Georgij Efron. Tagebücher Bd. 1 (1940-41) Komm. Ausgabe
Georgij Efron. Vol. 1 (1940-41) Annotated Edition
Wissenschaftsdisziplinen
Geschichte, Archäologie (30%); Soziologie (20%); Sprach- und Literaturwissenschaften (50%)
Keywords
-
Life and death of the poet Marina Tsvetaeva,
Diaries of her son,
15 /16 years old,
Daily life in Soviet Union on the brink of WWII,
French acculturation of Russian immigrants,
Stalinist repression of family members,
Outstanding historical document
Die Tagebücher von Georgij Sergeevic Efron sind die Aufzeichnungen des hochbegabten Sohnes der Dichterin Marina Cvetaeva (18921941) und Enkels des Begründers des Puschkin-Museums für Bildende Kunst in Moskau. Die Tagebücher, entstanden zwischen April 1940 und August 1943, wurden erst im Jahre 2004 in Russland veröffentlicht, das Echo auf die Publikation war groß. Bei der deutschsprachigen Übersetzung der teilweise auf Französisch verfassten Tagebücher von Gertraud Marinelli-König handelt es sich um eine wissenschaftliche Edition. Das Werk von Marina Cvetaeva zählt zum Größten der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts, sie gilt als eine der weltweit bedeutendsten Lyrikerinnen. Ihr Sohn Georgij Sergeevic Efron (19251944) wuchs in Frankreich auf, wohin seine Eltern ins Exil gegangen waren. Da der Vater, Sergej Jakovlevic Efron (18931941), 1937 verdächtigt wurde, an der spektakulären Ermordung eines ranghohen sowjetischen Geheimdienstagenten beteiligt gewesen zu sein, musste er Frankreich fluchtartig verlassen und kehrte in die Sowjetunion zurück. Marina Cvetaeva folgte ihm mit ihrem Sohn im Frühjahr 1939 nach. Am 27. August wird die Schwester Alja verhaftet, die schon zuvor in die UdSSR zurückgekehrt war, am 10. Oktober der Vater. Das Tagebuch beginnt mit dem 4. April 1940. Murr, so der Kosename von G. S. Efron, beschreibt, wie seine Mutter sie beide mehr schlecht als recht mit Übersetzungsarbeiten über die Runden bringt. Ihr größtes Problem ist immer wieder das Finden einer Unterkunft; zahlreiche Umzüge und mehrmalige Schulwechsel sind die Folge. Neben Einblicken in das sowjetische Schulsystem vermitteln die Tagebücher ein intimes Zeugnis über die Persönlichkeit der Dichterin Marina Cvetaeva und über die literarischen Kreise, in denen sie verkehrte. Dem Tagebuch wird die Sorge um die verhafteten Familienmitglieder anvertraut, über deren Schicksal keine Auskunft zu bekommen ist. Die Familie weiß auch nicht, wessen sie beschuldigt wird. Ohne Urteilsspruch wird die Schwester schließlich nach Sibirien deportiert. Der Vater wird zum Tode verurteilt, wovon in den Tagebüchern nicht explizit berichtet wird. Der junge Efron ist ein leidenschaftlicher Leser, seine Begeisterung gilt der französischen Literatur und der Musik, der Klassik und dem Jazz. Er ist zeichnerisch sehr begabt. Brennend interessiert er sich auch für die Weltpolitik, vor allem für Hitlers Krieg in Europa. Am 23. Juni 1941 berichtet der Tagebucheintrag über die Ansprache von Volkskommissar Molotov zum Überfall auf die Sowjetunion. Der erste Teil der Tagebücher endet im August 1941, als sich Georgijs Mutter nach der Evakuierung aus Moskau und der Unmöglichkeit, Arbeit zu finden, um sich und ihren Sohn zu ernähren, das Leben nimmt.