Soziale Unterstützung als Moderatorvariable
Social Support as a Moderator of Acculturative Stress
Wissenschaftsdisziplinen
Psychologie (100%)
Keywords
-
Psychological Acculturation,
Sponsorship Program,
Acculturative Stress,
Refugees,
Social Support,
Asylum Seekers
2006 beantragten in Österreich über 13 000 Personen politisches Asyl, wobei der Anteil der Personen aus Tschetschenien und Afghanistan besonders groß war. Im Hinblick auf die Akkulturation von Flüchtlingen gibt es wenig organisierte Hilfe (betreffend z. B. Deutschkurse, Arbeitssuche, Schul- und Erziehungsprobleme, Umgang mit Misstrauen und Vorurteilen in der Nachbarschaft etc.). Auf der Grundlage von Berrys Theorie des "Acculturative Stress" sowie Lazarus und Folkman`s transaktionalem Stressmodell wollen wir die Wirksamkeit von Patenschaftsprogrammen als Instrument sozialer Unterstützung bei Flüchtlingen aus Tschetschenien und Afghanistan in Österreich untersuchen. Asylsuchende, von denen zu erwarten ist, dass sie in absehbarer Zeit Asyl gewährt bekommen, sollen ebenfalls berücksichtigt werden. Frühere Studien zur Wirksamkeit von Patenschaftsprogrammen zeitigten uneinheitliche Resultate. Dies deckt sich mit Befunden zu sozialer Unterstützung, wo ebenfalls neben positiven auch negative Effekte dokumentiert sind. Unter Berücksichtigung dieser Befunde erwarten wir, dass die Patenschaften positive Resultate zeigen werden, wenn die PatInnen sorgfältig ausgewählt, ausgebildet und supervidiert werden. Unter solchen professionell einwandfreien Bedingungen wurden Patenschaftsprogramme für Flüchtlinge hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bislang kaum untersucht. Wir erwarten, dass die Patenschaften zu vermehrter Wahrnehmung, Wertschätzung und Inanspruchnahme sozialer Unterstützung führen werden. Wir erwarten auch, dass soziale Unterstützung als Moderatorvariable wirksam werden wird und zu Verbesserungen hinsichtlich kognitiver Kontrolle und Problembewertung sowie zu einer Verminderung von psychologischem und somatischem Stress und zu einer verbesserten psychologischen und soziokulturellen Anpassung führen wird. Wir erwarten auch, dass die Patenschaften zu einer Reduktion von Kontaktdiskrepanz und erlebter Diskriminierung, sowie zu verbesserten Copingstrategien und vermehrter "Integration" als Akkulturationsstrategie beitragen werden. Wir postulieren auch einen "Dosis-Effekt": je mehr soziale Unterstützung wahrgenommen wird, umso ausgeprägter wird der Effekt der Patenschaften auf die abhängigen Variablen sein. Wir wollen diese Hypothesen prüfen, indem wir sechsmonatige Patenschaftsprogramme für insgesamt N = 60 weibliche und männliche erwachsene Flüchtlinge und Asylsuchende aus Tschetschenien und Afghanistan in Österreich einrichten. Die Wirksamkeit der Patenschaft in einer Interventionsgruppe (N = 30) wird gegenüber eine Wartekontrollgruppe (N = 30) geprüft werden, welche die Patenschaft sechs Monate später erhält. Die TeilnehmerInnen werden den beiden Gruppen randomisiert zugeteilt werden und eine Reihe von Fragebögen und halbstrukturierte Interviews vor und nach der Patenschaft, sowie bei Katamnesen drei und sechs Monate nach deren Abschluss erhalten. Die PatInnen werden ehrenamtlich arbeiten und in einer dreimonatigen Eingangsphase intensiv eingeschult werden. Auch werden sie von ExpertInnen in Gesundheits- und (bezüglich Schule und Kindererziehung) Entwicklungspsychologie supervidiert werden. Aus der Studie sollen Empfehlungen an staatliche Behörden sowie an NGOs abgeleitet werden, um wissenschaftlich fundierte Unterstützungsmaßnahmen für Flüchtlinge und Asylsuchende in Österreich anzubieten.
Patenschaften (Dauer sechs Monate) bewirkten deutliche Verbesserungen im psychischen Wohlbefinden von erwachsenen Flüchtlingen und Asylsuchenden. Insgesamt nahmen 63 KlientInnen teil, 27 Frauen und 36 Männer, 42 aus Tschetschenien und 21 aus Afghanistan. Ihr Durchschnittsalter war 33,08 Jahre (zwischen 16 und 58 Jahren). Es beteiligten sich 35 PatInnen, zehn Männer und 25 Frauen. Zur Evaluation verwendeten wir psychologische Fragebögen und Interviews. Die PatInnen wurden über die Massenmedien angeworben und sorgfältig ausgewählt, ausgebildet und supervidiert. Wir bestimmten die Effekte der Patenschaften, indem wir eine erste Gruppe von KlientInnen mit einer Warte- Kontroll-Gruppe verglichen, welche die Patenschaften zeitversetzt sechs Monate später erhielt. Zusätzlich erfolgten Nachkontrollen durch Fragebögen und Interviews, drei und sechs Monate nach Abschluss der Patenschaften. Nur KlientInnen mit ausgeprägten Symptomen von Traumatisierung profitierten von den Patenschaften im Sinne einer deutlichen Verminderung von Angst, Depression und psychischen Problemen. Diese Effekte hielten auch drei und sechs Monate nach Abschluss der Patenschaften an. - Die Patenschaften hatten jedoch keinen substantiellen Effekt auf die Lebensbedingungen der KlientInnen, auf psycho-soziale Aspekte wie das Finden von Arbeit oder auf die Fähigkeiten zur Problembewältigung. Es zeigte sich, dass die PatInnen so gut wie möglich hinsichtlich Alter und Geschlecht mit den KlientInnen übereinstimmen sollten. Überraschend war, dass viele potentielle KlientInnen, nachdem wir ihnen beim Erstkontakt die Idee der Patenschaften erläutert hatten, zögerten, Hilfe von Fremden anzunehmen oder diese gänzlich ablehnten. Als Gründe wurden entweder verletzter Stolz angegeben, oder man vermutete versteckte Motive auf Seiten der PatInnen. Auch nach Beginn der Patenschaften wurden solche Schwierigkeiten insbesondere von tschetschenischen Männern berichtet. Diese Schwierigkeiten sollten im kulturellen Rahmen kollektivistischer Gesellschaften gesehen werden, wo soziale Unterstützung meist von der Großfamilie kommt, während ehrenamtliches Engagement ein Phänomen der westlichen, individualistischen Kultur ist. In anderen Fällen ergaben sich Schwierigkeiten, wenn PatInnen zu rasche Fortschritte erwarteten und die KlientInnen dadurch zu sehr belasteten, in wieder anderen Fällen durch Überbehütung. Während Flüchtlingspatenschaften bislang weltweit angeboten wurden, war über ihre Auswirkungen wenig bekannt. Aus den aktuellen Ergebnissen kann man versuchen, vorherzusagen, in welchen Fällen Patenschaften voraussichtlich wirksam sein und worin ihre Wirkungen bestehen werden. Darüber hinaus ermöglichen es die Ergebnisse, in der Supervision der PatInnen typische "Fallen" im Zuge der Patenschaften zu vermeiden. Die Ergebnisse wurden von PraktikerInnen (z.B. Caritas, Rotes Kreuz/Roter Halbmond) national und international mit großem Interesse aufgenommen.
- Karl Peltzer, University of the North - Südafrika
Research Output
- 34 Zitationen
- 1 Publikationen
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2012
Titel Social support as a moderator of acculturative stress among refugees and asylum seekers DOI 10.2224/sbp.2012.40.1.129 Typ Journal Article Autor Renner W Journal Social Behavior and Personality Seiten 129-146 Link Publikation