Fragmente des älteren Nyaya
Fragments of the Early Nyaya School of Philosophy
Wissenschaftsdisziplinen
Mathematik (10%); Philosophie, Ethik, Religion (90%)
Keywords
-
South Asian Studies,
History of Indian Philosophy,
Indian Logic,
Dialectics,
Epistemology,
Database of Fragments
Der ältere Nyaya, eines der sechs orthodoxen Systeme brahmanischer Philosophie, ist zum größten Teil nur durch die vier klassischen Kommentare zu dem die Schule begründenden Text, dem Nyayasutra, dokumentiert. Dieser Grundtext der Schule wird dem mythologischen Weisen Akshapada (? 2. Jh. n. Chr.) zugeschrieben und ist wahrscheinlich in der uns überlieferten Form, von anonymen Autoren redigiert, um 400 n. Chr. fertig gestellt worden. In der Zeit nach dem ersten Kommentar Pakshilasvamins (5. Jh. n.Chr.), dem Nyayabhashya, bis zum Ende des ersten Jahrtausends muss es eine große Menge an anderen Werken und Kommentaren gegeben haben, die uns nicht erhalten sind. Wir wissen, dass beispielsweise das Nyayabhashya von frühen Vertretern der Schule mehrfach kommentiert worden ist, von denen entweder nur ihre Namen, Werktitel oder aber auch Fragmente erhalten sind. Die kritische Bearbeitung und Analyse dieser Fragmente und Doxographien ist insbesonders deshalb von großer Bedeutung, weil die überlieferten Quellen der uns erhaltenen Kommentatorentradition zum Nyayasutra oft nur indirekt die entscheidenden Entwicklungen des Systems dokumentieren. Grundlegende Gedanken der Schule sind oft mit jenen Autoren verbunden, die uns nicht erhalten sind, wobei besondere Bedeutung auch den in verschiedensten Werken der Gegner des Systems überlieferten Zitaten zukommt. So zitiert etwa Dharmakirti (600- 660) in den polemischen Teilen seines Vadanyaya hauptsächlich Autoren, die nicht aus dem überlieferten Kommentatorenkorpus der Nyaya-Literatur stammen, ebenso wie dies sein Kommentator Shantarakshita tut. Wenn darüber hinaus Jayantabhatta als Vertreter des Nyaya im neunten Jahrhundert zwei Traditionslinien als wesentliche Quellen seiner Arbeit benutzt, die sich nicht direkt auf die beiden Werke der überlieferten Kommentatoren Pakshilasvamin und Uddyotakara zurückführen lassen, so kann man die Bedeutung der verlorenen Autoren für das Verständnis der Geschichte der philosophischen Entwicklung des Nyaya vor Jayantabhatta erkennen. Vorrangiges Anliegen des Projektes ist daher ein erster Versuch eine umfassende Sammlung und Analyse der Fragmente des Nyaya vor Dharmakirti zu erstellen (die reine Sammlung soll sich auch auf die Fragmente nach Dharmakirti erstrecken). Ziel des Projektes ist der Versuch, durch die umfassende Darstellung der Fragmente und Doxographien der Schule, einen wesentlichen Beitrag zur Geschichte des älteren Nyaya und damit zur indischen Philosophiegeschichte als solche zu leisten. Darüber hinaus könnte eine derartige Sammlung des fragmentarischen Materials auch allgemeine Fragen der Chronologie nicht nur des Nyaya, sondern auch jener Autoren anderer Traditionen liefern, die sich mit diesem Gedankengut auseinandergesetzt haben.
Ziel des Projektes war es, einen ersten Versuch zu unternehmen, Textfragmente und Para-phrasen des Nyaya sowie Andeutungen auf solche, hauptsächlich für die Zeit vor Dharmakirti (600-660 n. Chr.), möglichst umfassend zu sammeln und zu analysieren. Die Ergebnisse der Projektarbeit geben nun erstmals einen Überblick der für die Geschichte der Philosophie des Nyaya sehr bedeutenden Fragmente. Die in der Primärliteratur neu entdeckten Fragmente, aber auch die bereits in der Sekundärliteratur bearbeiteten, wurden in einer eigens für diesen Zweck gestalteten Datenbank gespeichert. Diese ermöglicht nicht nur Abfragen bezüglich Autorennamen, Werktiteln, Schulen, Zitierformen, zitierten Sanskrittexten, Quellen, Textvarianten, Übersetzungen, Stichwörtern usw., sondern macht auch das gesammelte Material über das Internet der internationalen wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich. Die Sammlung der Zitate, Paraphrasen etc. in der Datenbank umfasst derzeit ca. 380 Einträge, die die oben genannten Parameter dokumentieren. Neben anonymen oder nicht zuordenbaren Zitaten "verlorener" Werke, umfasst die Datenbank Fragmente von 29 Autoren der Schule des Nyaya und der Carvaka sowie anderes Fragmentmaterial der frühen indischen Philosophie. Die Datenbank wurde fortlaufend an die sich aus dem Textmaterial ergebenden Anforderungen angepasst bzw. erweitert. Beispielsweise wurde die Datenbank durch eine mit den Daten verknüpften Bibliographie der Primär- und Sekundärliteratur zur indischen Philosophie erweitert sowie um thematisch damit in Zusammenhang stehende Einträge ergänzt (insgesamt ca. 9000 Einträge). Derzeit haben 38 internationale Wissenschaftler Zugang zur Datenbank. Um eine umfassende Sammlung der Fragmente der indischen Philosophie zu verwirklichen, wurde ein Nachfolgeprojekt mit dem Titel "Fragmente der indischen Philosophie" ausgearbeitet, das vom FWF (P24160) im Dezember 2012 bewilligt wurde. Im Zusammen-hang mit den verschiedenen internationalen Kooperationen wurde gemeinsam mit der Tokyo University ein "Joint Seminar" (Japan-Österreich) mit dem Titel "Transmission and Tradition. The Meaning and Role of `Fragments` in Indian Philosophy" organisiert, dessen Finanzierung vom FWF (AJS349) und der Japan Society for the Promotion of Science bewilligt wurde. Die Konferenz unter internationaler Beteiligung wird an der Shinshu University, Matsumoto, im August 2012 stattfinden. Ein Artikel über das Projekt wurde für das breite Publikum im österreichischen Journal Universum (November 2011, p. 96) publiziert.
- Hideyo Oawa, Hiroshima University - Japan
- Hiroshi Marui, The University of Tokyo - Japan