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Schlafprozessmodellierung mit Kontext- und Multi-Sensordaten

Multi-sensor sleep modeling based on contextual data fusion

Georg Dorffner (ORCID: )
  • Grant-DOI 10.55776/P19857
  • Förderprogramm Einzelprojekte
  • Status beendet
  • Projektbeginn 01.07.2007
  • Projektende 31.12.2010
  • Bewilligungssumme 263.498 €
  • Projekt-Website

Wissenschaftsdisziplinen

Andere Humanmedizin, Gesundheitswissenschaften (40%); Informatik (20%); Medizinisch-theoretische Wissenschaften, Pharmazie (10%); Medizintechnik (30%)

Keywords

    Sleep Modeling, Rechtschaffen and Kales scoring, Multi-Sensor Data Fusion, Dynamic Bayesian Networks, Sleep Regulation Factors, Probabilistic Sleep Models

Abstract Endbericht

Der Mensch verbringt in etwa ein Drittel seines Lebens im Schlaf. Um die Rolle des Schlafs zu verstehen betrachtet man am besten was geschieht, wenn wir nicht schlafen. Schlafmangel beeinflusst die Funktionalität des Gehirns. Bei andauerndem Schlafentzug werden die Bereiche des Gehirns, die der Sprache, dem Gedächtnis und der Zeitwahrnehmung zuzuordnen sind, stark beeinträchtigt. Nach 17 Stunden ununterbrochenem Wachsein sinkt die Leistungsfähigkeit auf ein Niveau ähnlich einem Alkoholisierungsgrad von 0,5 (das entspricht 2 Gläsern Wein). Aus der Forschung ist bekannt, dass Personen mit Schlafentzug oftmals Schwierigkeiten haben, auf sich schnell ändernde Situationen zu reagieren oder vernünftige Einschätzungen zu treffen. Die Konsequenzen für den Alltag sind schwerwiegend und dem Schlafentzug wird zugeschrieben, zumindest mit ein Auslösefaktor für eine Vielzahl von internationalen Unglücksfällen gewesen zu sein. Als Beispiele seien hier die Exxon Valdez, Tschernobyl, Three Mile Island und der Absturz der Raumfähre Challenger genannt. Schlafentzug wirkt sich aber nicht nur auf kognitive Funktionen aus. Auch emotionale und gesundheitliche Beschwerden können auf Schlafmangel zurückgeführt werden. Störungen wie die Schlafapnoe bewirken extreme Tagesmüdigkeit und werden mit Stress und Hypertonie in Zusammenhang gebracht. In der Forschung wird Schlafmangel auch mit einer erhöhten Neigung zu Übergewicht verbunden, da chemische Botenstoffe und Hormone, die den Appetit und die Gewichtszunahme steuern, im Schlaf ausgeschüttet werden. Um die Struktur, Regulationsmechanismen und Effekte des Schlafs auf das menschliche Verhalten besser zu verstehen, wird die Modellierung des Schlafprozesses aus wissenschaftlicher Sicht immer wichtiger. Das zurzeit auf breiter Basis akzeptierte Modell des Schlafs basiert auf der Annahme, dass verschiedene Schlafstadien im Zyklus zwischen Schlaf und Wach involviert sind. Vor beinahe 40 Jahren wurden die Regeln von Rechtschaffen und Kales (R&K) als Referenzmethode zur Normierung der Definition der Schlafstadien, auf der Basis von EEG und anderen Biosignalen, eingeführt. Trotz seiner Unzulänglichkeiten wurde das Handbuch von R&K zum weltweit akzeptierten Standard der Schlafstadien-Klassifikation und hat enorm zum besseren Verständnis des Schlafprozesses und dessen Störungen beigetragen. Trotzdem hat die tiefgehende Validierung der Regeln von R&K, die in den letzten Jahren durchgeführt worden ist, einige wichtige Einschränkungen aufgezeigt. Als Folge dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden neue Modelle des Schlafprozesses vorgeschlagen. Insbesondere Modelle, die auf profunden wahrscheinlichkeitstheoretischen Ansätzen beruhen, haben zu viel versprechenden Ergebnissen geführt. Nichtsdestotrotz existieren bis heute kein systematischer Vergleich und keine Validierung dieser alternativen Schlafmodelle. Außerdem gibt es bei diesen Modellen einige fundamentale theoretische und konzeptionelle Einschränkungen, weshalb diese Ansätze von einer Mehrheit der Schlafforscher bis jetzt abgelehnt wurden. Ziel dieses Projekts ist die systematische Erweiterung der aktuellen probabilistischen Schlafmodelle, mit Biosignalen wie EEG als Input, durch gezielte Beseitigung der bekannten Einschränkungen. Das soll unter Verwendung neuer, fortschrittlicher Modell-Architekturen, Lernalgorithmen und Datenrepräsentationen, beeinflusst von der vorhandenen theoretischen und experimentellen Expertise aus früheren Projekten, erreicht werden. Die Verfügbarkeit einer großen Anzahl an Schlafdaten, die während früherer Projekte gesammelt wurden, bietet die einzigartige Möglichkeit, die korrekte Validierung der geplanten Erweiterung der aktuellen Schlafmodelle methodisch zu untermauern. Das Projekt fußt auf dem neuen Ansatz der dynamischen Bayes`schen Netzwerke, die zur systematischen wahrscheinlichkeitstheoretischen Fusion der Daten von Vielfach-Sensoren und Kontext- Information verwendet werden sollen. Bis heute wurde diese Vorgehensweise in der Schlafforschung noch nicht angedacht. In diesem Projekt sollen auch die Effekte der circadianen, homöostatischen und Schlafumgebungs- Faktoren in einem prinzipiell probabilistischen Ansatz als Vorgabe, die das letztendlich ermittelte Schlafprofil beeinflusst, untersucht und modelliert werden. Die wissenschaftlich herausfordernde Novität dieses Projekts wird nicht nur das bessere Verständnis des Schlafprozesses fördern, sondern auch neue Einblicke in die Schlafregulation und auf den Schlaf beeinflussende Faktoren ermöglichen. Zusammenfassend wird von den in diesem Projekt erzielten Ergebnissen erwartet, dass sie einen entscheidenden Schritt hin zu einem neuartigen und auf breiter Ebene akzeptierten Ansatz zur Schlafmodellierung darstellen - ein seit langer Zeit erhofftes Ziel der Schlafforschungs-Gemeinde.

Seit Jahrzehnten baut die Diagnose von Schlafstörungen in der Schlafmedzin auf einem Konzept der "Schlafarchitektur" auf, die anhand von physiologischen Messungen wie der Elektroenzephalographie (EEG) durch Einteilen des Schlafes in 4 oder 5 diskrete Schlafstadien pro 30 Sekunden Aufnahme hergeleitet wird. Seit mittlerweile 20 Jahren argumentieren aber auch immer mehr Forscher, dass das EEG und andere Signale mehr Information über den Schlaf enthält als diese groben Schlafstadien und verlangen daher nach alternativen Modellen. Dieses Projekt hat erfolgreich ein solches Modell entwickelt und hat zum ersten Mal im Vergleich zu bisherigen Versuchen in der Literatur zweifelsfrei bewiesen, dass solch ein Modell tatsächlich mehr Information über den Schlaf extrahieren kann, gemessen an höheren Korrelationen zwischen Variablen, die die neuen Schlafprofile charakterisieren, und Maßen für die Schlafqualität wie zum Beispiel subjektive Fragebögen zum Befinden am Morgen und psychometrische Tests. Das Modell fußt auf sogenannten Gauss`schen Mischmodellen, die spektrale Charakteristiken des Signals in eine beliebige Anzahl von Schlafzuständen einteilen können, ohne dass man vorher die genaue Bedeutung oder Anzahl dieser Zustände definieren müsste. Das Modell befreit sich daher von einigen Grenzen der klassischen Schlafstadien, nämlich dass diese immer durch das definiert sind, was vom Experten visuell im Signal erkannt werden kann, und die willkürliche Einteilung in 30-Sek-Abschnitte, die rein historisch bedingt ist. Der Beweis, dass diese neue Art der Beschreibung von Schlaf damit korreliert, wie sich ein Patient am Morgen fühlt und wie seine Performanz ist, deutet auf die klinische Validität des Ansatzes hin und könnte zu neuen Wege in der Schlafanalyse zur Diagnose von Schlafstörungen führen. Gleichzeitig hat dieses Projekt gezeigt, dass hochauflösende Schlafprofile entscheidende individuelle Unterschiede zeigen, wahrscheinlich mehr als man sich anhand bekannter EEG-Unterschiede zwischen Versuchspersonen erwarten konnte. In einem gewissen Sinne sind die Schlafprofile fast so etwas wie ein individueller "Fingerabdruck", der die Identifizierung von zur selben Personen gehörenden Nächten erstaunlich häufig ermöglicht. Das weist wiederum auf die Grenzen der Praxis einer einzelnen Untersuchungsnacht in der Diagnostik hin. Weitere Resultate wir ein Modell zur Komprimierung einer großen Anzahl an Schlafqualitätsmaßen in einige zentrale Faktoren und ein Modell, das mit räumlich verteilten EEG-Informationen umgehen kann, ergänzen die Ergebnisse dieses Projekts.

Forschungsstätte(n)
  • Medizinische Universität Wien - 100%
Internationale Projektbeteiligte
  • Torbjörn Akerstedt, Karolinska Institutet - Schweden

Research Output

  • 76 Zitationen
  • 3 Publikationen
Publikationen
  • 2012
    Titel Extracting more information from EEG recordings for a better description of sleep
    DOI 10.1016/j.cmpb.2012.05.009
    Typ Journal Article
    Autor Lewandowski A
    Journal Computer Methods and Programs in Biomedicine
    Seiten 961-972
    Link Publikation
  • 2013
    Titel In search of objective components for sleep quality indexing in normal sleep
    DOI 10.1016/j.biopsycho.2013.05.014
    Typ Journal Article
    Autor Rosipal R
    Journal Biological Psychology
    Seiten 210-220
    Link Publikation
  • 2013
    Titel On the Individuality of Sleep EEG Spectra
    DOI 10.1027/0269-8803/a000092
    Typ Journal Article
    Autor Lewandowski A
    Journal Journal of Psychophysiology
    Seiten 105-112
    Link Publikation

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