersten Kinderprogramme von TVE. 1985 gründete sie die Compaña de Marionetas Herta Frankel, die in Barcelona bis heute besteht. Die Erinnerung an Los Vieneses gestaltet sich in Spanien widersprüchlich: als legendäre Revue- und TV-Stars, als jüdische Flüchtlinge, als Nazi-Spion*innen. In Österreich sind Kaps, Joham und ihr Ensemble sowie der über sie erfolgte Kulturtransfer gänzlich in Vergessenheit geraten. Bewusstsein dafür zu schaffen, dass jüdische Wiener Kabarettkultur der Zwischenkriegszeit ab 1942 in Spanien mehr als 30 Jahre lang das Revuetheater und das beginnende Fernsehen aber auch eine ganze Generation junger Theater- und Fernsehschaffender wesentlich beeinflusste und somit einen wichtigen Beitrag zur Kulturgeschichte Spaniens in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts leistete, ist ein zentrales Anliegen dieser Publikation.
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