Ödön von Horváth: Ein Sklavenball / Pompej
Ödön von Horváth: Ein Sklavenball / Pompej
Wissenschaftsdisziplinen
Medien- und Kommunikationswissenschaften (10%); Sprach- und Literaturwissenschaften (90%)
Keywords
-
Ödön von Horváth,
Complete Works,
Genetic Textual Criticism,
Austrian Literature 1918-1938,
Critical Edition
Die Posse Ein Sklavenball mit Gesang und Tanz und die daraus entwickelte Komödie Pom- peji (beide 1937) sind die beiden letzten vollendeten Dramen Ödön von Horvths. Angesie- delt vor dem Hintergrund des antiken Pompejis kurz vor seiner Zerstörung, behandeln beide Stücke in unterschiedlicher Ausgestaltung die Auseinandersetzung von Sklaven mit ihren Herren an Hand einer Liebesgeschichte zwischen dem Sklaven Toxilus und der Hetäre Lemniselenis, für die sich Horvth vor allem von der Komödie Persa des römischen Dichters T. M. Plautus inspirieren ließ. Vor allem Pompeji nahm im Schaffen des Autors eine beson- dere Stellung ein, da er das Stück als Teil seiner Komödie des Menschen hervorhob, einem unvollendeten Zyklus, der die Menschheitsgeschichte angesichts der Umbruchserfahrungen von Faschismus und Exil dramatisch reflektieren sollte. Obwohl Zeitgenossen und frühe Kri- tiker Pompeji als reifste Arbeit Horvths würdigten, teilte sowohl die Theaterrezeption als auch die literaturwissenschaftliche Forschung diese Einschätzung lange Zeit nicht. Ein Skla- venball wie Pompeji gehören zu den am wenigsten beforschten und am seltensten aufge- führten Stücken des Spätwerks. Der verwaisten Stellung beider Stücke gegenüber steht die immense Fülle an werkgeneti- schem Material. Das überlieferte Konvolut gehört zu den reichhaltigsten im gesamten Nach- lass des Autors und offenbart eine höchst komplexe Entstehungsgeschichte. Horvth erweist sich bei seiner schriftstellerischen Arbeit als eminent moderner Autor, der seine Texte nicht Fassung für Fassung neu schreibt, sondern bereits bestehendes Material überarbeitet, zer- schneidet und neu arrangiert. Dadurch entstehen umfängliche Textmontagen, deren Zurich- tung eine minutiöse Rekonstruktion textgenetischer Abläufe erlaubt. Die historisch-kritisch verfahrende Wiener Ausgabe sämtlicher Werke Ödön von Horvths macht diese Zusam- menhänge und die daraus resultierenden Wegmarken der Werkgenese erstmals anschaulich und im Detail nachvollziehbar. Damit löst sie die in der Forschung zu Ödön von Horvth wie- derholt erhobene Forderung nach einer zeitgemäßen und auf der Grundlage historisch- kritischer Kriterien erstellten Edition ein und macht darüber hinaus dem zunehmenden Inte- resse der neugermanistischen Forschung an Aspekten der Textgenese wie des Schreibaktes neue Forschungsmaterialien zugänglich. Wie auch die bisher erschienen Bände der Wiener Ausgabe, ist der vorliegende Band in drei Abschnitte untergliedert. Ein ausführliches Vorwort informiert über die Gegebenheiten der Überlieferungslage sowie der Entstehungsgeschichte und gibt eine konzentrierte Darstellung der Werkgenese sowie der zeitgenössischen wie aktuellen Rezeption. Den Hauptteil des Bandes bildet der Abschnitt Lesetext, der eine nach Konzeptionen unterteilte Transkription der überlieferten Werkmaterialien von den ersten Entwürfen bis hin zu den Endfassungen in chronologischer Reihenfolge bietet. Hierfür kommen zwei unterschiedliche Verfahren zur Anwendung. Textausarbeitungen, die eine lineare Lektüre zulassen, werden als linearer Text konstituiert, der von einem kritischen Apparat begleitet wird. Dieser verzeichnet sämtliche Änderungen des Autors am dargestellten Material sowie allfällige Eingriffe der Herausgeber. Lässt sich die Topografie einer bestimmten Textausarbeitung nicht linear auflösen, wird das Material faksimiliert und mit einer diplomatischen Umschrift versehen, die als Orientierungs- hilfe die Lektüre erleichtern soll. Im Abschnitt Kommentar werden in einem chronologischen Verzeichnis sämtliche Textträger beschrieben und die Einordnung der daraus konstituierten Entwürfe und Textstufen in die Werkgenese in Einzelkommentaren argumentiert. Darüber hinaus befinden sich in diesem Abschnitt Simulationsgrafiken, die einen anschaulichen Nachvollzug der umfangreichen Textmontagearbeiten Horvths ermöglichen. Den Abschluss des Bandes bildet ein Anhang, der die dem Band zu Grunde liegenden Editionsprinzipien, das Zeicheninstrumentarium sowie die verwendete Literatur ausweist. Darüber hinaus legt die Edition von Ein Sklavenball / Pompeji einen besonderen Schwerpunkt auf die intertextu- ellen Spuren, die Horvths Lektüre der Komödien des Plautus hinterlassen hat. Die teilweise wortwörtlich aus der zeitgenössischen Übersetzung Ludwig Gurlitts (1920/22) übernomme- nen Passagen sind in einer separaten Auflistung verzeichnet und mittels entsprechender Sigle im Lesetext sowie im Kommentar kenntlich gemacht.