Compliance in Rechnungslegung und Besteuerung

In jüngerer Zeit ist ein enormer Anstieg der Regulierungsintensität der Rechnungslegung, Wirtschaftsprüfung, Corporate Governance und des Enforcement zu verzeichnen. Das Ziel ist, die Qualität der Finanzberichterstattung zu steigern und das Vertrauen der Anleger in diese nach den zahlreichen Unternehmensskandalen der vergangenen Jahre wieder zu stärken. Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei der Bekämpfung von Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und aggressiver Steuerplanung zu beobachten. Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance in diesen Bereichen sind auf internationaler wie nationaler Ebene ein omnipräsentes Thema, werden jedoch anscheinend unabhängig voneinander verfolgt. Dieses Projekt hat das Ziel, die Effizienz dieser Entwicklungen zu untersuchen und Verbesserungsvorschläge aus ökonomischer und rechtlicher Sicht zu machen. Ansatzpunkt ist die Tatsache, dass die Grundinformationen sowohl für die Ermittlung der Steuerschuld als auch für die Finanzberichterstattung einer gemeinsamen rechtlichen und organisatorischen Basis entstammen, nämlich dem Rechnungswesen des Unternehmens. Die Umsetzung der angesprochenen Maßnahmen liegt sowohl auf Ebene der Finanzberichterstattung als auch auf Ebene der Steuererhebung in der Verantwortung unterschiedlicher nationaler Institutionen. Diese weisen bei einer näheren Betrachtung zahlreiche Parallelen sowohl in ihrer Organisation als auch allgemein hinsichtlich der Struktur der Verfahren, in deren Rahmen sie tätig werden, auf. Die Interdependenzen dieser Kontrollinstitutionen wurden bisher noch wenig erforscht. Compliance ist im Kern eine rechtliche Querschnittsmaterie, welche die Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher und sonstiger Regelungen im Fokus hat. Insbesondere im Bereich der Organisation der Compliance in Unternehmen sowie deren Überwachung durch staatliche Kontrollinstanzen ergeben sich jedoch zahlreiche relevante Fragestellungen. Eine rein rechtswissenschaftliche ebenso wie eine rein betriebswirtschaftliche Aufarbeitung der Thematik ist nicht ausreichend. Aus diesem Grund werden im Rahmen dieses interdisziplinären Projektes sowohl betriebswirtschaftliche als auch rechtswissenschaftliche Forschungsmethoden eingesetzt und kombiniert, um Compliance Mechanismen im Abgabenverfahren und der Rechnungslegung zu untersuchen und Synergie- und Effizienzsteigerungspotentiale zu analysieren. Spezifische Forschungsfragen des Projekts sind: (i) Das Zusammenwirken von Wirtschaftsprüfung und Enforcement der Finanzberichterstattung sowie der Qualitätskontrolle der Wirtschaftsprüfung durch die dafür vorgesehenen Aufsichtsorgane und deren Auswirkungen auf eine qualitativ hochwertige Finanzberichterstattung; (ii) potenzielle Anreizwirkungen kooperativer Tax Compliance Mechanismen (zB Horizontal Monitoring), welche mit bestehenden hierarchischen Compliance Mechanismen im Abgabenverfahren verglichen und auf eine potentielle Interaktion hin überprüft werden; (iii) Anreizwirkungen der Pre-Clearance sowohl im Rechnungslegungs-Enforcement als auch bei der Überprüfung der Einhaltung von Steuervorschriften, einschließlich der grenzüberschreitenden Steuerfestsetzung; und (iv) die Einbeziehung Dritter in die Veranlagung und Erhebung von Steuern sowie damit zusammenhängende Anreizwirkungen, haftungsrechtliche Aspekte und Effizienzanalysen.

Die Durchsetzung von Vorschriften zur Rechnungslegung und Besteuerung hat in den letzten Jahren sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene erheblich zugenommen. Zahlreiche Maßnahmen wurden durch spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche, Bilanzskandale und Steuervermeidungsfälle ausgelöst. Während die einzelnen Maßnahmen isoliert betrachtet durchaus zweckmäßig erscheinen, ist die Frage offen, ob der Gesetzesvollzug insgesamt verbessert wird. So könnten zwingende gesetzliche Regelungen zur Rechnungslegung freiwillige Prüfungsanstrengungen verdrängen. Verstärkte punktuelle Betriebsprüfungsaktivitäten könnten weniger effektiv sein als eine begleitende Kontrolle. Dieses Projekt untersucht ausgewählte Maßnahmen zur Durchsetzung von Rechnungslegungs- und Besteuerungsvorschriften und beurteilt die Prozesse und Institutionen zu ihrer Durchsetzung aus interdisziplinärer - juristischer und ökonomischer - Perspektive. Dazu werden die rechtlichen Rahmenbedingungen dieser Maßnahmen analysiert und theoretische und empirische Methoden angewandt, um Einsichten in die ökonomische Wirkungsweise verfahrensrechtlicher oder institutioneller Änderungen zu gewinnen. Zentrale Ergebnisse des Projekts sind: * Stärkere Managementanreize zu Manipulation verschlechtern grundsätzlich die Rechnungslegungsqualität und erhöhen die Kapitalkosten. Allerdings bewirken sie auch, dass Abschlussprüfer die Prüfungsqualität steigern. Dieser Effekt kann die Auswirkung stärkerer Managementanreize überkompensieren und die Kapitalkosten reduzieren. * Höhere Unternehmenssteuern können die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat verringern. Da Überwachung und Wirtschaftsprüfung substitutiv wirken, können Steuererhöhungen Prüfungsanreize und letztlich die Anreize des Managements zur Einhaltung der Regeln beeinflussen. * Eine höhere Betriebsprüfungsintensität kann zur Deklaration von zu viel Einkommen führen, wenn kein hinreichend starker Rechtsschutz besteht. Besserer Rechtsschutz erhöht die Präzision der Betriebsprüfung, die Auswirkung auf Steuerhinterziehung hängt jedoch von der Höhe der Strafen und anderen Parametern ab. * Mehrere Staaten führten in den letzten Jahren kooperative Formen der Steuererhebung en. Ob diese einen effizienten und effektiven Beitrag zum gesetzeskonformen Verhalten der Akteure und zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung leisten, hängt von der Art der Steuerunsicherheit, der Aufdeckungswahrscheinlichkeit und eventuellen Strafen ab.