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"Trading Cultures." Eine Ethnografie vom Handelsmessen für TV, Musik und Bücher.

Trading Cultures. An ethnography of trade fairs for TV programs, music and books.

Andreas Gebesmair (ORCID: 0000-0002-0531-7811)
  • Grant-DOI 10.55776/P27426
  • Förderprogramm Einzelprojekte
  • Status beendet
  • Projektbeginn 01.03.2015
  • Projektende 31.12.2019
  • Bewilligungssumme 281.459 €
  • Projekt-Website

Wissenschaftsdisziplinen

Andere Geisteswissenschaften (10%); Medien- und Kommunikationswissenschaften (10%); Soziologie (70%); Wirtschaftswissenschaften (10%)

Keywords

    Globalization, Book publishing, Musik industry, New Institutionalism, TV industry, Field Theory

Abstract Endbericht

Die globalen Warenströme von kulturellen Gütern und deren Nutzung in regionalen Kontexten wurden von Medien- und KommunikationswissenschaftlerInnen bereits umfassend dokumentiert. Aber die kulturellen Güter gelangen nicht von alleine in die Märkte. Sie werden auf ganz bestimmte Weise von sogenannten Intermediären bewertet, ausgewählt und ans nationale Publikum vermarktet. Während unser Wissen über globale Warenströmen und den lokalen Adaptionen recht gut entwickelt ist, wissen wir über die Leute, die mit Kultur handeln, relativ wenig. Was sind ihre Selektionskriterien, welches Verständnis haben sie von Märkten und Vermarktungsstrategien, woher beziehen sie Informationen über neue Trends und wie werden diese übernommen? Anknüpfend an Einsichten des Neo- Institutionalismus und der Feldtheorie nehmen wir an, dass die Verkaufs- und Kaufentscheidungen der kulturellen Intermediäre auf geteilten Überzeugungen, Routinen und Regeln beruhen, d.h. auf einer unhinterfragten Kultur des Handels, die in organisationalen Felder global diffundiert. Das Projekt zielt auf eine ethnografische Beschreibung dieser Kultur des Handels in drei unterschiedlichen Kulturindustrien ab: in der Fernsehprogrammierung, dem Musikvertrieb und dem Buchverlagswesen. Obwohl sich diese drei Industrien in ihren ökonomischen Eigenschaften deutlich unterscheiden, erwarten wir gewisse Ähnlichkeiten hinsichtlich der Art, wie die Leute in diesen Industrien ihr Geschäft begreifen, wie sie die kulturellen Güter bewerten und Geschäftsroutinen adaptieren. Es formiert sich folglich, so die Annahme, eine crossmediale globale Kultur des Handels, die letztlich die globalen Warenströme kultureller Güter kanalisiert. Handelsmessen erfüllen bei der Formierung und Verbreitung dieser Kultur eine zentrale Funktion. Neben ihrem Hauptzweck, Verkäufer und Käufer aus aller Welt zusammenzubringen und den Abschluss von Verträgen zu erleichtern, vermuten wir, dass Messen den Leuten in der Industrie auch dazu dienen, ihre beruflichen Identitäten zu bekräftigen, ihre Bewertungskriterien zu verfeinern und etwas über neuen Geschäftsroutinen zu erfahren. Sie finden Antworten auf Fragen wie: Worum geht es in diesem Geschäft überhaupt, wie können wir gute von schlechten Produkten unterscheiden und welche Geschäftspraktiken sind angemessen? Am Beispiel von drei Handelsmessen (der Fernsehprogrammmesse MIPCOM, der Musikmesse midem und der Frankfurter Buchmesse) soll die kulturelle Basis des globalen Handels mit kulturellen Gütern deutlich gemacht werden.

Internationale Handelsmessen spielen im Wirtschaftsleben eine wichtige Rolle: Auf Messen informieren sich Unternehmen über Trends in der Branche, Dienstleistungen und das Angebot der Konkurrenz, sie bieten ihnen die Möglichkeit, ihre Produkte auszustellen und die Reputation des Unternehmens zu stärken, sie sind ein Forum für den Aufbau und die Pflege von Netzwerken und natürlich auch für die Anbahnung und den Abschluss von Geschäften. Aus einer soziologischen Perspektive betrachtet, dienen Messen aber auch dazu, sich als Branche darzustellen, ein Image in die Öffentlichkeit zu transportieren und sich einer gemeinsamen Identität zu vergewissern. Sie sind ein Ort, an dem man das ideale Selbstverständnis einer Branche, soziologisch ausgedrückt, ihre symbolischen Repräsentationen studieren kann. Wir haben in dem Projekt "Trading Cultures" sechs sogenannte Content Messen untersucht, also Messen wie etwa die Frankfurter Buchmesse oder die TV-Messe MIPCOM in Cannes, auf denen Lizenzen für kulturelle Produkte wie Bücher, Filme oder Musik gehandelt werden. Dabei bedienten wir uns der ethnografischen Methode, d.h. wir sind so wie Anthropologen in fremde Kulturen in die Kultur des internationalen Content-Handels eingetaucht. Mittels teilnehmender Beobachtung, qualitativen Interviews und anhand des auf den Messen verfügbaren Materials (wie etwa Programmen, Katalogen und Werbeartikel) versuchten wir etwas über das Selbstverständnis, die impliziten, oftmals wenig reflektierten Praktiken dieser Branche herauszubekommen. Wir identifizierten fünf unterschiedliche Arten, wie sich diese Branchen, die üblicherweise unter den Begriff Kulturindustrie subsummiert werden, präsentieren: als idealisierte Form des Business, als Kunst um der Kunst willen, als Innovation und Technologie, als Unterhaltung und als öffentlicher Raum. Interessant ist dabei, dass diese Identitäten zwar teilweise durchaus im Widerspruch zueinander stehen, auf der Messen aber als gleichberechtigte Identitäten der Kulturindustrie zu beobachten waren. Das steht im Widerspruch zur einer zentralen Annahme in der Kulturindustrieforschung insbesondere in der Tradition des französischen Kultursoziologen Pierre Bourdieu, der zufolge auf Feldern wie eben auch in der Kulturindustrie immer auch um die legitime Definition des Feldes (oder der Branche) gestritten wird. Wir betrachten hingegen die unterschiedlichen symbolischen Repräsentationen auf Messen als Bestandteile eines kulturellen Werkzeugkastens, aus dem die Beschäftigten in der Branche je nach Situation Rechtfertigungen ihres Handelns auswählen, um ihre Interessen durchzusetzen. So zeigt sich etwa, dass große Konzerne wie Google und Amazon sich, je nach Kontext, ebenso wie kleine Nischenanbieter als Förderer der Kunst präsentieren und umgekehrt kleine Unternehmen sich derselben Businesssprache bedienen wie große Konzerne, um als legitime Vertreter ihrer Branche betrachtet zu werden. Daran ist zu erkennen, wie flexibel symbolische Repräsentationen im Wirtschaftsleben eingesetzt wird.

Forschungsstätte(n)
  • FH St. Pölten - 100%
Internationale Projektbeteiligte
  • Sarah Baker, Griffith University - Australien
  • Susanne Janssen, Erasmus University - Niederlande
  • Paul J. Dimaggio, Princeton University - Vereinigte Staaten von Amerika
  • Keith Negus, Goldsmiths University of London - Vereinigtes Königreich
  • David Hesmondhalgh, University of Leeds - Vereinigtes Königreich

Research Output

  • 4 Zitationen
  • 2 Publikationen
  • 1 Weitere Förderungen
Publikationen
  • 2022
    Titel Symbolic representations of cultural industries at content trade fairs: Bourdieu's “economic world reversed” revisited
    DOI 10.1016/j.poetic.2021.101614
    Typ Journal Article
    Autor Gebesmair A
    Journal Poetics
    Seiten 101614
    Link Publikation
  • 2022
    Titel Interaction Rituals at Content Trade Fairs: A Microfoundation of Cultural Markets
    DOI 10.1177/08912416221113370
    Typ Journal Article
    Autor Gebesmair A
    Journal Journal of Contemporary Ethnography
    Seiten 317-343
    Link Publikation
Weitere Förderungen
  • 2016
    Titel Inside Trading Cultures
    Typ Other
    Förderbeginn 2016

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