Kooperation für Inklusion in Bildungsübergängen

Der Übergang von SEK I (Pflichtschule) in SEK II (allgemein bildende mittlere und höhere Schulen sowie berufsbildende mittlere und höhere Schulen) oder in Beschäftigung stellt für Jugendliche mit Behinderung eine große Herausforderung dar. Insbesondere für Jugendliche mit Behinderung aus sozio-kulturell benachteiligten Familiengestalten sichinklusive Bildungs- und Beschäftigungsprozesse nach der Pflichtschule besonders schwierig. Ein häufiger Grund dafür liegt in der fehlenden oder geringen Kooperation bereits in der Pflichtschulzeit zwischen Professionellen, Schüler_innen mit Behinderung und Eltern. Innerhalb des pädagogischen Diskurses wird partizipative Kooperation als Schlüssel einer inklusiven Bildung betrachtet. Voraussetzung dafür ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteur_innen (Lehrpersonen, Bildungs- und Berufsberater_innen, Unterstützer_innen), die den individuellen Bedürfnissen und Situationen der Jugendlichen mit Behinderung und deren Eltern/Familien angepasst wird. Bislang hat sich die österreichische Forschungslandschaft dem Thema der partizipativen Kooperation nicht zugewandt, insbesondere nicht unter dem Diversitätsaspekt. Auch in den Wissenschaftszweigen der Special Needs and Inclusive Education und benachbarter Wissenschaftsdisziplinen lassen sich bislang keine umfassenden Antworten finden. Das Forschungsprojekt ist auf eine längsschnittliche Betrachtung partizipativer Kooperation im Übergangsplanungsprozess von SEK I in SEK II oder Beschäftigung bei Jugendlichen mit Behinderung ausgerichtet und der explorativen Grundlagenforschung zuzuordnen. Die Kernfragestellung Welche Kooperationserfahrungen machen Schüler_innen mit Behinderung und Eltern/Familien mit Professionellen im Übergang von SEK I in SEK II oder Beschäftigung? soll mit qualitativen Forschungsmethoden (narrative Interviews, teilnehmende Beobachtung) sowie ergänzend mit einer bundesweiten quantitativen Elternbefragung (N = 400) beantwortet werden. Die Zielsetzung des Forschungsprojekts ist, sowohl die Erfahrungen der Schüler_innen mit Behinderung als auch jener der Eltern unter Diversitätsgesichtspunkten in der Kooperation mit Professionellen (Lehrpersonen,Bildungs- undBerufsberater_innen, Unterstützer_innen)im Übergangsplanungsprozess zu erforschen und zu rekonstruieren. Anhand von Fallanalysen (20 Jugendliche, 20 Eltern) soll untersucht werden, wie die einzelnen Akteur_innen miteinander kooperieren. Es geht hierbei einerseits darum, den Übergangsplanungsprozess in seinen Kooperationshandlungen und -beziehungen zu explorieren und zu typisieren sowie andererseits die im Übergangsplanungsprozess dokumentierten Ausgangsgutachten und -empfehlungen in je konkreten Einzelfällen zu analysieren und die Bildungsentscheidungen zu typisieren und zu rekonstruieren. Damit sollen Mechanismen sozialer Ungleichheit im Übergangsplanungsprozess identifiziert werden, die über gegebene bzw. fehlende Kooperationshandlungen und -beziehungen zu bestimmten Bildungs- und Berufsempfehlungen führen.

"Kooperation für Inklusion in Bildungsübergängen" Das mehrjährige FWF-Projekt "Kooperation für Inklusion in Bildungsübergängen" hat die partizipativen Kooperationserfahrungen von Jugendlichen mit Behinderung und deren Eltern mit Professionellen am Übergang von Sekundarstufe (SEK) I in SEK II oder Beschäftigung untersucht. Ausgangspunkt für das Projekt waren Forschungsbefunde, die auf die hohe Relevanz von Kooperation für einerseits einen gelingenden Übergang und andererseits Unterstützungsmaßnahmen am Übergang hinweisen. Partizipative Kooperation meint dabei den Einbezug und die Teilhabe aller am Übergang beteiligten Personen (Jugendliche mit Behinderung, Eltern, Professionelle) in die Übergangsberatung wie auch die Forschung darüber. Grundlage für die Datenerhebung war ein qualitatives Längsschnittdesign gerahmt von der konstruktivistischen Grounded Theory (Charmaz 2014). In einem sich wiederholenden qualitativen Forschungszirkel wurden Jugendliche mit Behinderung, deren Eltern zunächst befragt (intensive interviewing). Daran anschließend haben einige Teilnehmer*innen zusätzlich an sog. Reflecting Teams, reflektierende Arbeitsgruppen, teilgenommen. Die zentrale Fragestellung des Projekts nach den Kooperationserfahrungen im Übergangsplanungsprozess impliziert eine partizipative Auslegung der Projektkonzeption. In den Reflecting Teams konnten die Teilnehmer*innen (Jugendliche mit Behinderung, Eltern, Professionelle) als Ko-Forschende eingebunden werden, deren Perspektiven in der Folge erhoben und miteinander verschränkt werden. Als Ergebnis eines aufwendigen Feldzugangs mit breitem Sampling konnte ein Sample bestehend aus 18 Fällen konzipiert werden: 8 Fälle gehören zum schulischen Sample (erstes Interview am Ende der SEK I) und 10 Fälle zählen zum außerschulischen Sample (erstes Interview während außerschulischer Maßnahme zur beruflichen Orientierung, Nachreifung, Bildung). Durch dieses Sample konnten die Kooperationserfahrungen sowohl am Übergang in die SEK II als auch in die Ausbildung/Beschäftigung untersucht werden. Die Analyse des umfangreichen Datenmaterials lässt darauf schließen, dass partizipative Kooperationserfahrungen nicht spontan und ungeplant stattfindet, sondern in formalisierten Settings. Auffällig ist, dass vor allem in außerschulischen Kontexten (Unterstützungs-/Beratungseinrichtungen) positive Kooperationserfahrungen gemacht werden. Zumeist findet hier jedoch keine "klassische" (partizipative) Kooperation im Dreieck statt, da neben Jugendlichen, Eltern und Professionellen weitere wichtige familiäre Bezugspersonen eingebunden werden. Der Einbezug von weiteren Personen, der Blick auf die Stärken der Jugendlichen mit Behinderung sowie das über Reden hinausgehende Handeln der einzelnen Kooperationsakteur*innen wird dabei positiv hervorgehoben. Die allgemeinen Erfahrungen zu Kooperation widerspiegeln sich zudem in den Methoden des Projekts, wenn zwischen Kooperation im Zweiersetting (schulischer Kontext, Interview) und Kooperation in der Gruppe (außerschulischer Kontext, Reflecting Team) differenziert wird.