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Evidenz höherer Ordnung

Higher-Order Evidence

Anna-Maria A. Eder (ORCID: )
  • Grant-DOI 10.55776/J3783
  • Förderprogramm Erwin Schrödinger
  • Status beendet
  • Projektbeginn 01.09.2016
  • Projektende 31.03.2018
  • Bewilligungssumme 155.960 €

Wissenschaftsdisziplinen

Philosophie, Ethik, Religion (100%)

Keywords

    Epistemic Rationality, Epistemic Justification, Higher-Order Evidence, Closure with Respect to Rational Belief, Disagreement, Uniqueness and Permissibility

Abstract Endbericht

Sowohl in den Wissenschaften als auch im Alltag sammeln wir Evidenz, um neue gerechtfertigte Meinungen zu bilden und um alte zu überprüfen. In den letzten Jahren ist eine besondere Art von Evidenz, Evidenz höherer Ordnung (kurz: EHO), in den Fokus gerückt. Gewöhnliche Evidenz, bzw. Evidenz erster Ordnung, ist Evidenz, die etwas direkt über die Welt aussagt. Im Gegensatz dazu informiert EHO über Evidenz erster Ordnung. Evidenz über Meinungsverschiedenheit oder über die Unzuverlässigkeit menschlichen Räsonierens in Bezug auf deduktives Schließen werden dabei oft als populäre Beispiele präsentiert. Trotz der großen Bedeutung von EHO, gibt es keine allgemein akzeptierte Charakterisierung und auch keine Einteilung unterschiedlicher Arten von EHO Daher gibt es auch keine Grundlage, um den Einfluss von EHO auf den Rechtfertigungsstatus einer Meinung zu diskutieren. Das Hauptziel dieses Projektes ist es, eine Theorie von EHO zu entwickeln und deren Rolle für rationales Räsonieren darzulegen. Das Projekt besteht aus drei Teilprojekten. Teilprojekt 1: Charakterisierung und Taxonomie von EHO; Teilprojekt 2: EHO und Meinungsverschiedenheit und Teilprojekt 3: EHO und Deduktives Schließen. Die Arbeitshypothese von Teilprojekt 1 ist, dass EHO am besten als Evidenz aufgefasst wird, die den epistemischen Zustand eines Subjektes beschreibt, bewertet oder vorschreibt. Die Arbeitshypothesen von Teilprojekt 2 lauten: (i) EHO über die evidentielle Stützungsrelation eines anderen Subjektes ist nicht notwendigerweise relevant für den Rechtfertigungsstatus einer Meinung, da zwei Subjekte im Lichte derselben Evidenz zwar unterschiedlicher Meinung aber dennoch beide gerechtfertigt sein können. (ii) EHO über die einem anderen Subjekt zur Verfügung stehende Evidenz, ist relevant für den Rechtfertigungsstatus von Meinungen eines Subjektes, falls beide Subjekte dieselbe evidentielle Stützungsrelation zugrunde legen. Die Arbeitshypothese von Teilprojekt 3 besagt, dass EHO über die Unzuverlässigkeit menschlichen Räsonierens in Bezug auf logisches bzw. deduktiven Schließen nicht erfordert, dass wir unsere Glaubensgrade in logische Wahrheiten oder die logischen Folgerungen unserer Meinungen senken. Stattdessen wird gefordert, dass sich die Subjekte in dem Sinne enthalten, dass sie der betreffenden Proposition gar keinen Glaubensgrad zuordnen. Das Projekt hat das Potential, die Standardtheorien rationalen Räsonierens zu revolutionieren, indem es EHO in den Mittelpunkt der Untersuchung stellt. Ziel ist es, eine Theorie von EHO zu entwickeln und diese in unsere Theorien zum Umgang mit gewöhnlicher Evidenz zu integrieren. Dabei wird das Projekt sowohl Themen der traditionellen als auch der formalen Erkenntnistheorie besprechen und deren Methoden verwenden. Die verwendeten Methoden der traditionellen Erkenntnistheorie umfassen Begriffsanalyse und Begriffsexplikation, die der formalen umfassen die Logik und die Wahrscheinlichkeitstheorie. Die verantwortliche Forscherin für das Projekt ist Anna-Maria Asunta Eder.

Evidenz höherer Ordnung (HOE) ist eines der wichtigsten Themen der zeitgenössischen Erkenntnistheorie. Es stellt eine gängige Auffassung des Zusammenhangs zwischen Evidenz (Datenlage) und rationalen Überzeugungen in Frage. Demnach beruht rationale Überzeugung hauptsächlich auf Evidenz über die Welt. Dieses Bild entspricht populären Charakterisierungen von Rationalität, wird aber durch HOE herausgefordert. Grob gesagt handelt es sich bei Evidenz erster Ordnung um Evidenz über die Welt, bei HOE um die Evidenz über z.B. Evidenz selber, über kognitive Leistungen oder evidentielle Beziehungen. Viele Praktiken in der Politik, vor Gericht und in der Wissenschaft beziehen HOE mit ein. Oft suchen Politiker_innen nicht nach Evidenz zu einem bestimmten Thema. Stattdessen sind sie an HOE interessiert, die darauf Bezug nimmt, was Expert_innen glauben. Und in der Wissenschaft vertrauen wir oft auf HOE über die Überzeugungen unserer Kolleg_innen und darüber, ob unsere eigene Evidenz korrekt ist und zuverlässig gewonnen wurde. In meinem Forschungsprojekt untersuche ich verschiedene Formen von HOE und ihre Bedeutung für erkenntnistheoretische Debatten. Im Folgenden fasse ich einige meiner Ergebnisse zusammen. Es wird allgemein vorausgesetzt, dass das Theoretisieren über epistemisch ideale Personen hilfreich für die Untersuchung epistemischer Rationalität ist. Ich zeige, dass dieses Theoretisieren problematisch ist, was auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass wir HOE erwerben können, die es unmöglich macht, dass unsere gesamte Evidenz der gesamten Evidenz von idealen Personen entspricht. Dieses Ergebnis ist für allgemeine Debatten über Rationalität von hoher Relevanz. Epistemische Rationalität wird gemeinhin als wertvoll angesehen. Dies wird oft mit Bezug auf Positionen erklärt, die davon ausgehen, dass Rationalität epistemischen Zielen wie der Wahrheit förderlich ist. Ich untersuche die Perspektiven und Grenzen von Spezifikationen solcher Positionen und führe meine Spezifikation ein, die radikal ist. Die Spezifikation, die keine Verpflichtung zum Streben nach der Wahrheit beinhaltet, hängt u.a. davon ab, wie man mit HOE umgeht. Der Bayesianismus, der sich in der Entscheidungstheorie, Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie großer Beliebtheit erfreut, befasst sich mit der epistemisch Rationalität. Er geht von einer engen Verbindung zwischen evidentieller Wahrscheinlichkeit und rationalen Glaubensgraden aus und interpretiert solche Wahrscheinlichkeiten meist als solche Glaubensgrade. (Die evidentielle Wahrscheinlichkeit einer Hypothese gegeben der Evidenz besagt, wie stark die Evidenz die Hypothese stützt.) Timothy Williamson stellt den Bayesianismus in Frage. Sein Argument basiert auf der Tatsache, dass wir HOE besitzen, der gemäß wir bestimmte logische Wahrheiten nicht erkennen. Ich zeige, wie man den Bayesianismus retten kann.

Forschungsstätte(n)
  • Northeastern University Boston - 100%
Internationale Projektbeteiligte
  • Peter Brössel, Ruhr Universität Bochum - Deutschland
  • Igor Douven, Université de Paris 4 Sorbonne - Frankreich

Research Output

  • 3 Zitationen
  • 1 Publikationen
Publikationen
  • 2021
    Titel Explicating the concept of epistemic rationality
    DOI 10.1007/s11229-020-03011-5
    Typ Journal Article
    Autor Eder A
    Journal Synthese
    Seiten 4975-5000
    Link Publikation

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