Von physikalischer Modellierung zu Klavierbau
From Physical Modeling to Piano Making
Wissenschaftsdisziplinen
Physik, Astronomie (100%)
Keywords
-
Piano acoustics,
Measurements,
Physical modeling,
Quality and evolution of piano tones,
Nomerical simulations
Seit etwa zwanzig Jahren wurden physikalische Modelle verwendet, um Musikinstrumente zu simulieren. Die Methode besteht in der Lösung der Gleichungen, die die Bewegung der konstitutiven Teile der Instrumente beschreiben, mit Hilfe geeigneter numerischer Methoden. Die Ergebnisse dieser Gleichungen erhalten wir in Form von Audiodateien, die über Lautsprecheranlagen zu hören sind. Die Qualität der so synthetisierten Tönen ist abhängig von der Genauigkeit des Modells. Der Hauptvorteil von Simulationen auf der Basis physikalischer Modelle im Vergleich zu anderen Tools (Sampling, Signalverarbeitung) liegt in den direkten Verbindungen zwischen den erzeugten Klängen und den geometrischen bzw. Materialeigenschaften des modellierten Instruments. Als Konsequenz wird es nun denkbar, die Klangqualität des geplanten Instruments schon vor seiner Fertigstellung vorherzusagen. Im Falle des Klaviers ergeben die neuesten Simulationen insgesamt sehr realistische Klänge, trotz einiger deutlichen Einschränkungen, die besonders für die tiefsten Töne im Bassbereich hörbar sind. Darüber hinaus zeigen die simulierte Klaviertöne im Vergleich zu realen Tönen ein monotones Ausklingverhalten. Für historische Hammerflügel ist es darüber hinaus notwendig, die physikalische Beschreibung der drei Hauptregister (Bass, Mittellage, Diskant) zu verfeinern, da jedes seinen eigenen Charakter besitzt. Von diesen Beobachtungen werden drei Hauptthemen in vorliegenden Projekt untersucht werden, die mit der Modellierung der Resonanzboden, Saiten und Schallfeld verbunden sind. Die Funktion des Resonanzbodens in der Charakterisierung der Pianoforte-Register kommt daher, dass nur ein beschränkter Teil vibriert, im jeweiligen Register mit ganz spezifischen modalen Frequenzen. Das Ziel des Projektes ist deshalb, diese modale Verteilung mit hochauflösenden spektralen Methoden zu studieren. Für die Saitenbewegung werden wir die neuesten verfügbaren Ergebnisse benutzen, die mit der nicht-planaren Bewegung der Klaviersaiten verbunden sind. Damit wollen wir den komplexen Ausklang der Klaviertöne erklären und reproduzieren. Schließlich werden Experimente über das Schallfeld eines Klaviers im reflexionsarmen Raum des Institut für Wiener Klangstil (IWK) an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (MDW) durchgeführt. Ein Schwerpunkt wird auf die Funktion des Deckels und über die Wirkung des Bodens, besonders im Bassbereich, gestellt. Zusätzlich wird eine originale Korrelationsmethode benutzt, um zu bestimmen, welche Elemente des Klaviers die optimale Schallstrahler des Instruments in den einzelnen Frequenzbereichen sind. Aus den Ergebnissen dieser Studien sind so deutliche Verbesserungen des physikalischen Klaviermodells zu erwarten, dass es als Richtlinie im Klavierbau verwendet werden kann. Die wesentliche Originalität des Projektes liegt darin, fortschrittliche experimentelle Studien mit numerischen Simulationen zu kombinieren, unter Verwendung eines Klaviermodelles, in dem Saiten, Resonanzboden und Schallfeld miteinander gekoppelt sind.
Dieses Projekt (Vom Computermodell zum Klavierbau: FPM2) ist die Verlängerung eines zweijährigen ehemaligen FWF-Projektes aus dem Lise-Meitner Programm (M 1653: Predictive Approach in Piano Acoustics (PAPA)), das vom selben Projektleiter durchgeführt wurde. Beide Projekte fanden am Institut für Musikalische Akustik (IWK) der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien statt. Das wichtigste Ziel des ursprünglichen PAPA Projektes war die Entwicklung von effizienten Computermodellen für Klaviere. Ein Hauptaugenmerk wurde dabei auf Wiener Klaviere aus dem neunzehnten Jahrhundert gelegt. Als Fortsetzung dieses Vorgängerprojektes hatte das neue FPM2 Projekt zwei wichtige Ziele. Erstens die weitere Verbesserung der Klaviersimulationen und zweitens die Durchführung von Experimenten, um die bestehenden Modelle um neue Funktionen ergänzen zu können. Die dahinterstehende Vision waren Computermodelle und simulierte Klänge von ausreichender Qualität, um im Klavierbau nützlich zu sein.In Zusammenarbeit mit INRIA Bordeaux (Frankreich) gelang es in einem ersten Schritt, die numerischen Simulationsmodelle für Klaviere entscheidend zu verbessern. Dadurch wurde es möglich, Resonanzböden mit fein abgestufter Holzdicke zu simulieren und das Schallfeld in größerer Entfernung vom Klavier zu berechnen. In einer Zusammenarbeit mit ENSTA ParisTech (Frankreich) konnten weitere Fortschritte bei der Modellierung der Kopplung von Saiten und Steg erzielt werden, was den zeitlichen Verlauf der berechneten Klaviertöne realistischer machte. In diesem Bereich wird auch derzeit noch weitergearbeitet. Es wurden systematische Versuchsreihen durchgeführt, um den Einfluss bestimmter Parameter der Saiten, der Saiten-Steg-Kopplung, der Abmessungen und des Materials von Resonanzböden sowie der Beschaffenheit der Umgebung (Reflektoren, Wände, Klavierdeckel, Hohlräume) auf den berechneten Klang zu testen.Der Hörtest zur Wahrnehmbarkeit von Klangunterschieden verschiedener Klaviertöne, der schon im Rahmen des PAPA Projektes durchgeführt worden war, wurde statistisch ausgewertet. Es ergaben sich signifikante Korrelationen zwischen Klaviereigenschaften und subjektiven Einschätzungen der Klangbeispiele durch die Versuchspersonen. Es wurde auch eine weitere Messreihe durchgeführt, um die Auswirkungen der Saiten-Anordnung auf die Klangqualität der Klaviere zu studieren. Dabei ergab sich, dass die von den Klavierbauern des neunzehnten Jahrhunderts bevorzugte parallele Anordnung der Saiten zu einem deutlich unterscheidbaren Klang der drei Hauptregister, also dem tiefen, mittleren und hohen Register, führte.Schließlich wurde ein wesentlicher Teil der Arbeitszeit auch für die Verbreitung und Präsentation der Ergebnisse bei nationalen und internationalen Konferenzen und Symposien, Veröffentlichung von Artikeln in rezensierten wissenschaftlichen Fachzeitschriften aufgewendet. Eine bedeutende Veranstaltung war die Organisation des "Piano-Day", der im Rahmen des MDW-Festivals im Oktober 2016 stattfand. Dabei kamen Musiker und Musikerinnen, Klavierbauer, Klavierstimmer, sowie Amateurpianisten und -pianistinnen zusammen, um sich der Geschichte dieses Instruments zu widmen.
- Benjamin Cotte, ENSTA-ParisTech - Frankreich
- Cyril Touze, ENSTA-ParisTech - Frankreich
- Jin Jack Tan, ENSTA-ParisTech - Frankreich
- Patrick Joly, Institut National de Recherche en Informatique et Automatique (INRIA) - Frankreich
- Juliette Chabassier, University of Bordeaux - Frankreich
- Marc Durufle, University of Bordeaux - Frankreich
Research Output
- 25 Zitationen
- 5 Publikationen
-
2016
Titel Reconstruction of piano hammer force from string velocity DOI 10.1121/1.4965965 Typ Journal Article Autor Chaigne A Journal The Journal of the Acoustical Society of America Seiten 3504-3517 Link Publikation -
2017
Titel Meten van Klankverschillen in Klassieke piano's (in Dutch). Typ Journal Article Autor Kohlrausch A Et Al Journal Nederlands Tijdschrift vorr Natuurkunde -
2017
Titel The making of pianos: a historical view. Typ Journal Article Autor Chaigne A Journal Musique et technique -
2019
Titel Similarity of piano tones: A psychoacoustical and sound analysis study DOI 10.1016/j.apacoust.2019.01.017 Typ Journal Article Autor Chaigne A Journal Applied Acoustics Seiten 46-58 -
2018
Titel Operational transfer path analysis of a piano DOI 10.1016/j.apacoust.2018.05.008 Typ Journal Article Autor Tan J Journal Applied Acoustics Seiten 39-47