Beethoven-Geflechte. Netzwerke und Erinnerungskulturen
Beethoven-Geflechte. Networks and Cultures of Memory
Wissenschaftsdisziplinen
Geschichte, Archäologie (10%); Kunstwissenschaften (90%)
Keywords
-
Ludwig van Beethoven,
Aristocracy,
Memory Culture Viennese Society,
Viennese Society,
Musical sociability,
Anniversaries
Das biographische und historische Bild, das lange über Ludwig van Beethoven vorherrschte, war das eines Einzelgängers. So gut dieses Bild in das Narrativ eines Künstlergenies passt, so unscharf wird es, betrachtet man insbesondere die ersten Dekaden von Beethovens Wiener Zeit. Hier war Beethoven als Pianist und Komponist, als Lehrer und humorvoller Gesprächspartner Teil eines ebenso großflächigen wie engmaschigen Geflechts aus gesellschaftlichen, künstlerischen, professionellen, verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen. Auf welche gesellschaftlichen Zirkel Beethoven traf, als er sich in der kulturellen und politischen Metropole niederließ, und wie sich Beethoven in diesen Zirkeln bewegte, stellt der vorliegende Sammelband neu zur Diskussion. Es geht dabei um die Lebenswelten des Hohen Adels und der Zweiten Gesellschaft, die kulturellen Aktivitäten in diesen Lebenswelten, um Kulturpatronage und Widmungen, um musikalische Geselligkeiten und um jene künstlerischen Praktiken, die in den Wiener Salons der napoleonischen Ära und der Befreiungskriege stattfanden und an denen sich Beethoven aktiv beteiligte. Die politisch turbulente Zeit des frühen 19. Jahrhunderts veränderte zahlreiche gesellschaftliche und kulturelle Bedingungen, unter anderem die Bedingungen, wer und in welcher Weise erinnert werden sollte wobei die Aristokratie als maßstabgebende Instanz zunehmend verdrängt wurde. Ein Komponist wie Beethoven konnte auf diese Weise, auch durch Selbstrepräsentation als anti-feudaler, bürgerlicher Künstler oder als exzentrisches Genie, in eine heroische Geschichtserzählung eingefügt werden, die den politischen Zeitläuften entgegenkam. Besonders interessant ist daher, wie sich die Erinnerungskulturen zur Zeit Beethovens veränderten: neue Figuren, neue Medien und neue Narrative standen bereit, um aus dem mit dem Wiener Adel so gut vernetzten Beethoven das Bild eines einsamen, anti-feudalen, exzentrischen Künstlergenies entstehen zu lassen. Der Anlass des vorliegenden Bandes, das Beethoven-Jubiläumsjahr 2020, bietet daher auch die Gelegenheit, die weitere Folge dieser Erinnerungskultur und die damit verbundenen Veränderungen des Beethoven-Bildes bis ins 20. Jahrhundert zu verfolgen.