Verändert Lichtverschmutzung mütterliches Investment?

Licht bestimmt den Lebensrhythmus nahezu aller Organismen. Jedoch wird der natürliche Tag- und Nacht Zyklus zunehmend durch die rasant ansteigende Zahl künstlicher Lichtquellen verzerrt, mit teils dramatischen Folgen. Erst in den letzten Jahrzehnten wurden die Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf die Physiologie, das Verhalten und die Gesundheit von Lebewesen erforscht und dadurch erkannt. Besonders während der frühen Entwicklungsstadien, zum Beispiel während der Embryonalentwicklung oder unmittelbar nach der Geburt, sind viele Lebewesen sensibel gegenüber den Einflüssen aus ihrer der Umwelt. Dabei ist ein physiologischer Vorgang besonders interessant: die "frühe mütterliche Investition" (Early Maternal Investment, EMI). Diese beschreibt wie Mütter die Weitergabe bestimmter Nährstoffe oder Hormone an den Embryo in Abhängigkeit von ihrem Gesundheits- oder Ernährungsstatus, oder bestimmter Umweltbedingungen regulieren. So können Weibchen vieler Arten ihren Nachwuchs, über deren genetische Merkmale hinaus, auf die Gegebenheiten (z.B. die Anwesenheit von Fressfeinden) in ihrer Umwelt vorbereiten. Bisher ist es noch nicht bekannt wie Lichtverschmutzung diesen Prozess während der Trächtigkeit oder der Eiablage beeinflusst. In diesem Projekt wollen wir die Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf die Fortpflanzungsstrategie, insbesondere die EMI, und schlussendlich den Fortpflanzungserfolg, bei Haussperlingen untersuchen. Im Gegensatz zu Säugetieren besteht bei Vögeln nach der Eiablage kein Austausch mehr zwischen der Mutter und Embryo/Fötus, daher ist das Vogelei ein ideales Modell um dieser Fragestellung nachzugehen. Der Haussperling ist besonders für unsere Studie geeignet, da dieser weltweit in städtischen Gebieten anzutreffen ist und eine außergewöhnlich hohe Anpassungsfähigkeit besitzt. In einer Reihe von Experimenten werden wir zunächst untersuchen, wie und ob Lichtverschmutzung die Physiologie der Mutter verändert, da diese die EMI und das elterliche Verhalten steuert. Dazu werden wir die Vögel in großen Außenvolieren unter unterschiedlichen Lichtverhältnissen brüten lassen und unter anderem Lichtverschmutzung, wie sie in vielen Städten anzutreffen ist, simulieren. Wir werden regelmäßig den Hormonhaushalt der Mutter kontrollieren und später die hormonellen Komponenten in Eidotter und Eiweiß bestimmen. In weiteren Versuchen werden wir testen ob es einen sensiblen Zeitraum für lichtverschmutzungsinduzierte Veränderungen bei Jungtieren gibt und welche Rolle die EMI dabei spielt. Dazu wird die Entwicklung (z.B. Wachstum, Physiologie) und das Verhalten der Jungtiere bis ins Erwachsenenalter dokumentiert. Da Wirbeltiere in ihrer Physiologie viele Überschneidungspunkte haben sind die Ergebnisse unserer Studie auf andere Arten anwendbar und werden neue und wichtige Erkenntnisse liefern, die sowohl für die Grundlagenforschung als auch den Naturschutz von Bedeutung sind.