Jesuitenarchitektur in Italien (1540 - 1773)
Jesuitenarchitektur in Italien (1540 - 1773)
Wissenschaftsdisziplinen
Bauwesen (100%)
Keywords
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History Of Architecture,
Art History,
Renaissance And Baroque,
Society Of Jesus
Mit dem vorliegenden zweiten Band ist die Untersuchung der italienischen Jesuitenbaukunst nunmehr zu etwa drei Fünfteln des gesamten italienischen Denkmälerbestandes gediehen. In 37 Kapiteln werden alle im Laufe von 230 Jahren im Territorium der Provincia Mediolanensis entstandenen Gebäudekomplexe ausführlich behandelt. Die Mailändische Ordensprovinz umfasst das westliche Oberitalien, d.h. den Großteil der Lombardei, das Piemont und Ligurien, darüber hinaus aber auch noch Korsika. In Begriffen der historischen Topographie ausgedrückt, setzt sich das Territorium aus folgenden Staaten zusammen: dem Herzogtum Mailand, das bis 1707 zum spanischen Herrschaftsgebiet und danach den österreichischen Habsburgern gehörte, dem Veltlin, das in dem von uns behandelten Zeitraum mit Ausnahme weniger Jahre vom protestantischen Graubünden beherrscht wurde, dem cisalpinen Teil des savoyischen Herzogtums samt der dazugehörigen Grafschaft Nizza und schließlich der Republik Genua, zu der bis 1768 auch die Insel Korsika zu zählen ist. Zentrale der Provinz war das Mailänder Professhaus von S. Fedele, dennoch führte das große politische Gewicht des Turiner Herzogshofes und der Serenissima Repubblica di Genova zu einer polyzentrischen Ausrichtung auch der baugeschichtlichen Ergebnisse. Mit Pellegrino Tibaldi (1527-1596) und Francesco Maria Ricchini (1584-1658) hat die Baukultur der lombardischen Metropole zwei richtungweisende Künstlerpersönlichkeiten hervorgebracht, die auch an der Bautätigkeit der Gesellschaft Jesu maßgeblichen Anteil hatten und die Bautraditionen der Ordensprovinz nachhaltig beeinflussen sollten. Unverkennbares architektonisches Eigenleben bestand aber auch auf dem Territorium der Republik Genua, wo sich dank der langjährigen Tätigkeit von Orazio Grassi (1583-1654) auch römisches Gedankengut vorrangig behaupten sollte. Eine architektonische Lokalkultur von einzigartiger Prägung entwickelte sich hingegen am piemontesischen Savoyer-Hof, wo zunächst mit Ascanio Vitozzi, später mit Guarino Guarini und schließlich mit Filippo Juvarra und Bernardo Antonio Vittone Baukünstler von allerhöchstem Rang, zum Teil auch für die Gesellschaft Jesu tätig waren. Unter dem Eindruck ihrer Leistungen hat sich auch das Architekturverständnis der in Turin wirkenden Jesuiten herausgebildet, die selbst auf großartige Baustiftungen des Turiner Hofes entscheidenden Einfluss genommen haben. In der Fachwelt zuwenig berücksichtigt ist auch das Faktum, dass Andrea Pozzo, die facettenreichste und bedeutendste aller ordenseigenen Künstlerpersönlichkeiten, die ersten entscheidenden Phasen seiner Laufbahn im Dienste der mailändischen Jesuitenprovinz vollbrachte. In den 1670er Jahren findet man ihn auf den Baustellen des Ordens in Alessandria, Como, Cuneo, Genua, Mailand, Mondovì, Novi Ligure, Turin, und möglicherweise auch in Savona. Die in der Jesuitenarchitektur des westlichen Oberitaliens vollbrachten Leistungen können als hinreichendes Zeugnis dafür gelten, dass dem Denkmälerbestand der mailändischen Provinz im Kontext der italienischen Jesuitenbaukunst ein außerordentlich hoher Stellenwert zukommt, und dass seine Bearbeitung daher für eine Gesamtbeurteilung des Forschungsgegenstandes von zentraler Bedeutung ist.
- Richard Bösel, Österreichische Akademie der Wissenschaften , assoziierte:r Forschungspartner:in