Die Rekonstruktion von Makrostrukturen und Story-Konturen aus metaphorischer Imagination
Reconstructing Macrostructures and Story Contours from Metaphoric Imagery
Wissenschaftsdisziplinen
Psychologie (20%); Sprach- und Literaturwissenschaften (80%)
Keywords
-
Cognitive Narratology,
Image Schema,
Story Macrostructure,
Embodiment,
Metaphor,
Software-Assisted Analysis
Allgemeine Ziele. Kognitionslinguistische Methoden der Metaphernanalyse, die schema-tische imagery in der Sprachverarbeitung auf Wort- und Satzebene nachweisen, werden hier auf das Verstehen von Geschichten angewendet. Das narratologische Modell in Kimmel (2005) modelliert wie lokale imagery-Aspekte im Text in ein globales "mental sketchpad" eingeschrieben werden, wodurch die globale Ereignisstruktur und -ontologie zusehends spezifiziert wird. Um dieses Modell des Plot-Verstehens vergleichend zu validieren und die Methoden zu verfeinern, wird ein Korpus von 6 Novellen analysiert. (Hierbei werden aus Vergleichsgründen Texte mit variabler Metapherndichte verwendet.) Die qualitative Software Atlas.ti 5.0 wird auf den Korpus derart angewandt, daß zunächst Metaphernkohäsion im Text selbst, sodann die vom Leser zugewiesene Kohärenz auf höherer Ebene untersucht werden. Theorie. Die Theorie der konzeptuellen Metapher sieht simple topologische image schemas und Kraftschemata, die aus Sensomotorik und Körpererfahrung herrühren, als wichtige Grundlage des Sprachverstehens. Legt man diese Hypothese auf Geschichten um, wird Story Plot von Lesern in "small spatal stories" (Turner 1996) codiert. Ereignis-"Spuren" wie Temporalität, Kausalität-Intentionalität, Interaktion zwischen Protagonisten und Emotionen in der globalen Ontologie (vgl. Zwaan, Magliano & Graesser 1995) sind demnach potentiell z.B. durch KRAFT, PFAD oder BEHÄLTER Schemata unterfüttert. Kimmel (2005) zeigte empirisch, daß es in (lokalen) Metaphern im Texten potentiell Belege für alle eben erwähnten Spuren der globalen Ereignisontologie gibt. Um diesen Befund abzustützen, gilt es, im Detail und textvergleichend die unterschiedlichen Weisen zu rekonstruieren, wie Worte und Sätze, welche lokal image schemas evozieren, zu einem globalen Modell des Plots anwachsen. Methode. Mein qualitativer Vergleichsansatz besetzt die Lücke zwischen automati-siertem Auszählen von imagery in großeren Korpora und interpretativen, aber unsystematischen und nichtkomparativen Ansätzen. Konkret werden Metaphern bzw. andere imagery-evozierende Textteile systematisch in Mehrfach-Codes erfaßt, und zwar bezüglich (a) ihres image schema Typs, (b) der möglichen Inferenzen oder Emotionen und (c) ihre Einbettung in breitere (nicht-metaphorische) Themen. Zunächst erlaubt Atlas.ti über Codeüberlappungen im Text Metapherncluster zu verorten. Der stärkste Beleg für wahrscheinliche konzeptuelle Verbindungen beim Leser liegt hierbei in konzeptueller Kohärenz (z.B. imaginative Affinität) unter der Zusatzbedingung von Kohäsion im Text, wiewohl auch Kohärenz ohne lokale Kohäsion eintreten kann. Gemeinsam auftretende und sinnhaft bezogene PFAD, KRAFT oder BEHÄLTER-Schemata erlauben den Schluß, daß Leser sie wirklich verbinden, sie interagieren lassen und zu Effekten höherer Ebene kombinieren. Darüber hinaus, erlaubt Atlas.ti eine Distributionsanalyse der image schemas im Text, um plausiblen Erfahrungskonturen beim Lesen zu rekonstruieren. Abschließend werden die Distributionsprofile zwischen den Texten verglichen, um verschiedene Autorenstrategien mit imagery umzugehen zu rekonstruieren.
Das Projekt untersuchte literarische Metapher und imaginative Tropen vor dem Hintergrund kognitiv stilistischer Erzählstrategien. Um über impressionistische Fallstudien mit beschränktem Themenfokus hinauszugehen, wurden sieben Englische und Amerikanische Novellen systematisch durchforstet und die ganze Bandbreite darin vorkommender imaginativer Effekte verglichen (Carmilla, Turn of the Screw, Spy in the House of Love, Billy Budd, Of the Farm, Cement Garden, City of Glass). Dazu lasen Codierer die Texte Wort für Wort und markierten imaginative Ausdrücke mittels der Annotations- und Analysesoftware ATLAS.ti. Ein erstes Ziel war es, kognitiv ähnliche Ausdrücke zu kompilieren, um literarische Themen oder Ambiguitäten zu erfassen. Beispielsweise, deuten gehäufte Kraftmetaphern in Carmilla die manipulative Natur des Vampirs subtil an. Ein Beispiel von metaphern- basierter Ambiguität sind die Geister in Turn of the Screw, die systematisch als gefallene Kreaturen, aber dennoch stets hoch oben erscheinen. Methodischer Hintergrund für die Analyse war die Theorie der konzeptuellen Metapher (Lakoff & Johnson 1980), welche an Sets verschiedener metaphorischer Ausdrücken ansetzt, die einem gemeinsamen Typ mentalen Projektionsmusters entsprechen. Beispielsweise vereint der Ausdruck "she held out her mind like a saucepan" die häufigen Muster DER GEIST IST EIN BEHÄLTER und KOMMUNIKATION IST OBJEKTÜBERTRAGUNG. Diese Art Analyse erlaubt es, Texte nach häufigen Projektionen abzusuchen, um ihre Effekte zu analysieren und erlaubt den Nachweis, dass die meisten literarischen Metaphern in Alltagsmetaphern fußen. (Literarische "Verfremdung" entsteht dabei v.a. durch Innovation an der sprachlichen Oberfläche oder das kreative Verweben mehrerer Muster.) Sodann wurde erforscht, wie quantitativ starke Projektionen über einen Text hinweg die konzeptuellen Lesermodelle der Erzählung beeinflussen. Oft definiert wiederholte Kraftimagination in Metaphern ("swept away by her feelings", "hit by a realization") oder in einfachen Handlungsbeschreibungen ("slammed the door") Protagonisteninteraktions-Modelle (Aktanten nach Greimas). Beispielsweise schildert sich die Erzählerin in Turn of the Screw als moralisch und mitfühlend, aber die wiederholten Kraftmetaphern enthüllen sie als manipulative Person, der die Handlung gegen die Interessen der anderen vorantreibt. Drittens wurde ATLAS.ti zur Suche nach Metaphernclustern verwendet. In Anais Nin`s Spy in the House of Love etwa reflektieren dicht verwobenen Metaphern die komplexe Psyche einer untreuen Ehefrau, wobei Bilder kreativ und sinnlich verschmolzen werden (Farben, Texturen, Geräusche und Körperaffekte), die zuweilen auch in Schlüsselbildern wie dem "Feuervogel" verdichtet werden. Viertens wurde untersucht, wie Imagination das Eintauchen des Lesers in den Text und körperliches Leseerleben fördert. Manche metaphorische Bilder erzeugen innere Gefühle (z. B. Emotionsmetaphern), während andere Handlungen oder Hintergrund verstehen lassen, oder aber abstrakt bleiben (z. B. Gedanken als Objekte darstellen). Manche Text sind reich an sprachlichem Detail, der Körperaffekte steuert, z. B. "a seesaw of the right throbs and the wrong", während andere eher leibfernes Lesen fördern. Ein letzter (komparativer) Projektschwerpunkt lag darin, die kognitiven Ziele zu überblicken, für die Autoren Metapher verwenden. Das psychologische Genre braucht sie um Emotionen und mentale Zustände zu schildern. Metaphysische Genres verwenden sie um komplexe Allegorien aufzubauen. Die meisten Texte verwenden Metapher, um Charaktere und ihre Interaktion zu zeichnen, und mache erzeugen damit eine sinnlich-leibesnahe Stimmung und ein Gefühl beim Leser "dabei zu sein".
- Universität Wien - 100%