Die Evolution von Mimikry bei Camponotus lateralis

Unter dem Begriff Mimikry versteht man das Imitieren charakteristischer Merkmale einer Art (des Modells) durch eine andere (den Imitator). Die Evolution von Mimikry gilt seit Darwins Lebzeiten als wichtiger Teil der Theorie der Natürlichen Selektion. Viele Insekten- und Spinnenarten betreiben Ameisenmimikry, sie imitieren also in ihrer Form oder Färbung Ameisen. Daher halten Fressfeinde sie für Ameisen und meiden sie. Es gibt nur wenige Fälle in denen Ameisen andere Ameisenarten imitieren. Die im Mittelmeerraum lebende auffällig rot gefärbte Rossameisenart Camponotus lateralis imitiert vermutlich Rotkopfameisen (Crematogaster scutellaris) farblich. Diese nicht näher miteinander verwandten Ameisenarten nutzen oft die gleichen Ameisenstraßen und ähneln einander so sehr, dass auch Experten sie schon verwechselt haben. Die Mimikry der roten Rossameisen wurde zwar schon im 19. Jahrhundert vage postuliert, bis heute gibt es aber keine ausreichenden experimentellen Beweise zu entsprechenden Hypothesen. In dieser multidisziplinären Studie sollen acht Voraussagen zur mutmaßlichen Mimikry der roten Rossameisen experimentell getestet werden. Bei meinen Vorversuchen fraß eine Eidechse rote und schwarze Rossameisen zunächst gleich häufig. Aber nach Erfahrung mit ungenießbaren Rotkopfameisen fraß die Eidechse schwarze Rossameisen statistisch öfter als rote, was auf einen evolutionären Vorteil der Mimikry hindeutet. Meinen Beobachtungen zufolge imitieren rote Rossameisen der Apenninenhalbinsel eine anders gefärbte Rotkopfameisenart als jene der Balkanhalbinsel. Diese Hypothese soll mittels Spektrometriemessungen objektiv getestet werden. Auch die Fressexperimente mit Eidechsen müssen mit einer entsprechend hohen Versuchszahl wiederholt werden, um zu testen ob die Mimikry einen evolutionären Vorteil bietet. Zusätzlich ist der Versuchsaufbau so konzipiert, dass ein möglicher Vorteil der Farbvarianten der roten Rossameisen der Apenninen- und der Balkanhalbinsel sowie ein möglicher Nachteil für die Rotkopfameisen durch die Mimikry getestet werden kann. Der Nachteil für die Rotkopfameisen ist aufgrund von Signalverwässerung durch Mimikry zu erwarten. Molekulargenetische Methoden sollen zeigen, ob sich die roten Rossameisen bevorzugt mit Individuen der gleichen regionalen Farbvariante fortpflanzen; damit könnte die Produktion von farblichen Zwischenformen, die also zu keiner Rotkopfameisen-Modellart passen, eingespart werden. Weiters sollen molekulargenetische Stammbäume der Rossameisen und der Rotkopfameisen erstellt werden, die das Testen von Vorhersagen zur zeitlichen Abfolge des Erwerbes des Spurfolgeverhaltens, der Rotfärbung und der Artaufspaltung erlauben. Diese detaillierte Untersuchung der Mimikry bei Ameisen wird Zoologen weltweit neue Erkenntnisse liefern und lässt auf spektakuläre Ergebnisse für die Evolutionsbiologie hoffen.