Ödön von Horvath: Wiener Ausgabe (analog/digital)

Die Wiener Ausgabe sämtlicher Werke Ödön von Horvths (1901-1938) ist eine historisch-kritische Edition. In achtzehn Bänden umfasst sie alle abgeschlossenen und Fragment gebliebenen Werke des Autors sowie alle Notizbücher, Briefe und Lebensdokumente. Der literatur- und theaterwissenschaftlichen Forschung bietet die Wiener Ausgabe die seit langem geforderte, vollständige und gesicherte Text- und Quellenbasis eines der wichtigsten und populärsten Vertreters der literarischen Moderne. Im Rahmen zweier FWF-Projekte werden bis Herbst 2015 die ersten zehn Bände der Ausgabe im Druck erschienen sein und zwei weitere Bände in Form von Einreichmanuskripten vorliegen. Das gegenständliche Projekt hat die Erarbeitung der restlichen sechs Bände durch das bewährte Herausgeberteam und den Abschluss der Ausgabe zum Inhalt. Darüber hinaus werden die emendierten Endfassungen aller Werke Horvths der Forschung in einer nach TEI P5 digital ausgezeichneten Form frei zur Verfügung gestellt. Der Verlag de Gruyter publiziert die Bände der Wiener Ausgabe in Buchform und als eBook. In den Fällen, in denen seitens des FWF für ausgewählte Einzelbände eine Publikationsförderung gewährt wird (erstmals beantragt und genehmigt für den Band Ein Sklavenball/Pompeji), werden solche Bände insgesamt als Open-Access-Publikation angeboten. Für die noch ausstehenden Bände der Ausgabe werden entsprechende Folgeanträge eingebracht. Die Wiener Ausgabe findet nicht nur in der literaturwissenschaftlichen Forschung, sondern auch im Bereich der zeitgenössischen Theaterpraxis große Resonanz. In einer weithin wahrgenommenen Inszenierung von Kasimir und Karoline am Residenztheater München im Herbst 2011 bezog sich beispielsweise Frank Castorf zentral auf die neue Edition und stellte den dort nachvollziehbar gemachten Produktionsprozess des Textes auf die Bühne. Die Arbeit an der Wiener Ausgabe wird durch zahlreiche Vermittlungsaktivitäten gerahmt: Leseausgaben der wichtigsten Werke Horvths erscheinen bei Reclam (gegenwärtig projektiert: Sportmärchen und Glaube Liebe Hoffnung), in Lehrveranstaltungen an germanistischen und theaterwissenschaftlichen Instituten werden Studentinnen und Studenten an die Bände herangeführt und im Rahmen von Workshops und Symposien arrivierte Forscherinnen und Forscher sowie der studentische Nachwuchs ermutigt, sich mit der werkgenetischen Edition und den von ihr neu begründeten Interpretationsmöglichkeiten am Werk Ödön von Horvths auseinanderzusetzen.

Ödön von Horvth (1901-1938) gilt als ein Klassiker der Moderne. Seine Romane wie Prosatexte erfreuen sich beim Lesepublikum anhaltender Beliebtheit und seine Stücke entfalten bis heute unverminderte Bühnenwirkung. Innerhalb der literaturwissenschaftlichen Forschung, die sich mit Horvth seit Jahrzehnten intensiv und unter den verschiedensten Aspekten beschäftigt, ist wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, der Auseinandersetzung mit seinem Werk und seiner Biografie eine verlässliche Text- und Quellenbasis zu geben. Das am Franz-Nabl-Institut der Universität Graz durchgeführte Projekt "Ödön von Horvth: Wiener Ausgabe (analog/digital)" hat die in vorangehenden Projekten begonnene Erarbeitung der historisch-kritischen, sogenannten "Wiener" Ausgabe sämtlicher Werke Ödön von Horvths fortgesetzt, die diese Forderung einlöst. Im gegenständlichen Projekt wurden fünf weitere Bände der auf 19 (zuvor 18) Bände ausgelegten Ausgabe vorgelegt, ein weiterer Band befindet sich in unmittelbarer Vorbereitung. Zu den bestehenden Bänden der Wiener Ausgabe sind hinzugekommen: Sladek / Italienische Nacht (Bd. 2, 2016), Sportmärchen, Kurzprosa und Werkprojekte Prosa (Bd. 13, 2017), Frühe Dramen (Bd. 1, 2019, einschließlich des erst 2015 wiederentdeckten Frühwerks Niemand), Himmelwärts / Mit dem Kopf durch die Wand (Bd. 7, 2020) und Glaube Liebe Hoffnung (Bd. 5, 2020). Damit liegen insgesamt 15 Bände der Wiener Ausgabe vor. Im Druck befindet sich der Band Fragmente und Werkprojekte Drama. Die historische-kritische Edition Horvths erscheint seit 2009 in dem renommierten Berliner Verlag de Gruyter und zählt zu den größten derzeit laufenden Editionsprojekten zur modernen deutschsprachigen Literatur. Die Ausgabe legt einen besonderen Akzent auf die Darstellung der Textentstehung und schärft damit den Blick auf die Produktionsweise einiger der wirkmächtigsten Texte der deutschsprachigen Literatur. Horvth war ein eminenter "Papierarbeiter", der seine Texte oft neu konzipiert, in großen Teilen umgeschrieben und an den Materialien intensiv geschnitten und geklebt hat. Zur Darstellung der komplexen werkgenetischen Vorgänge verwendet die Wiener Ausgabe Faksimiles, einen leicht verständlichen kritischen Apparat sowie verschiedene grafische Darstellungsformen ("Simulationsgrafiken"). Darüber hinaus wurde in Kooperation mit dem Zentrum für Informationsmodellierung (ZIM) der Universität Graz eine webbasierte digitale Edition von Geschichten aus dem Wiener Wald auf der Grundlage der historisch-kritischen Edition entwickelt. Diese ist gemeinsam mit dem XML-basierten, auf dem etablierten Standard TEI P5 beruhenden Datenmodell frei zugänglich womit unabhängige Analysen und Forschungsansätze ermöglicht werden. Die digitale Edition bietet neue Zugänge zu Horvths berühmtesten Stück im neuen Paradigma der Digitalen Geisteswissenschaften. Verschiedene digitale Tools erlauben, gezielt bestimmte Aspekte des Textes hervorzuheben und ermöglichen die Erstellung von Figurennetzwerken für Netzwerkanalyse.