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Der Wiener Kongress und die politische Presse

The Congress of Vienna and the political press

Brigitte Mazohl (ORCID: 0000-0003-2650-543X)
  • Grant-DOI 10.55776/P20725
  • Förderprogramm Einzelprojekte
  • Status beendet
  • Projektbeginn 01.07.2008
  • Projektende 28.02.2013
  • Bewilligungssumme 177.871 €
  • Projekt-Website

Wissenschaftsdisziplinen

Geschichte, Archäologie (100%)

Keywords

    Wiener Kongress, Presse, Öffentlichkeit, Pressepolitik, Kulturgeschichte der Politik, Politische Kommunikation

Abstract Endbericht

Der Wiener Kongress ist eines der historischen Großereignisse des 19. Jahrhundert. Der in der österreichischen Residenzstadt in den Jahren 1814 und 1815 unternommene Versuch zu einer europäischen Friedensordnung, die Sicherheit und Stabilität garantieren sollte, ist in unseren Tagen eines zusammenwachsenden Europas wieder von besonderer Aktualität. Angesichts dieser Tatsache und des herannahenden Jubiläumsjahres soll die Forschung um eine ganz neue Facette bereichert und die Darstellung des Kongresses vor der Wiener Öffentlichkeit zum Thema gemacht werden. Diese ist am deutlichsten greifbar in der Berichterstattung der politischen Presse, über die sowohl politische Entscheidungen, als auch das Rahmenprogramm kommuniziert wurden. Während die bisherige Forschung davon ausging, dass die beiden einzigen politischen Zeitungen der Residenzstadt, der Österreichische Beobachter und die Wiener Zeitung, lediglich der Unterhaltung und Ablenkung der Bevölkerung dienten, soll hier die These aufgestellt werden, dass die Blätter durchaus als Medien politischer Kommunikation anzusehen sind: Sie boten zu einem Zeitpunkt, als die Bedeutung der öffentlichen Meinung längst erkannt war, die Möglichkeit zur Information und Beeinflussung ihrer Leser - gerade auch durch scheinbar banale Schilderungen von Festlichkeiten. Wie weit diese Möglichkeit genutzt wurde, wo ihre Grenzen lagen und wie vor diesem Hintergrund die Rolle der Zeitungen im Kommunikationsprozess zwischen Regierung und politischer Öffentlichkeit zu verstehen ist, soll durch eine detaillierte inhaltliche Analyse der Kongressberichterstattung der beiden Wiener Blätter ermittelt werden. Als drittes Presseorgan gilt es zudem die Augsburger Allgemeine Zeitung mit einzubeziehen, die trotz ihrer bayerischen Provenienz in Österreich zugelassen war und vergleichsweise großen Absatz fand, so dass ihre Auswertung für ein umfassendes Bild der dem Wiener Leser zur Verfügung gestellten Informationen unerlässlich ist. Das Projekt will allerdings die politische Presse nicht lediglich als Spiegel der Ereignisse betrachten und sich auf die Wiedergabe der geschilderten Fakten beschränken. Vielmehr soll die vergleichende Analyse von Inhalt und Art und Weise der Berichterstattung der drei Zeitungen, die auch formale und quantitative Kriterien mit einbezieht, zum einen auf einer breiten Darstellung der Pressepolitik der österreichischen Regierung aufbauen können: Es gilt, Strategien gegenüber den inländischen Blättern und der Zensurpraxis allgemein herauszuarbeiten und theoretische Reflexionen der zentralen Akteure - allen voran Friedrich Gentz und Metternich - zum Themenfeld Presse zu berücksichtigen, um so diesbezügliche Prinzipien, Motive und Konzepte offenbar zu machen. Zweitens soll auch den Rezipienten so weit als möglich nahe gekommen werden, um Reichweite und Aufnahme der Zeitungen zu eruieren. Nur auf dieser Basis lassen sich die Form der Umsetzung der staatlichen Ziele in den Zeitungen überprüfen und der politische Gehalt von Information wie Nicht-Information bestimmen. So können Chancen und Versäumnisse zur Integration der lesenden Bevölkerung in das Kongressgeschehen über den Kommunikationsweg Zeitung aufgezeigt und eine lange vernachlässigte Seite des Wiener Kongresses wissenschaftlich aufgearbeitet werden.

Mit diesem Projekt konnten wichtige neue Einsichten in die Geschichte des Wiener Kongresses wie in die Mediengeschichte des frühen 19. Jahrhunderts gewonnen werden. Erforscht wurden die bislang kaum untersuchte Rolle von Zeitungen für die österreichische Regierung und ihre Bürger in den Jahren von 1809 bis 1819 sowie das Verhältnis von Regierung und Öffentlichkeit.Der Balanceakt der Behörden zwischen einem Wandel hin zu einer freiheitlicheren aktiven Pressepolitik als innen- wie außenpolitisch relevanter Maßnahme auf der einen Seite und dem fehlenden Willen, die Untertanen als mündige Bürger zu akzeptieren auf der anderen Seite, wurde in den Forschungen deutlich. Daneben stellte sich der Regierung das Problem, dass alles, was zu lesen erlaubt war, als ihr genehm oder sogar als ihre Position interpretiert wurde. Vor diesem Hintergrund gestalteten sich die Jahre rund um den Wiener Kongress als kontinuierlicher Kampf der österreichischen Regierung um einen erfolgreichen pressepolitischen Kurs.Während des Kongresses wurden angesichts politischer Rücksichten nur wenige Nachrichten über die Verhandlungen herausgegeben, diese hatten aber einen besonders starken Effekt. Gleichzeitig wurden politische Botschaften kontinuierlich über Festberichte vermittelt. Diese transportierten keine Fakten, sondern Faktoren wie Friede, Harmonie oder die Einheit der Verbündeten und stellten Machtstrukturen dar. Im Gegensatz zur bisherigen Sicht, dass die österreichischen Zeitungen nur der Unterhaltung und Ablenkung der Öffentlichkeit dienten, können wir nun beweisen, dass diese als Medien politischer Kommunikation dienten. Die Zeitungen boten ein Forum, um zu informieren (zu dem von den Behörden erwünschten Grad) und die Leser zu beeinflussen. Auf diese Weise gelang es nicht, die ausländischen Zeitungen überflüssig zu machen, wie es die österreichische Regierung ursprünglich intendiert hatte. Aber die ausländische Presse war vielfach auf Gerüchte angewiesen, wenn sie es nicht bei den offiziell erhältlichen Nachrichten belassen wollte.Die Wiederaufnahme eines klassischen Themas wie des Wiener Kongresses im Sinne einer modernen Kulturgeschichte der Politik trug dazu bei, dieses als Forschungsfeld mit hoher aktueller Relevanz in den historischen Wissenschaften, aber auch in Nachbardisziplinen zu etablieren. Zusammen mit zwei anderen FWF-geförderten Projekten gründeten wir den Projektverbund Wiener Kongress, der sich mit seiner Homepage www.wiener-kongress.at der Öffentlichkeit präsentiert und zahlreiche Partner gewinnen konnte. Am Ende der Projektlaufzeit existiert ein starkes internationales Netzwerk, das gemeinsam in die Jubiläumsjahre 2014 und 2015 gehen kann. Zahlreiche dafür geplante Veranstaltungen und Publikationen dienen dem Zweck, neben der Wissenschaft auch ein breites Publikum zu erreichen. Auf diese Weise trägt das Projekt dazu bei, den Wiener Kongress als bedeutendes Thema für das kulturelle Erbe Europas ins Bewusstsein zu heben.

Forschungsstätte(n)
  • Universität Innsbruck - 100%
Nationale Projektbeteiligte
  • Laurence Cole, Universität Salzburg , nationale:r Kooperationspartner:in
Internationale Projektbeteiligte
  • Luise Schorn-Schütte, Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main - Deutschland
  • Gustavo Corni, Università di Trento - Italien

Research Output

  • 10 Publikationen
Publikationen
  • 2010
    Titel Zwischen Reichsverfassung und Staatsabsolutismus. Regieren in Zentrum und Peripherie in den Krisenjahren um 1800.
    Typ Book Chapter
    Autor Bellabarba
  • 2009
    Titel Die Wiener Politik und Tirol in den Jahren 1790-1815.
    Typ Book Chapter
    Autor Abschied Vom Freiheitskampf? Tirol Und '1809' Zwischen Politischer Realität Und Verklärung
  • 2012
    Titel Die Tiroler Erhebung von 1809 und die zeitgenössische Presse in Wien und Innsbruck.
    Typ Book Chapter
    Autor Mazohl B
  • 2010
    Titel Review of: Matthias Schulz, Normen und Praxis. Das Europäische Konzert der Großmächte als Sicherheitsrat 1815-1860, München 2009.
    Typ Journal Article
    Autor Werner Em
    Journal sehepunkte
  • 2010
    Titel Gentz gegen Görres - eine Kontroverse im Kontext der österreichischen Pressepolitik zwischen Wiener Kongress und Karlsbader Beschlüssen.
    Typ Journal Article
    Autor Werner Em
    Journal Leipziger Jahrbuch für Buchgeschichte
  • 2011
    Titel Review of: Michal Chvojka, Josef Graf Sedlnitzky als Präsident der Polizei- und Zensurhofstelle in Wien (1817-1848). Ein Beitrag zur Geschichte der Staatspolizei in der Habsburgermonarchie, Frankfurt a.M./ Berlin/ Bern 2010.
    Typ Journal Article
    Autor Werner Em
    Journal Historische Zeitschrift
  • 2011
    Titel 'Translatio imperii'? Reichsidee und Kaisermythos in der Habsburgermonarchie.
    Typ Journal Article
    Autor Mazohl B
    Journal Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit: Was vom Alten Reiche blieb ...: Deutungen, Institutionen und Bilder des frühneuzeitlichen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im 19. und 20. Jahrhundert. München: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbei
  • 0
    Titel Eliten in Tirol zwischen Ancien Régime und Vormärz.
    Typ Other
    Autor Leonardi A Et Al
  • 0
    Titel Triumph der Provinz. Geschichte und Geschichten 1809 - 2009.
    Typ Other
    Autor Mazohl B
  • 0
    Titel 1809 - und danach? Über die Allgegenwart der Vergangenheit in Tirol.
    Typ Other
    Autor Mazohl B

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