Evolution und Funktionalisierung der Kesselfallen in Araceae
Pollen related with functional optimization of aroid traps?
Wissenschaftsdisziplinen
Biologie (100%)
Keywords
-
Floral Traps (Kettle Traps),
Araceae,
Trap Evolution,
Functionality,
Pollen,
Trapped pollinating insects
Viele Gattungen der Araceae, vor allem in der größten Unterfamilie der Aroideae, weisen funktionell perfekte florale Gleitfallen auf: Insekten werden genau genommen getäuscht, werden üblicherweise durch Düfte angelockt, gleiten in eine Pollinationskammer herab, deponieren ggf. mitgebrachten Pollen, bleiben gefangen bis Pollen von den Antheren ausgeschüttet wird, beladen sich mit diesem Pollen und werden schließlich entlassen. Erste klassische Studien erfolgten bereits 1926 durch Knoll an Arum. Seitdem wurde eine verblüffende Vielfalt morphologischer und funktioneller Baumuster solcher Gleitfallen in der Familie gefunden. Jüngste palynologische und molekulare Daten ließen Evolution und funktionelle Differenzierung der floralen Gleitfallen ("Kesselfallen") bzw. ihrer Vorläuferformen ("Halbfallen") in einem neuen Licht erscheinen. Die Stratifizierung der Pollenwand in den Aroideae unterscheidet sich vielfach grundlegend von der aller anderen Unterfamilien. So etwa die vollständige Abwesenheit von Sporopollenin in der äußeren Pollenwandlage, eine nicht nur auf die höchst entwickelte Unterfamilie Aroideae beschränkte, sondern bei Blütenpflanzen nirgends sonst zu beobachtende Eigenschaft. Dies verlangt jedenfalls eine funktionelle Erklärung. Die Arbeitshypothese des Antragstellers und seiner Kollegen besagt, dass dieses auffallende Fehlen des Sporopollenins korreliert ist mit der Präsenz und der präzisen zeitlichen Abstimmung gewisser hoch entwickelter Fallenmerkmale: die kurze und aufeinander präzise abgestimmte Dauer von Stigmaempfänglichkeit und Pollenreifung ermöglichte den Pflanzen auf die aufwendige Produktion von Sporopollenin und einer komplexen Exine zu verzichten. Detailkenntnisse sind aber auch heute nur spärlich vorhanden, insbesondere was die Abstimmung der Zeitabläufe bei diesen Fallen betrifft. Mangelhaft ist ferner unser Wissen um evolutionäre Aspekte, um die Diversifizierung in Zeit und Raum und um eine funktionelle Vervollkommnung der Fallen, von Vorläuferformen über sog. Halbfallen bis zu den perfekten eigentlichen Kesselfallen. Es ist zwar einfach eine grobe morphologische Reihe zu entwickeln, die evolutionäre Entwicklung verlief zweifelsohne in einer komplexen Bahn, mit vielen Seitenwegen und Sackgassen. Molekulare Studien (und auch palynologische Ergebnisse) erbrachten zwar neue Einblicke in die Verwandtschafts- und Abstammungsverhältnisse jener Taxa mit floralen Fallen, aber die Erkenntnisse bez. Fallenbau und deren funktioneller Entwicklung stehen erst am Anfang. Das vorliegende Projekt zielt auf eine detaillierte Infloreszenzstudie der Araceae ab, wobei der Focus auf den funktionellen und zeitlichen Aspekten der Anthese liegt. Auf jeden Fall sollen weitere Pollenstudien (etwa zu der funktionell offenbar bedeutenden, aber im Detail weitgehend ungeklärten Pollenportionierung) und, soweit nötig, molekulare Analysen an wichtigen Taxa durchgeführt werden. Dies dient vor allem um die oben skizzierte Hypothese zu überprüfen ob bestimmte Polleneigenschaften mit der Infloreszenzentwicklung (Fallenentwicklung), den Infloreszenzfunktionen bzw. dem timing der Anthese tatsächlich korreliert sind. Ziel ist ein detaillierteres Wissen um die Schritte und Prozesse der Evolution, die zu perfekten floralen Araceae-Fallen ("Kesselfallen"), einer der weltweit merkwürdigsten und komplexesten Pflanze-Tier-Interaktionen, geführt haben. Sippenevolution sollen mit Merkmalsevolution und der funktionalen Vervollkommnung korreliert werden.
Ein Ziel der Studie war die Rekonstruktion der Evolution der Kesselfallenblumen bei den Aronstabgewächsen. Es stellte sich heraus, dass Kesselfallen mindestens 10 mal unabhängig voneinander in verschiedenen Unterfamilien entstanden sind. Ein Grund für das häufige Auftreten von Kesselfallen ist der von der Spatha gebildete Kessel, der bereits bei Vorfahren der stammesgeschichtlich älteren Verwandtschaftsgkreise vorhanden war. Sowohl zwischen als auch innerhalb der unterschiedlichen Verwandtschaftskreise lässt sich eine Zunahme der Komplexität im Aufbau der Kesselfallen erkennen. Die mehrfache Entwicklung der Kesselfallen ist mit der Bestäubung durch Fliegen korreliert. Bereits die Vorfahren vieler Fallenblumen waren fliegenbestäubt. Eine mutualistische Beziehung mit Drosophiliden, welche die Blütenstände als Brutplatz benützen, bildete vermutlich ein Vorstadium zur Evolution von Kesselfallen. So gibt es bei der Gattung Colocasia bereits Präadaptionen für Kesselfallenblumen in Form von Spathabewegungen oder mit Papillen ausgestatteten Epidermiszellen. Feldbeobachtungen und Untersuchungen der Spatha-Ultrastruktur zeigen, dass diese epidermalen Papillen bei Colocasia keine Gleitflächen sind, sondern als Duftorgane dienen. Wir schließen daraus, dass derartige Oberflächen einen Vorstufe zur Evolution von Gleitflächen darstellen. Eine Untersuchung der Gleitflächen innerhalb der Gattung Arum zeigte, dass der zugrundeliegende Aufbau der Kesselfallen trotz unterschiedlicher Bestäubertypen sehr einheitlich ist, was auf einen evolutionär stabilen Zustand hindeutet. Unterschiede gibt es aber in der Größe und Form der Gleitflächenpapillen, vermutlich in Anpassung an die körperlichen Eigenschaften der jeweiligen Bestäubergruppen. Dem Pollen des gemeinsamen Vorfahren der Unterfamilie Aroideae fehlte sehr wahrscheinlich eine komplexe, aus Sporopollenin bestehende und dadurch sehr widerstandsfähige äußere Pollenwand (Exine). Es gibt keine Korrelation zwischen Fallen und dem Fehlen des Sporopollenins, da die Aroideae-Fallen sich später entwickelt haben, unabhängig von Besitz oder Fehlen einer aus Sporopollenin bestehenden Exine. Wir fanden, dass beide Pollenmerkmale - sowohl der Typ der Pollenornamentierung als auch der Besitz eines zwei- oder dreizelligen Pollens - mit der systematischen Position innerhalb der Unterfamilie Aroideae und den jeweiligen Bestäubern (Fliegen, Käfern) in Beziehung stehen. Dreizelliger, stacheliger Pollen ist typisch für die abgeleiteten (höheren) Verwandtschaftsgruppen mit Fliegenbestäubung, während zweizelliger, unskulpturierter Pollen typisch ist für die ursprünglicheren (niederen ) Verwandtschaftsgruppen mit Käferbestäubung. Daher sind vermutlich der Typ der Pollenskulptur und die Zahl der Zellen im Pollen sowohl genetisch als auch ökologisch bestimmt.
- Universität Wien - 100%
Research Output
- 267 Zitationen
- 7 Publikationen
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2016
Titel Amorphophallus: New insights into pollen morphology and the chemical nature of the pollen wall DOI 10.1080/00173134.2015.1133699 Typ Journal Article Autor Ulrich S Journal Grana Seiten 1-36 -
2013
Titel The design of trapping devices in pollination traps of the genus Arum (Araceae) is related to insect type DOI 10.1111/boj.12054 Typ Journal Article Autor Bröderbauer D Journal Botanical Journal of the Linnean Society Seiten 385-397 Link Publikation -
2013
Titel Calla palustris (Araceae): New palynological insights with special regard to its controversial systematic position and to closely related genera DOI 10.12705/624.34 Typ Journal Article Autor Ulrich S Journal TAXON Seiten 701-712 Link Publikation -
2013
Titel Adaptations for insect-trapping in brood-site pollinated Colocasia (Araceae) DOI 10.1111/plb.12081 Typ Journal Article Autor Bröderbauer D Journal Plant Biology Seiten 659-668 Link Publikation -
2012
Titel Reconstructing the origin and elaboration of insect-trapping inflorescences in the Araceae DOI 10.3732/ajb.1200274 Typ Journal Article Autor Bröderbauer D Journal American Journal of Botany Seiten 1666-1679 Link Publikation -
2012
Titel Schismatoglottis and Apoballis (Araceae: Schismatoglottideae): A new example for the significance of pollen morphology in Araceae systematics DOI 10.1002/tax.612001 Typ Journal Article Autor Ulrich S Journal TAXON Seiten 281-292 Link Publikation -
2011
Titel Relationships within the Araceae: Comparison of morphological patterns with molecular phylogenies DOI 10.3732/ajb.1000158 Typ Journal Article Autor Cusimano N Journal American Journal of Botany Seiten 654-668 Link Publikation