Multiskalige Dynamik des Umbaus der Brustdrüse

Die meisten Zellen in unserem Körper werden ständig erneuert. So werden beispielsweise die Zellen unserer Haut oder unseres Darms jede Woche fast vollständig erneuert, und zwar durch Populationen sich teilender Stammzellen, die den normalen Abgang differenzierter Zellen kompensieren. Das Wesen, die Dynamik und die Regulierung dieser Stammzellen waren in den letzten zehn Jahren ein Thema von intensivem Interesse, sowohl aus grundlegender biologischer Sicht als auch um mehr Einblicke zu erhalten, wie wir die Regeneration unterstützen können. Zu den wichtigsten offenen Fragen auf diesem Gebiet gehören: i) Sind viele Zellen mit einem solchen Erneuerungs- und Regenerationspotenzial ausgestattet, oder ist dies die Eigenschaft nur sehr seltener spezieller Zellen? ii) Welches sind die molekularen und physikalischen Signale, die einer Stammzelle "sagen", dass sie sich in einer bestimmten Weise verhalten soll, z. B. sich zu teilen oder zu differenzieren, um eine sterbende Zelle eines bestimmten Typs zu ersetzen? Noch bemerkenswerter ist, dass einige Organe im Laufe unseres Lebens nicht nur einen lokalen Zellwechsel aufweisen, sondern auch globale und umfassende Veränderungen in der Form und Morphologie des Organs. Als Paradebeispiel für einen auffälligen und kontinuierlichen Organumbau im Erwachsenenalter wollen wir die Brustdrüse der Maus untersuchen. Die Brustdrüse ist ein stark verzweigtes, baumartiges Organ, das stark auf systemische hormonelle Signale reagiert. Obwohl ihre großräumige Organisation während der Pubertät festgelegt wird (durch einen Prozess, der als "Verzweigungsmorphogenese" bezeichnet wird und bei dem die Verzweigungen durch die Spitzen allmählich an Komplexität zunehmen), wird der Brustdrüsenbaum während jedes Östrogenzyklus durch die Initiierung und Regression von Verzweigungen umfassend umgestaltet. Allerdings verstehen wir die globalen und lokalen Regeln, die diesem Umbau zugrunde liegen, immer noch nicht ganz. Was bestimmt, dass ein bestimmter Zweig in der Brustdrüse in einem bestimmten Zyklus wächst oder sich zurückbildet? Welches sind die lokalen zellulären Verhaltensweisen und physikalischen Kräfte, die diesen globalen Veränderungen zugrunde liegen? Diese Fragen sind auf der Grundlage der derzeitigen Daten sehr schwer zu beantworten, da diese weitgehend statisch und auf Populationsebene sind, d. h. sie erlauben keine kontinuierliche Darstellung der zeitlichen Entwicklung einer Brustdrüse. Um diese Fragen zu beantworten, werden wir das Fachwissen von zwei Gruppen aus den Bereichen experimentelle Stammzell-/Entwicklungsbiologie und theoretische Biophysik kombinieren. Auf der theoretischen Seite werden wir physikalische und mathematische Modelle der von einzelnen Zellen ausgeübten Kräfte und ihrer Entscheidungen zur Teilung/Differenzierung entwickeln. Auf der experimentellen Seite werden wir mit Hilfe der Intravitalmikroskopie in Echtzeit untersuchen, wie sich eine bestimmte Brustdrüse im Laufe der Zeit entwickelt, und so eine räumlich-zeitliche Karte des Umbaus der Verzweigungen erstellen, die vom Maßstab des gesamten Organs bis zur Zellebene reicht. Die Entschlüsselung der Dynamik und der Mechanismen der Erneuerung und des Umbaus der Brustdrüse wird ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Gewebeerhaltung sein, der auch auf andere Gewebe übertragbar sein könnte.