Hoffnungen, Hypes und Enttäuschungen: Lehren aus der mobilen Brennstoffzellentechnologie
Hopes, hypes and disappointments: Lessons from mobile fuel cell technology
Wissenschaftsdisziplinen
Politikwissenschaften (20%); Psychologie (20%); Soziologie (40%); Wirtschaftswissenschaften (20%)
Keywords
-
Expectations dynamics,
Actor strategies,
Innovation,
Automotive,
Agenda dynamics,
Fuel cells
Erwartungen können einen entscheidenden Einfluss auf die Geschwindigkeit und die Richtung des technologischen Wandels ausüben. Sie leiten strategische Entscheidungen von Akteuren, sie dienen zur Legitimierung der Allokation von Ressourcen, sie motivieren Akteure sich in neuen Innovations-feldern zu engagieren, und sie tragen zur Koordination von heterogenen Akteursgruppen bei. Erwar-tungen und hierbei insbesondere kollektive Erwartungen in Bezug auf innovative Technologien zeigen häufig eine beeindruckende Dynamik. Ein typisches Beispiel sind "hype-disappointment cycles": Er-wartungen werden weithin geteilt und steigern sich, können dann aber plötzlich zusammenbrechen. In dem vorgeschlagenen Projekt wollen wir derartige Mechanismen für den Fall der mobilen Brenn-stoffzelle empirisch untersuchen. Mobile Brennstoffzellen als Antriebssystem für Fahrzeuge sind aus zwei Gründen ein äußerst interessantes Untersuchungsobjekt. Erstens haben sie in jüngerer Zeit ein sehr hohes Maß an Aufmerksamkeit erlangt. Zweitens sind sie ein Beispiel für eine vergleichsweise radikale Innovation im Bereich der Fahrzeugtechnologie, weil sie eine Abkehr von der bislang domi-nierenden Technologie der Verbrennungsmaschine und den mit dieser Antriebstechnologie zusam-menhängenden Infrastrukturen und komplementären Systemen bedeuten. Erwartungen sind für radika-le Innovationen besonders relevant, weil die damit verbundenen Unsicherheiten sehr hoch sind. Im konkreten Fall werden die Unsicherheiten durch steigende Preise für fossile Brennstoffe, die Debatte über den Klimawandel und die wachsende Sorge über die Sicherheit unserer Energieversorgung erhöht. Das Projekt zielt darauf ab unser Verständnis der Entstehung und Dynamik kollektiver Erwartungen, sowie ihren Einfluss auf die Einführung neuer Technologien in der Gesellschaft zu verbessern. Es baut dabei auf drei zentralen analytischen Schritten auf: Erstens werden die Erwartungsdynamiken für den Fall der mobilen Brennstoffzellen anhand der Aufmerksamkeit, die sie in speziellen Arenen (z.B. Fachzeitschriften, Massenmedien, wissenschaftliche Publikationen und Kapitalmärkte) ausgelöst ha-ben, diskursanalytisch nachgezeichnet. Zweitens werden die Interaktionen zwischen Erwartungen und Innovationsprozessen auf drei Ebenen untersucht, und zwar auf der Grundlage von Interviews und Fallstudien. Wir untersuchen a) die Schnittstellen und Loki, an denen Erwartungen zwischen verschie-denen Akteuren spezifiziert und ausgetauscht werden (z.B. Strategieabteilungen, Medien, Konferen-zen, etc.), b) die Rolle von Erwartungen bei der Formulierung von Innovationsstrategien ausgesuchter Akteure, und c) die Auswirkungen von Erwartungen auf Innovationsprozesse, wobei wir uns auf die Erfahrungen konkreter Innovationsprojekte konzentrieren werden. Drittens sollen auf der Grundlage der empirischen Befunde unsere verallgemeinerten Leithypothesen zu Erwartungsdynamiken und ih-rem Einfluss auf Innovation einer Prüfung unterzogen werden. Bei unserer Arbeit bauen wir auf Erkenntnisse verschiedener Bereiche sozial- und wirtschaftswissen-schaftlicher Forschung auf, wobei Wissenschafts- und Techniksoziologie, Innovationsökonomik und Politikwissenschaften ein besonderes Gewicht besitzen werden. Dadurch will das Projekt auch zur Entstehung eines interdisziplinären Forschungsfeldes beitragen, das sich mit den sozialen Dynamiken von Erwartungen und Innovation auseinandersetzt. Schließlich erwarten wir uns von unseren Ergeb-nissen auch einen Beitrag für einen reflexiveren Umgang mit der sozialen Dynamik von Erwartungen.
Hype und Enttäuschungszyklen scheinen im Bereich der alternativen Antriebe kein Einzelereignis zu sein. Schon Anfang der 1990iger Jahre galten Elektroautos in Kalifornien als Hoffnungsträger. Im Zuge der kalifornischen Gesetzgebung wurden die großen Autohersteller vor die Wahl gestellt einen gewissen Prozentsatz an lokal emissionsfreien Autos herzustellen oder mit empfindlichen Strafen konfrontiert zu werden. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem der bis heute bekannte GM EV1 entwickelt, aber auch andere Hersteller brachten verschiedene Elektroautos in begrenztem Ausmaß auf den Markt. Nur wenige Jahre später galten mit Batterien betriebene Elektroautos jedoch als gescheitert und einige Jahre galten Biotreibstoffe als der große Hoffnungsträger für die Automobilität der Zukunft, bis Ende der 1990iger Jahre die Brennstoffzelle kurz vor der Einführung schien. Im Moment jedoch ist die Brennstoffzellentechnologie in den Medien jedoch wieder in den Hintergrund getreten und batteriebetriebene Elektroautos stehen im Mittelpunkt des Interesses. Aus wissenschaftlicher, sowie auch als technologiepolitischer Perspektive stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage wieso derartige Hypes wiederholt vorkommen und wie EntscheidungsträgerInnen in der Wissenschaft, Politik sowie der Industrie mit derartigen Hypes und den darauffolgenden Enttäuschungen umgehen können. Einerseits gilt es natürlich Fehlinvestitionen zu vermeiden, andererseits darf der Einstieg in zukünftige Schlüsseltechnologien nicht verpasst werden. Das Projekt "Hopes, Hypes and Disappointments: Lessons from mobile fuel cell technology" des AIT beschäftigt sich mit den zuvor beschriebenen Erwartungsdynamiken (von Hypes zu Phasen der Enttäuschung). Dieses Thema wird seit mehreren Jahren auch vermehrt von EntscheidungsträgerInnen in der Forschungs-, Technologie- und Innovations- (FTI) Politik sowie im Forschungs- und Technologiemanagement als problematisch thematisiert. Im Rahmen des Projektes wurden die Entstehung sowie die Wirkungen derartiger Erwartungsdynamiken untersucht, wozu Methoden wie Interviews mit Akteuren aus den unterschiedlichsten Bereichen sowie eine Analyse von verschiedenen Diskursen respektive Medien (Massenmedien, Wissenschaftsdiskurs, Finanz/Börsendiskurs, Politikdiskurs, Fachdiskurs) angewendet wurden. Zunächst zeigte die Analyse verschiedener Medien, dass ein Hype in allen untersuchten Medien zu beobachten war, es sich also nicht bloß um einen reinen Massenmedienhype handelte. Dennoch ist zu beobachten, dass das Interesse an der Brennstoffzelle je nach Medium durchaus unterschiedlich war und auch die Euphorie unterschiedliche Ausmaße erreicht hat. Auch im Hinblick auf die Intensität der Enttäuschung lassen sich deutliche Unterschiede feststellen. Die Ergebnisse der Analysen zeigen weiters, dass Technologiehypes nicht bloß auf Grundlage von übertriebenen technologischen Erwartungen entstehen, sondern erst durch ein Zusammenspiel von Erwartungen auf unterschiedlichen Ebenen an Dynamik gewinnen. So zeigte die Diskursanalyse, dass die Euphorie zu Brennstoffzellentechnologie nicht nur durch Erwartungen, die direkt die Brennstoffzelle betreffen, begründet war. Erst die Vernetzung von technologischen Erwartungen über die zukünftige Leistungsfähigkeit von Brennstoffzellen mit der damals populären Vision einer Wasserstoffwirtschaft beflügelte sowohl die Erwartungen zur Brennstoffzellentechnologie als auch zum Thema Wasserstoff. Das Thema Wasserstoff wiederum wurde von den jeweiligen Proponenten stark mit dem Thema Erneuerbare Energieträger wie etwa Photovoltaik oder Windkraft verbunden, da Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden kann (unter anderem, aber auch aus Nuklearenergie, Kohle oder Gas). Die Wasserstoffvision wiederum wurde als erstrebenswert angesehen, nachdem auf gesellschaftlicher Ebene zukünftige Herausforderungen wie etwa der globale Klimawandel, Ressourcenknappheit oder auch die zunehmende Luftverschmutzung nach neuen Lösungen verlang(t)en. Erst durch die Vernetzung dieser Erwartungen entstand der Brennstoffzellenhype Ende der 1990iger Jahre. Dies ist ein wichtiges Resultat des durchgeführten Projektes welches zeigt, dass eine Analyse von Technologieerwartungen über die Bewertung von Technologien als solches hinausgehen, und auch Erwartungen auf anderen Ebenen in Betracht ziehen sollte. Hierfür wurde im Rahmen des Projektes ein Analysekonzept entwickelt.
Research Output
- 138 Zitationen
- 2 Publikationen
-
2015
Titel On the relation between communication and innovation activities: A comparison of hybrid electric and fuel cell vehicles DOI 10.1016/j.eist.2013.11.003 Typ Journal Article Autor Budde B Journal Environmental Innovation and Societal Transitions Seiten 45-59 Link Publikation -
2012
Titel Expectations as a key to understanding actor strategies in the field of fuel cell and hydrogen vehicles DOI 10.1016/j.techfore.2011.12.012 Typ Journal Article Autor Budde B Journal Technological Forecasting and Social Change Seiten 1072-1083 Link Publikation