Portraitmosaik der FWF-START-Preisträger:innen 2024
Der Österreichische Wissenschaftsfonds FWF zeichnet acht Forschende mit einem FWF-START-Preis aus. © FWF

Das Antragsvolumen beim FWF-START-Preis betrug in Summe rund 141 Millionen Euro, davon kamen 46,4 Prozent der Anträge aus dem Bereich Naturwissenschaften und Technik, 27,7 Prozent aus dem Bereich Biologie und Medizin sowie 25,9 Prozent aus den Geistes- und Sozialwissenschaften. Die acht geförderten Projekte, vier davon werden von Frauen geleitet, kommen aus allen Fachdisziplinen und werden mit jeweils bis zu 1,2 Millionen Euro gefördert. Die FWF-START-Preise richten sich an aufstrebende Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben wird, auf längere Sicht und finanziell abgesichert ihre Forschungen zu planen.

Die neuen FWF-START-Preisträger:innen im Überblick

Die Grenzen der Mathematik ausloten

Portrait Juan P. Aguilera
Der FWF-START-Preisträger Juan P. Aguilera entwickelt Werkzeuge, um zu klären, welche mathematischen Probleme lösbar sind und welche nicht. © FWF/Ulrich Zinell

Vor fast einem Jahrhundert fanden Forschende heraus, dass es in der Mathematik einige Fragen gibt, die nicht beantwortet werden können. Juan P. Aguilera will in seinem mit dem FWF-START-Preis geförderten Forschungsprojekt verschiedene Bereiche der Mathematik zusammenführen, um neue Werkzeuge in der Logik zu entwickeln. Diese sollen helfen herauszufinden, welche Fragen tatsächlich Antworten haben und welche nicht. Im FWF-START-Projekt „Proofs Beyond the Transfinite“ kombiniert er die Beweistheorie mit der Berechenbarkeitstheorie und der Mengenlehre, um jenseits der Unendlichkeit nach mathematischen Werkzeugen zu suchen, damit festgestellt werden kann, ob mathematische Fragen Antworten haben oder nicht.

Juan P. Aguilera studierte zunächst angewandte Mathematik und promovierte dann an der Technischen Universität Wien zum Thema Unendlichkeit in der Mathematik. Er arbeitete als Gastwissenschaftler an der Harvard University, der Rutgers University, der University of Cambridge und der Universität Hamburg und hatte eine Stelle an der Universität Wien inne. Seine Beiträge zur Mathematik wurden mit mehreren Auszeichnungen gewürdigt und 2023 schloss er seine Habilitationsschrift über mathematische Logik ab. Derzeit ist er an der Technischen Universität Wien tätig.

Juan P. Aguilera

Institut für Diskrete Mathematik und Geometrie, Technische Universität Wien

Wie Emotionen zu Sprachveränderungen führen

Portrait Svitlana Antonyuk
Die Linguistin und FWF-START-Preisträgerin Svitlana Antonyuk entdeckt wie emotionale Reaktionen sich auf den Sprachwandel auswirken. © FWF/Sabine Hoffmann

Die generative Linguistin Svitlana Antonyuk erforscht an der Universität Graz die emotionalen Faktoren des Sprachwandels. Mit einer Kombination aus soziolinguistischen und neurolinguistischen Methoden untersucht sie die psychologischen Mechanismen, die Sprachgebrauch und -wandel beeinflussen. Ihr Projekt „The Emotions We Speak“, das mit einem FWF-START-Preis gefördert wird, zielt darauf ab, die Rolle von Emotionen in Sprachkontakt- und Sprachwechselsituationen besser zu verstehen. Antonyuks Hypothese ist, dass emotionale Einstellungen gegenüber sprachlichem Material das Sprachsystem beeinflussen und zu vorhersehbaren Veränderungen innerhalb der Sprache führen können. Diese Forschung bietet wertvolle Einblicke in die Art und Weise, wie Emotionen linguistische Prozesse beeinflussen.

Svitlana Antonyuk ist Lise Meitner Senior Postdoctoral Researcher am Institut für Slawistik und am Institut für Germanistik an der Universität Graz. Sie studierte Englische und Französische Philologie an der Nationalen Jurij-Fedkowytsch-Universität Czernowitz, Ukraine, sowie Linguistik an der Stony Brook University of New York, USA, wo sie 2015 ihren Doktortitel erwarb.

Svitlana Antonyuk

Institut für Slawistik, Universität Graz

Frühchristliche Figuren in der Literatur erkunden

Portrait Dan Batovici
FWF-START-Preisträger Dan Batovici geht der Frage nach, warum einzelne zweitrangige frühchristliche Figuren einen hohen Stellenwert in spätantiken und mittelalterlichen Schriften erlangen konnten. © FWF/Daniel Novotny

Clemens von Rom oder Ignatius von Antiochien gehören zu einer Reihe frühchristlicher Figuren, die auch als „Apostolische Väter“ bekannt wurden. Obwohl ihnen in der Hierarchie des Christentums viel weniger Bedeutung zugeschrieben wird als den Aposteln, konnten sie über Jahrhunderte hinweg eine enorme Wirkmächtigkeit entfalten. Der Altphilologe und FWF-START-Preisträger Dan Batovici untersucht die einhergehenden Schriften erstmals systematisch und über Kulturkreise hinweg. Unter dem Projekttitel „Generative Authority“ untersucht er die komplexe Rezeption der Literatur, die im Zusammenhang mit bekannten sekundären frühchristlichen Figuren steht. Ihnen wird in verschiedenen spätantiken und mittelalterlichen Manuskriptkulturen zum Teil sehr unterschiedliche Bedeutung zugestanden. Im Projekt wird die „generative Autorität“ dieser Figuren erstmals in einer Gesamtheit von griechischen, koptischen, armenischen und syrischen Handschriften erforscht.

Dan Batovici studierte Klassische Philologie in Bukarest sowie Theologie und Religionswissenschaften in Cambridge und St. Andrews. Er ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Theologie und Religionswissenschaft der Katholieke Universiteit Leuven tätig, wo er 2015 auch promovierte. In der Vergangenheit war Batovici, dessen Forschungsschwerpunkt auf frühchristlichen Schriften liegt, bereits Gastwissenschaftler an der University of Cambridge und am Wolfson College in Oxford. Aktuell forscht er als Gastwissenschaftler an der Universität Wien. Das FWF-START-Projekt wird er an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften durchführen.

Dan Batovici

Institut für Mittelalterforschung, Österreichische Akademie der Wissenschaften

Neue Perspektiven auf Quantensysteme erschließen

Portrait Uroš Delić
Der FWF-START-Preisträger Uroš Delić untersucht, wie sich interagierende Quantensystem verhalten und möchte so die Tür zu einem neuen Forschungsgebiet aufstoßen. © FWF/Luiza Puiu

Von einzelnen Lichtteilchen bis zu Supraleitern, die Quantenphysik kann Phänomene auf verschiedensten Größenordnungen mit unerreichter Präzision beschreiben. Doch dabei betrachten Physiker:innen die Systeme meist als isoliert von ihrer Umgebung – eine nützliche Fiktion, die aber nicht der Wirklichkeit entspricht. Uroš Delić wird mit dem FWF-START-Preis unter dem Projekttitel „QNONREC“ untersuchen, wie sich interagierende Quantensysteme verhalten, und die Tür zu einem neuen Forschungsgebiet aufstoßen.

Während die Quantenphysik einzelner, gut isolierter Systeme gut verstanden ist, bereiten Vielteilchensysteme Physiker:innen Kopfzerbrechen. Dabei sind gerade Letztere der Normalfall in der Welt außerhalb der Physiklabore. Um wechselwirkende Quantensysteme zu untersuchen, sollen im Rahmen des Projekts mehrere schwebende Nanopartikel zur Interaktion gebracht werden, deren Verhalten mithilfe von Lasern und optischen Resonatoren exakt kontrolliert und ausgelesen werden kann.

Uroš Delić ist Experimentalphysiker. Nach seinem Studium der Physik und der Computerwissenschaften im serbischen Belgrad wechselte Delić zur Universität Wien, wo er 2019 mit Auszeichnung promovierte. Es folgten Forschungsaufenthalte, etwa am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA. Heute forscht und lehrt Delić an der Uni Wien und wird im Zuge des FWF-START-Projekts Junior-Gruppenleiter am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Innsbruck der Österreichischen Akademie der Wissenschaften werden.

Uroš Delić

Institut für Quantenoptik und Quanteninformation Innsbruck, Österreichische Akademie der Wissenschaften

Mit Machine-Learning die Chemie nachhaltiger machen

Portrait Esther Heid
Die FWF-START-Preisträgerin Esther Heid verbindet in ihrer Forschung Chemie und Informatik, um Produktionsprozesse nachhaltiger zu machen. © FWF/Ulrich Zinell

Die Chemikerin und Programmiererin Esther Heid arbeitet in ihrem mit dem FWF-START-Preis ausgezeichneten Projekt daran, mittels Machine-Learning die Chemie nachhaltiger zu machen. Dazu entwickelt sie neue Computermodelle, die es den Forscher:innen ermöglichen sollen, neue und insbesondere nachhaltigere Reaktionen und Katalysatoren zu identifizieren, die dann im Labor getestet werden können. Das Projekt „Deep Learning of Chemical Reactions“ hat zum Ziel, neue Machine-Learning-Algorithmen zu entwickeln, die es Forscher:innen erlauben sollen, in einem virtuellen Labor am Computer neue chemische Reaktionen und Katalysatoren zu finden, um die Suche nach nachhaltigen Ansätzen in der Chemie zu beschleunigen.

Esther Heid studierte Chemie vom Bachelor bis zum Doktorat mit Fokus auf theoretische Chemie an der Universität Wien. Sie verbrachte Forschungsaufenthalte am Imperial College London und der University of Maryland, Baltimore, in den USA. Als Postdoc arbeitete sie zwei Jahre lang am Massachusetts Institute of Technology (MIT) an der Schnittstelle zwischen Chemie und Machine-Learning und seit 2022 ist sie Postdoc an der Technischen Universität Wien. Dort forscht sie unter anderem an neuen Multi-Enzym-Reaktionsnetzwerken, um gezielt Moleküle herzustellen.

Esther Heid

Institut für Materialchemie, Technische Universität Wien

Die Rolle von Stress bei Herzversagen verstehen

Portrait Senka Holzer
FWF-START-Preisträgerin Senka Holzer untersucht, welche Rolle Stress und Bluthochdruck bei Herzversagen spielen. © FWF/Sabine Hoffmann

Herzzellen müssen jeden Tag enorme Leistungen vollbringen. Doch wenn sie über längere Zeit unter Stress und hohem Blutdruck arbeiten, verlieren sie ihre Leistungsfähigkeit. Die FWF-START-Preisträgerin Senka Holzer erforscht im Projekt „Energetics-Transcription Coupling in Hypertensive Heart“, welche Prozesse in der Zelle zum Herzversagen führen. Dazu hat sie eine Methode entwickelt, mit der sie einzelne Herzmuskelzellen unter dem Elektronenmikroskop untersuchen kann. Sie geht der Frage nach, wie anhaltender Bluthochdruck die Funktion von Herzmuskelzellen beeinflusst und letztlich zum Herzversagen führt. Im Mittelpunkt steht dabei die Kommunikation zwischen dem Zellkern und den Mitochondrien, den Energielieferanten der Zelle. Mit einer eigens für das Projekt entwickelten Anwendung der Elektronenmikroskopie analysiert Holzer einzelne Herzmuskelzellen, um die Vorgänge in ihrem Inneren besser zu verstehen und neue Ansätze für die Erforschung von Herzerkrankungen zu finden.

Senka Holzer ist Assistenzprofessorin an der Medizinischen Universität Graz und leitet eine Forschungsgruppe an der Klinischen Abteilung für Kardiologie. Zuvor studierte sie Molekulare Medizin und verbrachte einen Forschungsaufenthalt an der University of California, USA.

Senka Holzer

Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Graz

Die zellulären Mechanismen bei Kinderkrebs erforschen

Portrait Polina Kameneva
Die Entwicklungsbiologin und FWF-START-Preisträgerin Polina Kameneva will herausfinden, welche Mechanismen einer Krebserkrankung bei Kindern zugrunde liegen. © FWF/Daniel Novotny

Nicht jede schädliche Mutation führt zu Krebs. Ob sich eine Krebszelle entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere von der ersten Phase nach einer Mutation. Die Entwicklungsbiologin und FWF-START-Preisträgerin Polina Kameneva erforscht, warum Zellen in bestimmten Entwicklungsstadien vor der Entstehung von Krebs geschützt sind und in anderen nicht. Ihr Forschungsschwerpunkt ist das Neuroblastom, eine häufige Krebsart bei Kindern. In ihrem Projekt „Modelling Pediatric Tumor Initiation with Human Stem Cells“ untersucht sie die Entwicklung von Neuroblastomen, einer Tumorart, die vor allem im frühen Kindesalter auftritt. Mit ihrer Forschung will Polina Kameneva neue Einblicke in Krebserkrankungen gewinnen und schützende Faktoren zu Beginn der Krebsentstehung identifizieren. Dazu verwendet sie modernste Technologien, um die Bildung von Tumoren in 3D-Organoiden aus menschlichen Stammzellen zu analysieren.

Polina Kameneva begann ihre wissenschaftliche Karriere in der Meeresbiologie, bevor sie sich der Erforschung der Krebsentstehung in den Neurowissenschaften widmete. Nach einem dreijährigen Forschungsaufenthalt am Karolinska Institutet in Schweden wechselte sie 2021 an das Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien. Seit Juni 2024 leitet Kameneva eine Forschungsgruppe der St. Anna Kinderkrebsforschung.

Polina Kameneva

St. Anna Kinderkrebsforschung

Ein neuer Blick in die „Blackbox“ Algorithmen

Portrait Yurii Malitskyi
FWF-START-Preisträger Yurii Malitskyi erforscht die mathematischen Grundlagen für bessere Algorithmen, die schnellere Lösungen finden können. © FWF/Stefanie Freynschlag

Was ist der beste Weg von A nach B? Welche Aktien kaufen? Und wo das nächste Kraftwerk bauen? Optimierungsprobleme sind allgegenwärtig: Aus einer Liste an Alternativen soll die beste Option bezüglich einer oder mehrerer Zielvorgaben ausgewählt werden. In vielen Fällen kommen zur Lösung solcher Probleme Algorithmen zum Einsatz, die sich Schritt für Schritt dem Optimum annähern. Die Eigenschaften solcher Strategien besser zu verstehen und neue, schnellere Algorithmen zu finden, ist das Ziel von Mathematiker Yurii Malitskyi. Für sein Projekt erhält er den FWF-START-Preis 2024. Mithilfe der mathematischen Struktur verschiedener Optimierungsprobleme will Yurii Malitskyi einerseits bessere Algorithmen finden, um schneller zu Lösungen zu gelangen, andererseits die mathematischen Eigenschaften der Algorithmen besser verstehen. Dazu muss er die Blackbox-Annahme fallen lassen, die standardmäßig für Funktionen in Optimierungen gilt. Das Lüften dieses Schleiers verspricht Fortschritte in Grundlagenforschung und Anwendungsgebieten wie künstlicher Intelligenz.

Yurii Malitskyi ist Mathematiker. Nach Studium und Promotion an der Universität Kiew folgten Forschungsaufenthalte an der Technischen Universität Graz, der Universität Göttingen und der ETH Lausanne, woraufhin Malitskyi Assistenzprofessor an der Uni im schwedischen Linköping wurde. 2023 erfolgte der Ruf als Assistenzprofessor für computergestützte Optimierung an der Uni Wien. Folgerichtig sind Optimierungsalgorithmen Malitskyis Forschungsschwerpunkt.

Yurii Malitskyi

Fakultät für Mathematik, Universität Wien

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